PUSH-OUT SCORE

Druck auf CEOs stagniert auf hohem Niveau

Die Hälfte aller Chefwechsel wirkt unfreiwillig - Holpriger Abschied bei Calyxt - Zwiespältiger Schritt bei Pepsico - Glanzvoller Abgang bei ITT

Druck auf CEOs stagniert auf hohem Niveau

Calyxt Inc., Pepsico Inc. und ITT Inc. gehören zu den US-Unternehmen, die im August einen Chefwechsel angekündigt haben. Nicht jeder Topmanager geht ganz aus freien Stücken. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass der Druck auf die CEOs derzeit auf hohem Niveau stagniert. Der Abschied von Calyxt-CEO Federico Tripodi scheint holprig, der Schritt von Pepsico-CEO Indra Nooyi erscheint zweischneidig, und der Abgang von ITT-CEO Denise Ramos sieht glanzvoll aus.Einen detaillierteren Einblick bietet der Forschungsdienstleister Exechange*, der mehr als 200 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten analysiert hat (siehe Tabelle). Exechange verwendet das Punktesystem Push-out Score mit einer Skala von null bis zehn, um den Druck auf ausscheidende Führungskräfte zu messen und die Wahrscheinlichkeit eines erzwungenen Wechsels zu ermitteln. Push-out Scores über fünf deuten auf starken Druck hin. Viele erzwungene AbtritteDer CEO Push-out Index, der den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Austritte in den USA widerspiegelt, stagnierte im August bei 5,3 (siehe Grafik). Damit lag er den zehnten Monat in Folge über dem kritischen Wert von 5. Im August wurde der Index von einer überdurchschnittlichen Anzahl von Ereignissen mit hohen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Wechsel bei Sanmina Corp., Tailored Brands Inc., Textainer Group Holdings Ltd., Maiden Holdings Ltd. und Pico Holdings Inc.Der durchschnittliche Push-out Score für CEO-Austritte in der Zwölfmonatsperiode September 2017 bis August 2018 betrug 5,6. Rund 48 % der Push-out Scores erreichten dabei Werte zwischen sechs und zehn, die auf starken Druck auf die ausscheidenden Manager hindeuten. Fast jeder zweite CEO trat unter Druck zurück.Für einen Push-out Score von sechs müssen sechs der folgenden neun Kriterien erfüllt sein: auffälliges Alter, kurze Mitteilungsfrist, kurze Amtszeit, schwache Aktienkursentwicklung, undurchsichtiger Grund, kritische Zeit, Nachfolgeprobleme, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Bekanntmachung. Wird der Manager offen hinausgedrängt (z. B. “aus wichtigem Grund abberufen”), so werden volle zehn Punkte vergeben.Mit einem Push-out Score von neun liegt der CEO-Wechsel bei Calyxt Inc. im oberen Bereich der Skala und scheint holprig. Wie am 22. August angekündigt, verlässt Federico A. Tripodi sein Amt als CEO bei dem auf die Landwirtschaft fokussierten Gentechnikunternehmen, das kürzlich in einen Rechtsstreit mit Bayer Cropscience verwickelt war.Eine Vielzahl von Faktoren deutet darauf hin, dass Tripodi unter starkem Druck stand, die ehemalige Tochtergesellschaft des französischen Biopharmazeutika-Unternehmens Cellectis zu verlassen, die 2017 durch einen Börsengang von ihrer Muttergesellschaft abgespalten wurde. Die Aufgaben von Tripodi werden interimistisch von Yves Ribeill, einem ehemaligen CEO des Biotech-Unternehmens Scynexis Inc., übernommen. Ribeill hat bereits einen Sitz im Board von Calyxt. Wenn ein Boardmitglied als CEO einspringt, gilt das oft als Zeichen, dass kurzfristig kein geeigneter Kandidat für die Nachfolge greifbar ist. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. “Andere Möglichkeiten”Tripodi verlässt das Unternehmen offiziell, “um andere Möglichkeiten zu verfolgen”, und genaue Informationen über seine Zukunftspläne waren nicht sofort verfügbar. Punkt Nummer 2. Er verlässt seinen Posten abrupt (mit sofortiger Wirkung). Punkt Nummer 3. Sein Alter von 41 Jahren würde zu einem Karrieresprung passen, aber nicht zu einem abrupten Abgang mit zunächst unbekanntem Ziel. Punkt Nummer 4.Die kurze Amtszeit von Tripodi als CEO von Calyxt (zwei Jahre und drei Monate) kann als weitere rote Flagge gelten. Punkt Nummer 5. Tripodi tritt zu einem kritischen Zeitpunkt zur Seite. Am 1. August berichtete Calyxt über einen Verlust im zweiten Quartal. Punkt Nummer 6. Der Aktienkurs von Calyxt ist seit Oktober 2017 rückläufig. Punkt Nummer 7.Form und Sprache der Mitteilung liefern weitere Warnsignale und zwei weitere Punkte. In der Ankündigung von Calyxt erhält Tripodi Dank und gute Wünsche, aber kein Lob für konkrete und quantifizierte Erfolge, kein Wort der Wertschätzung und kein Wort des Bedauerns. 23 hohle WorteAndré Choulika, Gründer von Cellectis und Chairman von Calyxt, sagt 23 hohle Worte mit Blick auf Tripodi: “Das Unternehmen spricht Herrn Tripodi für seine Tätigkeit als CEO Dank aus und wünscht ihm das Allerbeste für seine Unternehmungen in der Zukunft.” Als Tripodi zum CEO von Calyxt ernannt wurde, hatte Choulika noch ganz anders geklungen und 76 warme Worte über Tripodi gesagt, ihn als “perfekt passend” für Calyxt gelobt und dessen “Erfolgsgeschichte bei der Entwicklung und Markteinführung von Produkten” gepriesen. OhrfeigeJetzt, da Tripodi weg ist und Calyxt noch an der Markteinführung einer genveränderten Sojasorte arbeitet, zeigt sich der Chairman zuversichtlich, dass Tripodis Nachfolger Ribeill “die richtige Kombination von Fähigkeiten mitbringen wird, die für den Erfolg in dieser für Calyxt entscheidenden Zeit notwendig sind” und verweist auf dessen “umfangreiche bisherige Erfahrung im Gesundheitswesen”. All dies kann man als Ohrfeige für den ausgeschiedenen CEO sehen, der vor seinem Eintritt bei Calyxt als Manager für die Zuckerrohrsparte von Monsanto Co. in Brasilien tätig war. In der Abtrittsmitteilung bleibt Tripodi stumm. Als er vor rund zwei Jahren zum CEO ernannt wurde, hatte er 125 Worte gesagt und Calyxt als “eines der innovativsten und dynamischsten Unternehmen der landwirtschaftlichen Biotech-Industrie” gepriesen.Fazit: Niedriges Alter, kurze Mitteilungsfrist, kurze Amtszeit, schwache Aktienkursentwicklung, intransparenter Grund, kritische Zeit, Nachfolgefragen, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Ankündigung sind neun rote Fahnen. Der Abgang von Tripodi folgt dem für holprige CEO-Wechsel typischen Muster.Mit einem Push-out Score von 5 liegt der Chefwechsel bei Pepsico Inc. in der Mitte der Skala und erscheint zwiespältig. Wie am 6. August angekündigt, tritt Indra K. Nooyi, 62 Jahre alt, nach zwölf Jahren Amtszeit zum 3. Oktober von ihrem Posten als CEO des Snack- und Getränkekonzerns zurück. Nooyi wird weiterhin als Chairman von Pepsico fungieren, “bis zu einem Zeitpunkt Anfang 2019, der von Nooyi und dem Board gemeinsam festgelegt wird”. Ihre Aufgaben als CEO werden von Ramon Laguarta, dem derzeitigen President von Pepsico, übernommen. In der Ankündigung von Pepsico aus Purchase, New York, erhält Nooyi Auszeichnungen, Lob und Dank. Bis zu diesem Punkt sind keine roten Flaggen sichtbar. Coca-Cola ist besserNooyi verlässt ihren CEO-Posten vergleichsweise kurzfristig (58 Tage nach dem Bekanntmachungsdatum). Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Der Aktienkurs von Pepsico stagniert seit Mai 2017. Punkt Nummer 2. Während Nooyis Amtszeit stieg der Kurs des Papiers um rund 80 %. Die Aktie des Konkurrenten Coca-Cola hat ihren Wert in derselben Zeit mehr als verdoppelt. Ian Cook, Presiding Director von Pepsico, verweist in der Mitteilung auf eine Gesamtrendite für die Aktionäre von 162 % seit dem 31. Dezember 2006. Unterdessen zeigt der S&P-500-Konsumgütersektor laut Bloomberg-Daten in dieser Zeit eine Rendite von 188 %.Der angegebene Grund für Nooyis Abtritt ist nicht ganz nachvollziehbar. Punkt Nummer 3. Pepsico erklärt, dass Nooyi den Konzern Anfang 2019 verlassen wird, “um die nächste Phase ihres Lebens zu beschreiten”. Genaue Informationen über die Zukunftspläne von Nooyi waren nicht sofort verfügbar. Versteckte KritikDie Umstände des Führungswechsels sind herausfordernd. Punkt Nummer 4. Der Umsatz von Pepsico im wichtigen Getränkegeschäft in Nordamerika ist zuletzt gefallen. Die Einheit macht rund ein Drittel des Gesamtumsatzes aus. Softdrinkhersteller haben zuletzt Federn gelassen, da sich die Verbraucher zunehmend von zuckerhaltigen Getränken abwenden. Pepsico wehrte vor zwei Jahren eine Kampagne des aktivistischen Aktionärs Nelson Peltz ab, der für eine Trennung des Getränke- und Snackgeschäfts plädiert hatte.Die Sprache in der Mitteilung sorgt für einen weiteren Punkt. In der Ankündigung erhält die scheidende Pepsico-Chefin kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche. Daniel Vasella, Vorsitzender des Nominierungs- und Corporate-Governance-Ausschusses des Boards, sagt mit Blick auf ihren Nachfolger Ramon Laguarta, dass dieser für “die notwendige Agilität bei Pepsico” stehe und dass er die sich wandelnden Bedürfnisse der Verbraucher “genau versteht”. Die Worte von Vasella lassen sich als versteckte Kritik an Nooyi lesen und zeigen möglicherweise an, dass Pepsico jetzt einen CEO mit etwas anderen Fähigkeiten brauchen könnte, um sich effizienter an die veränderten Verbrauchergewohnheiten anzupassen. Typisches MusterMit einem Push-out Score von null liegt der CEO-Wechsel bei ITT Inc. am unteren Ende der Skala und sieht glanzvoll aus. Er entspricht dem typischen Muster gut vorbereiteter Managementwechsel. Wie am 2. August angekündigt, verlässt Denise L. Ramos, 61 Jahre alt, nach rund sieben Jahren Amtszeit mit Wirkung zum 1. Januar 2019 ihren Posten als CEO bei dem Industrieausrüster. Die Vorlaufzeit beträgt 152 Tage. Die Aufgaben von Ramos werden von Luca Savi, 52 Jahre alt und derzeit Chief Operating Officer von ITT, übernommen. Den Wechsel begründet ITT-Chairman Frank MacInnis wie folgt: “Dieser geplante Übergang kommt zu einer Zeit der Stärke für ITT.” Geplanter Übergang? Zeit der Stärke? Beides scheint absolut plausibel. Savi kam 2011 zu dem Komponentenhersteller, und seit der Berufung zum COO ist er ein natürlicher Kandidat für die CEO-Nachfolge.Zudem wird der Chefwechsel exakt so eingefädelt, wie es Investoren gern haben. Der beste Zeitpunkt, um die Zügel zu übergeben, ist bekanntlich, wenn alles glatt läuft. Dies scheint bei ITT der Fall zu sein. Die Aktie notiert nun auf Rekordhoch, und die Gewinne boomen. Am 3. August, dem Tag nach der Ankündigung des CEO-Wechsels, veröffentlichte ITT das Ergebnis des zweiten Quartals. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis je Aktie wuchs um 26 % auf ein Rekordhoch von 82 Cent pro Aktie, womit die Markterwartungen übertroffen wurden. Letzter SchliffForm und Sprache der Ankündigung sorgen für den letzten Schliff. In der Mitteilung aus White Plains, New York, erhält Ramos Auszeichnungen und Lob. Chairman MacInnis sagt: “Während ihrer Amtszeit hat ITT kontinuierlich Wert für die Aktionäre geschaffen, und die Marktkapitalisierung ist auf 4,9 Mrd. Dollar geklettert, was einem Anstieg von mehr als dem 2,5-Fachen entspricht.” In der Mitteilung verzichtet Ramos auf stinkendes Eigenlob. Sie preist stattdessen ihren Nachfolger und lobt dessen “globale Perspektive, seine wachstumsorientierte Denkweise und seine intensive Kundenorientierung”. Fazit: Form, Sprache, Alter, Mitteilungsfrist, Amtszeit, Aktienkursentwicklung, offizielle Begründung, Umstände und Nachfolgeplan sind konsistent, angemessen und frei von roten Fahnen.In den vergangenen zwölf Monaten wurden die höchsten durchschnittlichen Push-out Scores in den USA im Technologiesektor mit 7 und im Gesundheitswesen mit 6,6 ermittelt. Die niedrigsten Push-out Scores wurden im Finanzsektor mit 3,8 und im Industriesektor mit 4,8 kalkuliert. Im Konsumgütersektor lag der durchschnittliche Push-out Score bei 5,8, im Sektor Rohstoffe bei 5,5 und im Dienstleistungssektor bei 5. Diese Ergebnisse wurden aus 240 einzelnen Abgängen von CEOs der im Index Russell 3000 gelisteten Unternehmen errechnet.—-*) Der vorstehende Text ist die deutsche Kurzfassung einer Veröffentlichung des Forschungsdienstleisters Exechange. Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Exechange und Börsen-Zeitung sind voneinander unabhängig.