Lebensmittelhandel

Discounter Penny experimentiert mit "wahren" Lebensmittelkosten

Aktionswoche bei Penny! Doch anders als üblich, versucht der Discounter die Verbraucher nicht mit Billigstpreisen in die Läden zu locken. Vielmehr sollen den Konsumenten die "wahren Kosten" vor Augen geführt werden.

Discounter Penny experimentiert mit "wahren" Lebensmittelkosten

Eine außergewöhnliche Aktionswoche

Discounter Penny schlägt Umweltfolgekosten auf Verkaufspreise auf

Was die Würstchen und der Käse tatsächlich kosten, wenn die Umweltfolgeschäden in den Verkaufspreisen berücksichtigt wären, darauf macht der Discounter Penny in einer ungewöhnlichen Aktionswoche aufmerksam. Sinn der Studie ist es, an Lösungen für mehr Nachhaltigkeit in der Ernährung zu arbeiten.

ab Düsseldorf

Eine Woche lang verlangt der Lebensmitteldiscounter Penny in allen 2.150 Märkten in Deutschland für neun Produkte die „wahren Kosten“. Mit der Aktion will der zur Rewe Group gehörende Discounter die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf die tatsächlichen Kosten für Lebensmittel lenken, die entstehen, wenn die Umweltfolgekosten, die derzeit die Allgemeinheit trägt, in den Preisen berücksichtigt wären.

Ökonomisch gesehen geht es um die Internalisierung der externen Kosten, wie beispielsweise Schadstoffe aus Düngemitteln, die im Grundwasser versickern, oder klimaschädliches Methan, das Rinder bei der Verdauung ausstoßen. Die Studie wird in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald erstellt, die im Anschluss an die Aktionswoche die dazugehörigen Daten erhalten. Zudem begleiten die Hochschulen die Aktion mit Umfragen, die Aufschluss über den Erkenntnisgewinn beim Konsumenten geben sollen.

Die „wahren Kosten“ haben die Forschungseinrichtungen zuvor anhand von Lebensmittelzyklusanalysen ermittelt. In die Untersuchung einbezogen sind Eigenmarken des Discounters, darunter vier konventionelle Produkte, vier Bio-Produkte sowie ein veganes Schnitzel. Die externen Kosten, die über die Lieferkette in den Faktoren Boden, Klima, Wasser und Gesundheit anfallen, werden pro Produkt als Preisaufschlag auf den üblichen Verkaufspreis aufgeschlagen. Das führt zu Kostensteigerungen von bis zu 94%. Die Umweltfolgekosten belaufen sich bei den Bio-Produkten auf durchschnittlich 1,15 Euro und bei den konventionell erzeugten Lebensmitteln auf 1,57 Euro im Schnitt. Der geringste Aufschlag fällt beim veganen Schnitzel mit 5% an.

Keine Schuldzuweisung

Mit der Aktion verfolgt der Discounter gleich mehrere Ziele. Zum einen sollen Problembewusstsein und Transparenz geschaffen werden. Zum anderen erhoffen die Initiatoren, dass sich aus der Studie Handlungsoptionen für die Politik ableiten lassen, mit welchen Maßnahmen Produzenten und Verbraucher in die ökologisch richtige Richtung bewegt werden können. Nach Einschätzung von Tobias Gaugler, Ressourcenökonom an der TH Nürnberg, steht jedoch heute schon fest, dass möglichst früh in die Wertschöpfungskette eingegriffen werden muss, weil „Vermeidungskosten geringer sind als das Beseitigen der Folgeschäden“.

„Wir führen die Aktion nicht wegen Schuldzuweisungen durch, sondern weil wir als Gesellschaft diese Herausforderungen bewältigen müssen“, sagte Stefan Görgens, COO von Penny Deutschland. Umgekehrt dürften Lebensmittel nicht zu Luxusgütern werden. Görgens ist angesichts der hohen Inflation, die bei Lebensmitteln besonders deftig ausfällt, bewusst, dass der Zeitpunkt für die Studie nicht ideal ist. Umgekehrt gelte es keine Zeit zu verlieren. „Wir müssen uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln.“

Politik in der Pflicht

Amelie Michalke, die als Nachhaltigkeitsforscherin seit sieben Jahren an den „wahren Kosten“ forscht, hofft auf einen Diskurs in Gesellschaft und Politik, um die vorhandenen Missstände zu beseitigen. Dabei müsse auch die soziale Debatte geführt werden. „Wir sehen primär die Politik in der Pflicht, denn der Konsument wird es nicht tun“, glaubt Gaugler. Entsprechend rechnet Penny in der Aktionswoche mit erheblichen Umsatzeinbußen im „mindestens einstelligen Millionen-Euro-Bereich“, wie Görgens sagt. Doch selbst wenn im Extremszenario 90% der Kunden die verteuerten Produkte nicht kauften, sollten noch ausreichend Daten gewonnen werden können, glaubt man bei Rewe.

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