THYSSENKRUPP

Dieser Schuss muss sitzen

Die Bilanz von Thyssenkrupp für das abgelaufene Geschäftsjahr ist desaströs. Das betrifft nicht nur die finanziellen Eckdaten, sondern vor allem auch die Bestandsaufnahme von Martina Merz, die erst seit Oktober an der Vorstandsspitze des...

Dieser Schuss muss sitzen

Die Bilanz von Thyssenkrupp für das abgelaufene Geschäftsjahr ist desaströs. Das betrifft nicht nur die finanziellen Eckdaten, sondern vor allem auch die Bestandsaufnahme von Martina Merz, die erst seit Oktober an der Vorstandsspitze des Traditionskonzerns steht. Was sie in Gesprächen mit Stakeholdern gesehen und gehört habe, sei zum Teil ernüchternd: “Wir liegen in vielen Bereichen weit hinter unseren Ambitionen zurück.”Von den vielfältigen Verbesserungsansätzen sei “viel zu wenig in der Umsetzung”. Zu lange habe sich Thyssenkrupp “durchgewurschtelt”, anstatt die Themen konsequent und ernsthaft anzupacken. “So wie bisher kann es nicht weitergehen”, folgert Merz. Selbstverständlich ist es legitim, die desaströse Lage des Konzerns dem Vorgänger in die Schuhe zu schieben, der offensichtlich viele Enden hat schleifen lassen.Für Merz kommt allerdings erschwerend hinzu, dass sie nicht – wie sonst bei Führungswechseln üblich – mit eisernem Besen durch die Bilanz fegen kann, um den eigenen Start zu erleichtern. Die Bilanz von Thyssenkrupp gibt ein solches Vorgehen nämlich schlicht nicht mehr her. Nicht nur dass der Konzern seit Jahr und Tag Geld verbrennt – einen positiven freien Cash-flow gab es zuletzt im Geschäftsjahr 2016/17, einen positiven Jahresüberschuss im Turnus 2015/16. Auch die Eigenkapitalquote ist per 30. September mit 6,1 % auf ein noch nie dagewesenes Tief zusammengeschnurrt, derweil die Nettoschulden auf 3,7 Mrd. Euro angeschwollen sind.Um den kostspieligen und langwierigen Konzernumbau zu finanzieren, führt also gar kein Weg am Verkauf des Tafelsilbers in Form der lukrativen Aufzugssparte vorbei. Das Gebot der Stunde lautet schlicht Wertmaximierung, welcher Weg – Börsengang, Teil- oder Komplettverkauf – dazu auch immer zu beschreiten ist. Klar ist: Thyssenkrupp hat nur noch einen Schuss, und der muss sitzen.Immerhin haben zahlreiche Kaufinteressenten die Hand gehoben, so dass die Vorzeichen für die milliardenschwere Transaktion recht günstig sind. Viel schwieriger dürfte es für den Vorstand allerdings werden, nach dem erfolgreichen Verkauf oder Börsengang die Begehrlichkeiten hinsichtlich einer Sonderausschüttung zu zügeln. Schon für den laufenden Turnus gehen die Aktionäre leer aus, und sollte sich die düstere Prognose für das neue Geschäftsjahr bewahrheiten, sieht es Ende 2020 nicht besser aus. Jetzt rächt sich, dass Thyssenkrupp zu lange schon aus der Substanz lebt.