PUSH-OUT SCORE

Druck auf CEOs fällt zum Herbstanfang scharf ab

Viele freiwillige Wechsel in den USA im September - Zweideutiger Schritt bei Autonation - Unsanfter Abschied bei Tyson Foods - Glatter Abgang bei HCA

Druck auf CEOs fällt zum Herbstanfang scharf ab

Autonation, Tyson Foods und HCA Healthcare gehören zu den US-Unternehmen, die im September einen Führungswechsel angekündigt haben. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass der Druck auf die CEOs nach einem heißen Frühling und Sommer zum Herbstanfang scharf abfällt.Jeder Chefwechsel hat seinen eigenen Charakter. Der Schritt von Autonation-CEO Mike Jackson erscheint zweideutig, der Abschied von Tyson-Foods-CEO Tom Hayes wirkt unsanft, und der Abgang von HCA-Healthcare-CEO Milton Johnson sieht glatt aus.Einen detaillierteren Einblick bietet der Forschungsdienstleister Exechange *, der mehr als 200 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten analysiert hat (siehe Tabelle). Exechange verwendet das Punktesystem Push-out Score mit einer Skala von null bis zehn, um den Druck auf ausscheidende Führungskräfte zu messen und die Wahrscheinlichkeit eines erzwungenen Wechsels zu ermitteln. Push-out Scores über 5 deuten auf starken Druck hin.Der CEO Push-out Index, der den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Austritte in den USA widerspiegelt, sank im September auf 3,5 nach 5,3 im August (siehe Grafik). Erstmals seit elf Monaten erreichte der Index die untere Hälfte der Skala. Im September wurde er von vielen offenbar freiwilligen Wechseln mit niedrigen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Abgänge bei Agios Pharmaceuticals Inc., CDW Corp., Equity Residential, Insulet Corp. und Prudential Financial Inc. In der Zeit von März bis August war der Index von vielen Führungswechseln unter hohem Druck beeinflusst, darunter zahlreiche verhaltensbedingte CEO-Exits.Der durchschnittliche Push-out Score für CEO-Austritte in den zwölf Monaten Oktober 2017 bis September 2018 betrug 5,6. Rund 48 % der Push-out Scores in den vergangenen zwölf Monaten erreichten Werte zwischen 6 und 10, die starken Druck auf den ausscheidenden CEO nahelegen. Fast jeder zweite CEO trat folglich unter Druck zurück. Neun KriterienFür einen Push-out Score von 6 müssen sechs der folgenden neun Kriterien erfüllt sein: auffälliges Alter, kurze Mitteilungsfrist, kurze Amtszeit, schwache Aktienkursentwicklung, undurchsichtiger Grund, kritische Zeit, Nachfolgeprobleme, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Bekanntmachung. Wird der Manager offen hinausgedrängt (z.B. “aus wichtigem Grund abberufen”), so werden volle 10 Punkte vergeben.Mit einem Push-out Score von 5 liegt der CEO-Wechsel bei Autonation im mittleren Bereich der Skala und erscheint zweideutig. Wie am 19. September angekündigt, tritt Michael J. (Mike) Jackson nach 19 Jahren in dieser Funktion von seinem CEO-Posten bei dem Autohändler zurück. Jackson soll 2019 vom Chairman, CEO und President in die Rolle des Executive Chairman wechseln, und Autonation verlängert seinen Vertrag in der neuen Funktion bis 2021. In der Ankündigung aus Fort Lauderdale, Florida, erhält Jackson Auszeichnungen und Lob. Soweit sind keine roten Fahnen zu sehen. 69 Jahre und ohne NachfolgerJackson ist 69 Jahre alt. Es ist allerhöchste Zeit, seine Nachfolge zu planen. Punkt 1 für den Push-out Score. Jackson, der vor seiner Zeit bei Autonation CEO von Mercedes-Benz USA war, hatte laut Bloomberg einst bekundet, dem Unternehmer Roger Penske nacheifern zu wollen, der sein Auto-Imperium noch im Alter von 81 Jahren führt.Der Wechsel folgt auf einen Rückgang des Aktienkurses von Autonation seit Juli 2015. Punkt Nummer 2. Richtig ist auch, dass das Papier während Jacksons Amtszeit als CEO seinen Wert mehr als vervierfacht hat. Doch die langfristige Entwicklung des Aktienkurses unter seiner Führung ist eher für Jackson persönlich wichtig. Anleger achten eher auf die Performance in jüngerer Zeit.Ein Grund für Jacksons Schritt wird nicht ausdrücklich angegeben. Punkt 3. Er tritt zu kritischer Zeit zur Seite. Punkt 4. Sein Ausscheiden als CEO fällt mit einer Abkühlung der Autoverkäufe in den USA zusammen, nachdem sie sich seit der Finanzkrise solide entwickelt haben. Zudem schickt sich der Online-Händler Amazon an, im Geschäft mit Autokunden anzugreifen. Wenig hilfreich für Autonation ist zudem, dass der Elektroautohersteller Tesla Franchise-Händler umgeht und direkt an Verbraucher verkauft. Ein Nachfolger für die CEO-Position ist nicht sofort verfügbar. Punkt Nummer 5. Headhunter muss helfenMichael Larson, Lead Independent Director von Autonation, erklärte, dass der Board nun “seine Suche nach dem nächsten CEO beginnen wird”. Es spricht Bände, dass mit Spencer Stuart sogar ein Headhunter beauftragt werden muss, um intern und extern Talente zu finden.Es wirft bohrende Fragen auf, wenn ein CEO, der zugleich Chairman ist, seinen Rücktritt vom CEO-Posten in fortgeschrittenem Alter ankündigt, nach zuletzt schwacher Aktienkursentwicklung, ohne nachvollziehbare Gründe, in schwierigen Zeiten und ohne Nachfolger. Klebt er an seinem Stuhl?Hat der Board, dem Jackson als Chairman vorsteht, zu lange gewartet? Warum war es nicht möglich, rechtzeitig einen Nachfolger aufzubauen? Klebt der CEO an seinem Stuhl? Muss er ausgewechselt werden, weil ihm zeitgemäße Fähigkeiten fehlen? Dringen die Investoren auf einen Wechsel an der Spitze? Lobt das Unternehmen Jackson von der CEO-Position fort auf den Posten des Executive Chairman?Es sticht ins Auge, dass das Unternehmen in der Mitteilung, die aus 569 Worten besteht (einschließlich der potenziell irreführenden Überschrift “Autonation verlängert Mike Jacksons Vertrag”), 361 Worte nur darauf verwendet, um Jacksons Leistungen zu verherrlichen. Hat er das nötig? Können seine unbestrittenen Erfolge nicht mehr für sich selbst sprechen? Sollen warme Worte und eine gut bezahlte Position als Executive Chairman dazu beitragen, eine bittere Abkehr vom CEO-Posten zu versüßen? Der Push-out Score von 5 deutet jedenfalls darauf hin, dass Jackson unter Druck stehen könnte, seinen CEO-Posten zu verlassen. Acht rote FlaggenMit einem Push-out Score von 8 liegt der CEO-Wechsel bei Tyson Foods Inc. im oberen Bereich der Skala und wirkt unsanft. Wie am 17. September angekündigt, tritt Thomas P. (Tom) Hayes zum 30. September von seinem CEO-Posten bei dem Fleischkonzern zurück. Seine Aufgaben werden von Noel White übernommen, der ehemals als Group President für das Geschäft mit Rindfleisch und Schweinefleisch bei Tyson zuständig war.Eine Vielzahl von Faktoren deutet darauf hin, dass Hayes unter starkem Druck stand, den Posten zu räumen. Er tritt aus “persönlichen Gründen” zurück. Diese werden nicht näher erläutert, was die Tür für Spekulationen öffnet. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Dem “Wall Street Journal” sagte Hayes in einem Interview kurz nach seiner Rücktrittsankündigung, sein Schritt habe nichts mit Fehlern im persönlichen Verhalten zu tun. Er habe auch keine nennenswerten Gesundheitsprobleme und suche auch keinen neuen Job bei einem anderen Unternehmen.Genaue Informationen über seine Zukunftspläne waren nicht sofort verfügbar. Sein Alter von 53 Jahren könnte einen Karrieresprung rechtfertigen, aber nicht einen Abgang mit zunächst unbekanntem Ziel. Punkt 2. Er verlässt seinen Posten kurzfristig (13 Tage nach dem Bekanntmachungsdatum). Das ist Punkt Nummer 3. Hayes` kurze Amtszeit als CEO (ein Jahr und neun Monate) hebt eine weitere rote Flagge. Punkt 4. Die Veränderung folgt auf einen Rückgang des Aktienkurses von Tyson Foods seit Dezember 2017. Punkt 5. Hayes tritt zu einem kritischen Zeitpunkt zur Seite. Punkt 6. Sein Abgang ist Tysons zweiter plötzlicher CEO-Wechsel in nur zwei Jahren. Der Hersteller von Ball-Park-Hotdogs und Jimmy-Dean-Würstchen wurde gerade von einem Preisverfall bei Geflügelfleisch erschüttert, nachdem sich der Konzern in den vergangenen Monaten in diesem Geschäft mit mehreren Akquisitionen gestärkt hatte. Tyson hat zudem erst Ende Juli ihre Gewinnprognose für das Gesamtjahr gesenkt. Kein Wort des BedauernsForm und Sprache der Mitteilung liefern weitere Warnsignale und zwei zusätzliche Punkte. In der Ankündigung aus Springdale, Arkansas, empfängt Tom Hayes zwar Lob, Dank und gute Wünsche. Doch der scheidende CEO erhält keine Anerkennung für konkrete und quantifizierte Erfolge und kein Wort des Bedauerns. Dafür überschüttet John Tyson, der Chairman, den Nachfolger mit Vorschusslorbeer und erklärt, dass der Board “größtes Vertrauen” in Whites Fähigkeit habe, das Geschäft “voranzutreiben”, das globale Wachstum “zu beschleunigen” sowie “langfristigen Wert für die Aktionäre zu schaffen”. “Schwierige Entscheidung”Hayes sagt, es sei eine “sehr schwierige Entscheidung”, Tyson Foods zu verlassen. “Aber nach sorgfältiger Prüfung und Diskussionen mit meiner Familie und dem Board weiß ich, dass es das Richtige ist.” Tyson Foods erklärte unterdessen, dass das Unternehmen beabsichtige, eine Trennungsvereinbarung mit Hayes einzugehen. Fazit: Niedriges Alter, kurze Mitteilungsfrist, kurze Amtszeit, schlechte Aktienkursentwicklung, intransparenter Grund, kritische Zeit, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Ankündigung sind acht rote Fahnen. Hayes` Schritt folgt dem für unsanfte Chefwechsel typischen Muster. Das einzige Kriterium, das keine rote Fahne hebt, ist die intern geregelte Nachfolge.Mit einem Push-out Score von 1 liegt der CEO-Wechsel bei HCA Healthcare Inc. am unteren Ende der Skala und sieht glatt aus. Er folgt dem typischen Muster gut vorbereiteter Chefwechsel. Wie am 10. September angekündigt, wird R. Milton Johnson, 61 Jahre alt, nach fünf Jahren in dieser Funktion zum 31. Dezember als CEO des Krankenhausbetreibers in den Ruhestand gehen. Die Vorlaufzeit beträgt 112 Tage. Perfekt inszeniertJohnsons Aufgaben werden von Samuel N. (Sam) Hazen, 58 Jahre alt, seit 36 Jahren im Unternehmen und derzeit President und Chief Operating Officer, übernommen. Johnson wird bis zur Hauptversammlung am 26. April 2019 als Chairman fungieren. Der CEO-Wechsel wird genauso inszeniert, wie es Investoren wünschen. Die Aktien notieren nahe ihrem Rekordhoch, und die Gewinnentwicklung ist robust. Im zweiten Quartal verbuchte HCA Healthcare einen Reingewinn von 820 Mill. Dollar, und die Ergebnisse übertrafen die Erwartungen der Wall Street.Form und Sprache der Ankündigung aus Nashville, Tennessee, machen den Abgang perfekt. Johnson erhält Lob und Dank. In der Mitteilung hat er selbst es nicht nötig, sich selbst zu preisen. Stattdessen stärkt er seinem Nachfolger den Rücken und erklärt, dass er die Entscheidung für Sam Hazen “nachdrücklich befürwortet” habe und dass Hazens Leistung bereits “wesentlich zu unserem Erfolg beigetragen hat”. Der künftige CEO revanchiert sich bei seinem Vorgänger mit Dank für dessen “starke Führung” und sagt artig: “Ich verspreche, meine Führungsrolle zu nutzen, um weiterhin die bestmögliche Versorgung der Patienten zu gewährleisten und zum Wohle aller Stakeholder auf unseren Erfolgen aufzubauen.”Fazit: Form, Sprache, Alter, Mitteilungsfrist, Amtszeit, Aktienkursentwicklung, Umstände und der Nachfolgeplan sind konsistent, angemessen und frei von roten Fahnen. Der Push-out Score beträgt 1, weil HCA Healthcare den Grund für Johnsons Abgang nicht explizit nennt. Nach den Regeln des Modells ist ein Zeichen allein nicht signifikant und kann ignoriert werden.—-*) Der vorstehende Text ist die deutsche Kurzfassung einer Veröffentlichung des Forschungsdienstleisters Exechange. Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Exechange und Börsen-Zeitung sind voneinander unabhängig.