RECHT UND KAPITALMARKT

Digitalsteuer lässt in Deutschland auf sich warten

Keine Einigung auf EU-Ebene - Warten auf OECD-Vorschlag

Digitalsteuer lässt in Deutschland auf sich warten

Von Stefan Diemer *)Die Besteuerung der Gewinne von Konzernen wie Google, Amazon, Facebook und anderen schnell wachsenden, nutzerbasierten Unternehmen wird als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Diese Konzerne haben sich so strukturiert, dass ihre Leistungen in nahezu jedem Land verfügbar sind, die Gewinne daraus aber nur in Ländern mit niedrigen Steuern anfallen, beispielsweise in Irland. Das geltende internationale Steuerrecht ist für Industrieunternehmen gemacht und knüpft die Besteuerung von Gewinnen grenzüberschreitend tätiger Unternehmen an die physische Präsenz in Staaten durch Büros, Handelseinrichtungen, Fabriken oder Serviceeinrichtungen. Bei Internetunternehmen fehlt es dagegen häufig an dieser physischen Präsenz, so dass sie ihre Leistungen in Deutschland und vielen anderen Ländern anbieten können, ohne dort nennenswerte Steuern auf ihre Gewinne zu bezahlen. Innovative AuslegungDeutsche Finanzämter haben bis vor wenigen Wochen den Versuch unternommen, zumindest die hohen Gewinne aus Online-Werbung zu besteuern. Die Behörden argumentierten, dass nach geltendem deutschen Recht eine Quellensteuer von 15 % auf die Vergütung für Online-Werbung anfalle – dies hätte man zuvor nur nicht entsprechend interpretiert. Der deutsche Kunde müsste diese Quellensteuer von der zum Beispiel an Google bezahlten Vergütung für Online-Werbung einbehalten und an das Finanzamt abführen.Diese innovative Auslegung des geltenden Steuerrechts hatte fatale Folgen. Vor allem Unternehmen in Bayern sahen sich in den letzten Monaten in Betriebsprüfungen hohen Nachforderungen bisher nicht einbehaltener Quellensteuer für mehrere Jahre ausgesetzt. Da sie die Vergütung an Google und andere Dienstleister bereits in voller Höhe gezahlt hatten, drohte aus dieser Steuernachforderung eine nachträgliche Erhöhung der Kosten für Online-Werbung.Versuche der betroffenen deutschen Unternehmen, diese Quellensteuer von Google, Facebook und anderen Anbietern zurückzufordern, wären wahrscheinlich wenig erfolgreich gewesen. Im Ergebnis hätte die beschriebene Praxis nicht die Gewinne der Anbieter belastet, sondern deutsche Steuerzahler in Gestalt der Kunden von Google und Facebook – also gerade die Falschen. Rolle rückwärtsAm 14. März 2019 teilte der bayerische Finanzminister Albert Füracker in einer Pressemeldung mit, dass der neue Ansatz vor allem bayerischer Finanzämter nach entsprechender Abstimmung auf Bund- und Länderebene nicht weiter verfolgt werde.Fast zeitgleich, am 12. März 2019, konnten sich die EU-Mitglieder nicht auf die Digital Service Tax (DST) verständigen. Vorausgegangen waren im Jahr 2018 zwei Richtlinienentwürfe der EU-Kommission. Bereits in der Sitzung am 4. Dezember 2018 wurde der Vorschlag für eine weitreichende DST von EU-Mitgliedern abgelehnt. Auch der in letzter Minute vorgelegte deutsch-französische Kompromissvorschlag für eine nur auf Online-Werbung beschränkte DST fand keine Mehrheit und sollte Anfang 2019 weiter diskutiert werden. Eben jene Beratung ist am 12. März 2019 gescheitert.Wie geht es weiter? Aus Berlin ist zu hören, dass nunmehr auf den für Mitte 2020 geplanten OECD-Vorschlag für eine konsensfähige globale Lösung zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft gewartet werden soll. Im Wesentlichen sollen die Besteuerungsrechte der Staaten, in denen sich die Nutzer digitaler Leistungen befinden (Marktstaaten), gestärkt werden. So nachvollziehbar dieser Ansatz ist, berührt er eine deutsche Kernposition bei der internationalen Gewinnbesteuerung. Deutschland als Exportnation hat international bisher wenig Interesse gezeigt, Bestrebungen zu unterstützen, die eine Stärkung der Besteuerungsrechte von Marktstaaten vorsehen. Man befürchtet dadurch Besteuerungssubstrat in Deutschland zu verlieren.Bisher ist die Besteuerung von Unternehmensgewinnen stark auf die Produktions- beziehungsweise Entwicklungsstandorte ausgerichtet, während der Verbrauch, also der Verkauf in Abnehmerländern, in der Wertschöpfung weniger Gewinnpotenzial hat. Würde man das ändern – in einem ersten Versuch auch nur im Bereich der digitalen Wirtschaft -, wäre die Tür für eine grundlegende Änderung bei der internationalen Verteilung des Besteuerungssubstrats aufgemacht. Zur Erinnerung: Deutschland hat einige Vorschläge aus dem BEPS-Projekt (Base Erosion Profit Shifting) der OECD und G20 Staaten aus den Jahren 2013 bis 2015 nicht umgesetzt, vor allem solche Vorschläge, die zu einer Verlagerung von Besteuerungssubstrat in Abnehmerstaaten der Produkte deutscher Konzerne führen können. Alleingänge zu erwartenAm ehesten ist mit Alleingängen einiger EU-Staaten zu rechnen. Frankreich hat angekündigt, eine DST eventuell sogar mit Rückwirkung auf den 1. Januar 2019 einzuführen, wenn keine Einigung auf EU-Ebene erzielt wird. Auch Spanien erwägt einen solchen Schritt. Aus Österreich ist zu hören, dass dort ab 2020 eine Umsatzsteuer von 3 % auf Online-Werbung geplant wird. In Deutschland ist dagegen in nächster Zeit mit einer Digitalsteuer nicht zu rechnen.—-*) Dr. Stefan Diemer ist Partner von Eversheds Sutherland.