Direktes Listing kann Unterbewertung verhindern
– Herr Plepelits, der Musikstreaming-Dienstleister Spotify hat in New York einen bemerkenswerten Börsengang hingelegt und ist ohne Banken in einer Direktplatzierung an den Markt gegangen. Welche Vorteile rechnet sich das Unternehmen aus? Anders als beim klassischen IPO, bei dem Aktien zu einem einheitlichen, vorab festgelegten Preis platziert werden, handelt es sich bei einem Direct Listing nur um die Handelszulassung von Aktien, um bestehenden Aktionären die Möglichkeit zu geben, ihre Aktien zum jeweils aktuellen Kurs direkt über die Börse zu veräußern. Als Vorteile eines Direct Listing werden eine bessere Preisfindung sowie geringere Kosten genannt. – Inwiefern?Beim klassischen IPO kommt es häufig zum Underpricing: Der vom Emittenten, abgebenden Aktionären und begleitenden Banken festgelegte Emissionspreis liegt dann unter dem Börsenkurs im Sekundärmarkthandel. Durch ein Direct Listing wird dies vermieden, da die Preisfindung unmittelbar im Sekundärmarkt stattfindet. Auch fallen bei einem Direct Listing keine Platzierungsprovisionen an, da keine Platzierung durch Banken erfolgt. Zwar musste auch Spotify Banken mandatieren, um den Regularien der New Yorker Börse zu entsprechen, die Gebühren waren jedoch deutlich geringer als übliche Platzierungsprovisionen. Allerdings übernehmen beim klassischen IPO Banken neben der Platzierung zahlreiche weitere Aufgaben und werden von Investoren als Qualitäts-Gatekeeper gesehen.- Die New Yorker Börse hat erst kürzlich ihre Regularien geändert, um ein Direct Listing zu ermöglichen. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein?Tatsächlich musste die Nyse ihr Regelwerk ändern, um den Spotify-Börsengang zu ermöglichen. Sie hat sich dabei an den Regeln der Nasdaq orientiert. Voraussetzung für ein Direct Listing ist, dass die im Streubesitz befindlichen Aktien durch einen unabhängigen, vom Emittenten beauftragten Gutachter mit zumindest 250 Mill. bewertet werden.- Bekommen die Investoren genügend Informationen im Vergleich zu den üblichen IPO-Usancen?Um den bestehenden Aktionären Abverkäufe zu ermöglichen, musste Spotify die gleichen Prospektanforderungen erfüllen, die für ein klassisches IPO gelten. Der Prospekt muss alle investitionsrelevanten Informationen über den Emittenten enthalten und wurde von der US-Wertpapieraufsicht SEC gebilligt.- Ist es nicht relativ schwierig, einen Referenzpreis zu ermitteln?Die Ermittlung des Referenzpreises ohne vorausgehendes Bookbuilding ist die große Herausforderung eines Direct Listing. Gemäß Nyse-Regularien berät daher ein vom Emittenten beauftragter Finanzberater die Nyse dabei. Dieser evaluiert im Vorfeld das Kauf- und Verkaufsinteresse, unter anderem auf Basis von Gesprächen mit bestehenden Aktionären und möglichen Investoren. Die Schwierigkeit der Ermittlung des Referenzpreises zeigte sich bei Spotify: Der Eröffnungskurs lag 26 % über dem Referenzpreis. Seitdem hat sich der Kurs dem Referenzpreis allerdings angenähert.- Es gibt in dem Fall keine kursstabilisierenden Maßnahmen. Ist die Aktie damit nicht sehr schwankungsanfällig?Mangels begleitender Banken und Mehrzuteilungsoption sind kursstabilisierende Maßnahmen nicht möglich. Spotify hat im Prospekt daher auch vor höherer Volatilität des Aktienkurses unmittelbar nach dem Listing gewarnt. Am Tag des Listings lag der Schlusskurs rund 10 % unter dem Eröffnungskurs, nachdem er zwischenzeitlich 15 % gefallen war. Die Schwankungsbreite ist zwar nicht gering, aber auch nicht außergewöhnlich – und kleiner als von vielen befürchtet.- Für welche Konzerne bietet sich ein Direct Listing an? Ein Direct Listing eignet sich für große, bekannte Unternehmen mit breiter Aktionärsbasis, die Liquidität für ihre bestehenden Aktionäre schaffen möchten. Das Unternehmen sollte bereits mehrere Finanzierungsrunden durchlaufen haben, so dass Investoren mit ihm vertraut sind und belastbare Anhaltspunkte für die Bewertung vorliegen. Da ein Direct Listing gerade nicht der Kapitalaufnahme dient, sollte auch kein unmittelbarer Kapitalbedarf bestehen. Die Zielgruppe für ein Direct Listing sind primär “Einhörner” wie Spotify. Für die meisten Unternehmen, die einen Börsengang erwägen, ist ein klassischer IPO jedoch der bessere Weg.—-Marc O. Plepelits ist Partner im Bereich US Corporate Finance im Frankfurter Büro von Allen & Overy. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.