Dresscode für Start-ups: Lederhose und Dirndl

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 27.9.2016 Richard Branson hält sich an den Dresscode: rot-weiß kariertes Hemd, rote Samtweste und Lederhose plus Wadenwärmer. Applaus brandet auf, als der britische Unternehmer, Milliardär und Abenteurer...

Dresscode für Start-ups: Lederhose und Dirndl

Von Joachim Herr, MünchenRichard Branson hält sich an den Dresscode: rot-weiß kariertes Hemd, rote Samtweste und Lederhose plus Wadenwärmer. Applaus brandet auf, als der britische Unternehmer, Milliardär und Abenteurer die Bühne im größten Saal des Münchner Kongresszentrums betritt. Er ist das Zugpferd am zweiten Tag der Start-up-Konferenz, die nicht zufällig während des Oktoberfests stattfindet. Die Wiesn macht München besonders attraktiv. Rund 5 000 Teilnehmer, vor allem junge Unternehmer und Mitarbeiter sowie Investoren, meldeten sich zu der dreitägigen Veranstaltung an.Vor einigen Jahren hätte das Treffen der Gründer vielleicht noch “Laptop und Lederhose” geheißen. Doch das lange in der CSU beliebte Motto für die Wirtschaftskraft des Freistaats, der Moderne mit alpenländischer bis bierseliger Tradition verbindet, ist mittlerweile etwas angestaubt. “Bits & Pretzels” klingt frischer und international. Als Beinkleid ist die Lederhose in München freilich nach wie vor zeitgemäß, ebenso das Dirndl für die Frauen.Branson (66) präsentiert sich im bajuwarischen Outfit eine Stunde lang gut gelaunt, erzählt im Gespräch mit einer Moderatorin die eine oder andere Anekdote und wird nach Tipps für Gründer gefragt. “Ein guter Unternehmer umgibt sich mit Leuten, die besser sind als er”, lautet einer seiner Grundsätze. “Und er gibt ihnen die Freiheit, Fehler zu machen.” Wenn er das richtig anstelle, könne sich der Entrepreneur nach zwei Jahren aus dem Tagesgeschäft verabschieden, neuen Projekten zuwenden und sich mehr um seine Familie kümmern. Der Schlussfolgerung der Moderatorin stimmt Branson zu: “Ja, feuer dich selbst – das klingt gut.”So schnell wollen sich aber wohl die wenigsten seiner Zuhörer aus ihrem Geschäft zurückziehen. Florian Leibert zum Beispiel hat noch einiges vor. Der 33 Jahre alte Schweinfurter ist einer der Gründer des Software-Unternehmens Mesosphere in San Francisco. Die drei Jahre alte Firma mit inzwischen 190 Mitarbeitern hat ein Betriebssystem für die Cloud entwickelt, mit dem sich Rechenzentren wie ein einziger Rechner steuern lassen. 126 Mill. Dollar hat Mesosphere bisher von Wagniskapitalgebern eingesammelt.Die Suche nach Geld hat Leibert nicht nach München gezogen, auch nicht die Vorträge. “Das Kapital reicht nach unserem Plan noch zwei bis drei Jahre.” Entscheidend sei für ihn das Networking: Kontakte zu alten und hoffentlich auch zu neuen Kunden. “Für die Akquise sind solche Kongresse super”, sagt der Jungunternehmer. Im Jahr besuche er ein gutes Dutzend davon.Leibert hält Ausschau nach Kunden in Europa. “Einige Dax-30-Firmen haben wir schon für uns gewonnen.” Die Namen dürfe er nicht preisgeben. In den USA stehen unter anderem der Mobilfunkriese Verizon und Banken auf der Kundenliste von Mesosphere. “Insgesamt sind es 50 bis 100”, berichtet er. Sie zahlen für ergänzende Funktionen und Dienstleistungen. Die Basisvariante der Software ist kostenlos zu haben. Rund 10 000 Unternehmen in der Welt setzten sie mittlerweile ein, sagt Leibert.Auf der “Bits & Pretzels” trat er im vergangenen Jahr selbst mit einem Vortrag auf. Er kennt einen der drei Organisatoren im Alter von Mitte 20 bis 40, die die Idee für die Konferenz hatten und selbst Unternehmen gründeten. Ein rasantes Wachstum gelang ihnen zumindest mit “Bits & Pretzels”: Vor zwei Jahren waren es 1 400 Teilnehmer, nun ist es schon die dreieinhalbfache Zahl.35 Sponsoren unterstützen das Treffen: von Audi, Allianz und Amazon bis zur HypoVereinsbank, IBM, Google und der Stadt München. Der Eintritt für die drei Tage kostet 1 999 Euro. Je kleiner und jünger das Unternehmen, umso höher fällt der Rabatt aus. Die Rednerliste ist weit gefächert. Sie reicht von Wetterfrosch Jörg Kachelmann bis zum Gründer des Online-Schlafplatzvermittlers Airbnb, Nathan Blecharczyk.Investor und AWD-Gründer Carsten Maschmeyer bricht eine Lanze für den Verkauf, der nicht hoch genug einzuschätzen sei. Emotionen, Kommunikation, die Verpackung: Darauf komme es an, um Kunden zu gewinnen. “Buy-ology sollte ein Schulfach sein”, ruft Maschmeyer seinem Publikum zu. Manchem ist das zu simpel. “Das kann man auf so einer Konferenz eigentlich nicht mehr bringen”, meint ein kritischer Zuhörer. Maschmeyer gehöre zu einer anderen Generation. “Trinkt auch mal Wasser!”Besser kamen die Ratschläge des US-Schauspielers Kevin Spacey an, wie Maschmeyer 57 Jahre alt. Er hielt die Eröffnungsrede am Sonntag. Bekannt ist der zweifache Oscar-Preisträger vor allem für seine Rolle als skrupelloser Politiker in der Netflix-Serie “House of Cards”. In seinem richtigen Leben investiert er in Start-ups. Junge Unternehmer sollten mit ihrer Geschäftsidee gute Geschichten erzählen und sich nicht zu sehr mit anderen vergleichen, empfiehlt Spacey. Und fürs Oktoberfest gab er einen ganz lebensnahen Tipp: “Trinkt auch mal Wasser!” An diesem Dienstag endet “Bits & Pretzels” mit Networking auf der Wiesn im Schottenhamel-Zelt. ——–Auf der Münchner Konferenz “Bits & Pretzels” trifft nicht jeder Tipp den Geschmack der Gründer.——-