PUSH-OUT SCORE

Druck auf CEOs steigt im Spätherbst auf Jahreshoch

Flut von erzwungenen Führungswechseln in den USA - Schroffer Abgang bei Coty - Bittersüßer Schritt bei McKesson - Steiniger Abtritt bei Caesars

Druck auf CEOs steigt im Spätherbst auf Jahreshoch

Coty, McKesson und Caesars Entertainment gehören zu den US-Unternehmen, die im November einen Chefwechsel angekündigt haben. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass der Druck auf CEOs im letzten Herbstmonat sein bisheriges Jahreshoch erreicht.Der Abgang von Coty-CEO Camillo Pane scheint schroff, der Schritt von McKesson-CEO John Hammergren wirkt bittersüß, und der Abgang von Caesars-CEO Mark Frissora mutet steinig an. Einen detaillierteren Einblick bietet der Forschungsdienstleister Exechange*, der mehr als 200 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten analysiert hat (siehe Tabelle).Exechange verwendet das Punktesystem Push-out Score mit einer Skala von 0 bis 10, um die Wahrscheinlichkeit eines erzwungenen Wechsels zu ermitteln. Push-out Scores über 5 deuten auf starken Druck hin und gehen einher mit erhöhter Aktienkursvolatilität, wie Forscher der Universität Stanford gezeigt haben (siehe: ssrn.com/abstract=2975805).Für einen Push-out Score von 6 müssen sechs der folgenden neun Kriterien erfüllt sein: auffälliges Alter, kurze Mitteilungsfrist, kurze Amtszeit, schwache Aktienkursentwicklung, undurchsichtiger Grund, kritische Zeit, Nachfolgeprobleme, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Bekanntmachung. Wird der Manager offen hinausgedrängt, so werden volle 10 Punkte vergeben.Der CEO Push-out Index, der den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Austritte in den USA widerspiegelt, stieg im November auf 7 von 5,8 im Oktober (siehe Grafik). Der Index erreichte damit den höchsten Stand seit zwölf Monaten. Im November wurde der Index von vielen offensichtlich erzwungenen Rücktritten und Chefwechseln mit hohen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Abgänge bei CDK Global Inc., Coty Inc., Caesars Entertainment Corp., Sprouts Farmers Market Inc. und Compass Minerals International Inc.Im Oktober war der Index ebenfalls von einer Flut holpriger Managementwechsel geprägt. Der durchschnittliche Push-out Score für CEO-Austritte in den zwölf Monaten von Dezember 2017 bis November 2018 betrug 5,8. Rund 51 % der Push-out Scores von CEO-Wechseln in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten erreichten Werte zwischen 6 und 10. Jeder zweite CEO trat somit unter Druck zurück. “Familiäre Gründe”Mit einem Push-out Score von 9 liegt der Abtritt des CEO bei Coty Inc. im oberen Bereich der Skala und wirkt schroff. Wie am 12. November angekündigt, verlässt Camillo Pane sein Amt als Chef des Kosmetikunternehmens. Offiziell trat er “aus familiären Gründen” zurück.Damit können schon alle Alarmglocken läuten, denn “familiäre Gründe” werden oft als Code für eine Entlassung angesehen. Andererseits gibt es tatsächlich Fälle, in denen “familiäre Gründe” kein Vorwand oder nur ein untergeordneter Grund für einen Führungswechsel sind, sondern der entscheidende Grund. Daher ist es notwendig, den Fall Punkt für Punkt und vorurteilsfrei zu prüfen, zumal Unternehmen die Anleger nicht irreführen dürfen. Bemerkenswerte KoinzidenzDa es keine detailliertere Erklärung gibt, ist die offizielle Begründung als intransparent einzustufen. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Es ist eine bemerkenswerte Koinzidenz, dass der Schritt von Pane zu einem kritischen Zeitpunkt für Coty kommt. Punkt Nummer 2. Fünf Tage zuvor hatte Coty die Investoren verschreckt und erklärt, dass das Unternehmen mit Problemen in der Lieferkette kämpft. Coty hat Schwierigkeiten, ihre 12 Mrd. Dollar schwere Übernahme von Produkten von Procter & Gamble Co. aus dem Jahr 2016 zu verdauen. Würde Pane das Unternehmen allein aus familiären Gründen verlassen, so wäre zu erwarten, dass der Board nun nach einem Nachfolger suchen muss.Aber das ist nicht der Fall. Panes Aufgaben werden von Pierre Laubies übernommen, zuletzt CEO des Kaffeeunternehmens Jacobs Douwe Egberts (JDE). Die Tatsache, dass sein Nachfolger von außen kommt, deutet darauf hin, dass der Board versucht, für frisches Blut an der Spitze zu sorgen. Es ist wohl kein Zufall, dass Coty gleichzeitig ankündigt, dass der Board “einen Erneuerungsprozess einleitet, um dem Unternehmen neue Perspektiven zu eröffnen” und dass Peter Harf mit sofortiger Wirkung die Position des Chairman von Bart Becht übernimmt. Punkt Nummer 3. Gute Wünsche fehlenPane verlässt seinen Posten mit sofortiger Wirkung. Punkt Nummer 4. Form und Sprache der Mitteilung sorgen für die Punkte 5 und 6. Es fällt auf, dass Coty hervorhebt, dass Laubies bei JDE “das ehemalige Mondelez-Kaffeegeschäft erfolgreich integriert und die damit verbundenen Synergien voll ausgeschöpft hat”. Zufälligerweise kann Coty solche Fähigkeiten gerade jetzt gut gebrauchen. In der Ankündigung von Coty aus New York erhält Pane Lob und Dank, aber keine Auszeichnungen für konkrete und quantifizierte Erfolge, kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche. Verdacht tritt klar hervorAußerdem bekommt er keine Gelegenheit, sich in der Mitteilung zu erklären. So tritt der Verdacht, dass es mehr als nur familiäre Gründe geben könnte, immer klarer hervor. Sein niedriges Alter (48 Jahre), seine kurze Amtszeit als CEO (zwei Jahre und ein Monat) und die Tatsache, dass sein Wechsel auf einen Rückgang des Coty-Aktienkurses von 70 % seit August 2016 folgt, sorgen für die Punkte 7, 8 und 9.Fazit: Intransparenter Grund, kritische Zeit, Nachfolgefragen, kurze Mitteilungsfrist, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Ankündigung, niedriges Alter, kurze Amtszeit und schlechte Kursentwicklung sind neun rote Flaggen. Es scheint offensichtlich, dass Pane unter starkem Druck geht und dass “familiäre Gründe” zumindest nicht der einzige Grund für seinen Wechsel sind. Anscheinend ist die offizielle Begründung nur ein Vorwand, aber das kann nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.Mit einem Push-out Score von 4 liegt der Abtritt des CEO bei McKesson Corp. im unteren Bereich der Skala und wirkt bittersüß. Wie am 1. November angekündigt, hat John H. Hammergren beschlossen, sich mit Wirkung zum 31. März 2019 von seinen Funktionen als CEO und Chairman bei dem Gesundheitsunternehmen zurückzuziehen.Hammergrens Alter von 59 Jahren, die Vorlaufzeit von 150 Tagen, seine Amtszeit von 18 Jahren und der Nachfolgeplan sind unauffällig und frei von roten Fahnen. Die Aufgaben von Hammergren werden von Brian S. Tyler, 51 Jahre alt und derzeit President und Chief Operating Officer von McKesson, übernommen. Hammergren sagt: “Dies ist der richtige Zeitpunkt, um die Führung an die nächste Generation zu übergeben, und niemand ist besser gerüstet als Brian, um McKesson in die Zukunft zu führen.” Viel Raum für SpekulationenDie Erklärung lässt Raum für Spekulationen. Es bleibt unklar, was genau seinen Schritt nun ausgelöst hat. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Sein Abgang folgt einem Rückgang des Aktienkurses von McKesson um mehr als 40 % seit Mai 2015. Punkt Nummer 2. Hammergren tritt zu einem kritischen Zeitpunkt zur Seite. Punkt Nummer 3. Hammergren ist bei den Aktionären wegen seiner hohen Vergütung sowie wegen der Rolle des Unternehmens bei der Anwendung verschreibungspflichtiger Opioid-Schmerzmittel in die Kritik geraten. McKesson hat mit mehr als 1 000 Zivilklagen in den USA zu kämpfen, die sich auf den Vertrieb von kontrollierten Substanzen beziehen.Die Sprache der Mitteilung sorgt für einen zusätzlichen Punkt. In der Ankündigung aus San Francisco, Kalifornien, erhält Hammergren Auszeichnungen, Lob und Dank, aber kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche.Einerseits lobt das Unternehmen Hammergren dafür, dass der Umsatz von McKesson seit seiner Ernennung zum CEO im Jahr 2001 vervierfacht und eine Aktienrendite von mehr als 400 % erzielt wurde. Andererseits erklärt Edward Mueller, derzeit Lead Independent Director, dass Hammergrens Nachfolger “eine starke Haltung zur Zukunft der Branche hat (…), sowie dazu, wie McKesson weiterhin eine integrale Rolle bei der Verbesserung der Gesundheitsversorgung spielen und gleichzeitig den Wert für die Aktionäre von McKesson steigern wird”. Andere Fähigkeiten gefragt?All dies lässt vermuten, dass McKesson von einem CEO mit leicht anderen Fähigkeiten profitieren könnte. Der Push-out Score von 4 deutet darauf hin, dass der amtierende CEO nach subtiler Ermutigung beschlossen haben könnte, seinen Posten zu verlassen. Hammergren wird McKesson auch nach seiner Pensionierung beratend unterstützen. EntthrontMit einem Push-out Score von 10 liegt der CEO-Abgang bei Caesars Entertainment Corp. an der Spitze der Skala und wirkt steinig. Wie am 1. November angekündigt, scheidet Mark P. Frissora mit Wirkung zum 8. Februar 2019 als CEO bei dem Kasinobetreiber aus. Mit 62 Jahren ist Frissora im üblichen Rentenalter. Die Vorlaufzeit beträgt komfortable 99 Tage. Seine Amtszeit von drei Jahren und sieben Monaten ist noch angemessen, und in der Ankündigung aus Las Vegas, Nevada, erhält er Auszeichnungen, Lob und Dank. Dennoch besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass er unter Druck stand, zu gehen. Frissora wurde von Caesars entthront. Zu den sofort sichtbaren roten Fahnen gehören die zuletzt schlechte Kursentwicklung, die Tatsache, dass ein Grund für seinen Austritt nicht explizit angegeben wird und der Fakt, dass ein Nachfolger noch gefunden werden muss.Außerdem tritt Frissora zu kritischer Zeit zur Seite. Am 1. November erklärte Caesars auch, dass das Unternehmen kürzlich ein Fusionsangebot des Konkurrenten Golden Nugget abgelehnt hat. Caesars steht unter dem Druck von aktivistischen Investoren. Das Unternehmen wurde im vergangenen Jahr nach einem Restrukturierungsprozess, der kurz vor dem Amtsantritt von Frissora als CEO begann, aus der Insolvenz entlassen. Kein InterpretationsspielraumDie Mitteilung vom CEO-Wechsel fällt zusammen mit dem Bericht für das dritte Quartal. Die Gewinnschätzungen wurden übertroffen, aber die Umsatzerwartungen verfehlt. Als Caesars das Insolvenzverfahren hinter sich ließ, notierte die Aktie bei 12,80 Dollar. Am Tag der CEO-Rücktrittsankündigung lag sie mit 8,85 Dollar deutlich darunter.Geht Frissora freiwillig oder ist er gezwungen zu gehen? Fakten erzählen ihre eigene Geschichte. Die Bedingungen seines Abgangs sprechen eine klare Sprache. Am 1. November schlossen Frissora und Caesars eine Trennungsvereinbarung, der zufolge sein Abtritt als Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch das Unternehmen behandelt wird. Die Indizien lassen damit keinen Interpretationsspielraum und deuten eindeutig darauf hin, dass sein Weggang erzwungen wurde, und der Push-out Score liegt somit bei 10. Ein Drittel ohne BegründungIn den vergangenen zwölf Monaten haben rund 33,3 % der CEOs in den USA ihr Amt ohne Angabe von Gründen abgegeben. Etwa 7,6 % gingen “um andere Möglichkeiten zu verfolgen” und rund 2 % “um Zeit mit ihrer Familie zu verbringen” – Aussagen, die manchmal als Codes für Entlassungen angesehen werden. Rund 2,4 % schieden aus “persönlichen Gründen” aus dem Amt, und rund 4,8 % wurden mit einem konkreten Hinweis auf Fehlverhalten verdrängt.—-*) Der vorstehende Text ist die deutsche Kurzfassung einer Veröffentlichung des Forschungsdienstleisters Exechange. Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Exechange und Börsen-Zeitung sind voneinander unabhängig.