Dramatischer Kurssturz

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.9.2015 Die Aktie des Rohstoffhändlers und Minenbetreibers Glencore ist zu Wochenbeginn an der Londoner Börse zeitweilig um rund 31 % auf 66,9 Pence eingebrochen. Das ist der tiefste Stand seit...

Dramatischer Kurssturz

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDie Aktie des Rohstoffhändlers und Minenbetreibers Glencore ist zu Wochenbeginn an der Londoner Börse zeitweilig um rund 31 % auf 66,9 Pence eingebrochen. Das ist der tiefste Stand seit dem Börsengang im Mai 2011; damals lag der Emissionspreis bei 530 Pence. Analysten der südafrikanischen Bank Investec hatten in einer Studie die Frage gestellt, wie viel Glencore noch wert sei, wenn die Rohstoffpreise auf ihrem niedrigen Niveau verharrten.Das Problem sei die hohe Verschuldung des Unternehmens. Zuletzt lag das Verhältnis der Nettoverbindlichkeiten zum Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) bei 2,6 und damit spürbar höher als bei den Wettbewerbern Anglo American (1,8), BHP Billiton (1,1) und Rio Tinto (0,7). Nicht auszudenken, wie hoch die Schulden von Glencore heute erst wären, wenn im Vorjahr die beabsichtigte Übernahme von Rio Tinto gelungen wäre.Aufgrund der Schwäche am Rohstoffmarkt hat Glencore vor kurzem ein Schuldensenkungsprogramm im Umfang von 10 Mrd. Dollar aufgelegt (vgl. BZ vom 8. September). Bis Ende nächsten Jahres sollen die Nettoverbindlichkeiten um gut ein Drittel auf 20 Mrd. Dollar zurückgeführt werden – auch um das Investment-Grade-Rating (“BBB”) zu halten. Dazu wurde eine Kapitalerhöhung von 2,5 Mrd. Dollar durchgeführt und die Jahresenddividende 2015 sowie die Halbjahresausschüttung 2016 gestrichen. Die zunächst positive Reaktion an der Börse – am Tag der Ankündigung legten Glencore um 7 % auf 132 Pence zu – ist in nur drei Wochen durch den neuerlichen Kurseinbruch überkompensiert worden. Anhaltende Rohstoff-BaisseGlencore muss nach Ansicht von Investec weitere Maßnahmen ergreifen, um die Schulden in den Griff zu kriegen. Ohne eine Erholung der wichtigsten Rohstoffe und ohne bedeutende Umstrukturierungen würde sich fast das gesamte Eigenkapital von Glencore verflüchtigen, so die Bank. Wie ein solcher Umbau aussehen könnte, ließ Investec offen. Als Teil des Sparprogramms hatte Glencore Anfang des Monats angekündigt, die Produktion in ihren afrikanischen Kupferminen einschränken zu wollen. Das hatte dem Preis des Industriemetalls vorübergehend etwas Halt gegeben.Die beiden größten Umsatzbringer in der Rohstoffproduktion von Glencore – die überhaupt erst durch die Verschmelzung mit der 34-Prozent-Tochter Xstrata im Frühjahr 2013 unter das Konzerndach kam – sind Kohle und Kupfer. Der Preis für das Weichmetall, das unter anderem für elektrische Leitungen sowie in Bauteilen und elektrischen Maschinen verwendet wird, fiel am Montag auf ein Monatstief und liegt unweit des Achtjahrestiefs, nachdem das staatliche chinesische Statistikamt einen Rückgang der Unternehmensgewinne im Jahresvergleich um 8,8 % – der höchste seit Oktober 2011 – gemeldet hatte, wobei die Produzenten von Kohle, Öl und Metallen den Angaben zufolge noch größere Rückschläge aufwiesen.China ist einer der Hauptabnehmer von Rohstoffen. Wenn im Reich der Mitte die Gewinne der Unternehmen sinken, ist der Anreiz für Investitionen und somit auch der Bedarf an Industrie- und Edelmetallen, fossilen Brennstoffen und Erzen gering, zumal in vielen Branchen Überkapazitäten bestehen und die Konjunkturperspektiven eher schwach sind. Daher fallen die Rohstoffpreise und mit ihnen die Kurse der Bergbauaktien. Zur Jahreswende bei nullDer Kursrutsch – Glencore hatte bereits in der vergangenen Woche 23 % an Wert verloren und seit Jahresbeginn nunmehr 77 % – verdeutlicht, wie hochgradig nervös die Anleger sind. Seit dem IPO war die Kursperformance in jedem Jahr negativ. Doch der Einbruch seit Anfang Mai, als das Glencore-Papier noch rund 310 Pence kostete, und der gestrige Absturz haben eine neue Qualität: Noch wagt es kaum jemand auszusprechen, aber offensichtlich geht sogar die Angst vor einer Pleite des Bergbaukonzerns um.Bei Handelsschluss lag die Glencore-Aktie bei 68,62 Pence; das ist ein Minus von 29,4 %, was einem Verlust an Marktkapitalisierung von umgerechnet 5 Mrd. Euro entspricht. Setzt sich der Abwärtstrend der vergangenen Monate fort, erreicht der Glencore-Kurs spätestens zur Jahreswende die Nulllinie. ——–An der Börse wird selbst eine Pleite des Rohstoffkonzerns Glencore nicht mehr ausgeschlossen.——-