IM GESPRÄCH: SANDRO PARISOTTO, SCARPA

Durch Übernahme Palette erweitern

Börsengang des Bergschuhspezialisten aus Italien nicht ausgeschlossen

Durch Übernahme Palette erweitern

Von Gerhard Bläske, MailandDer italienische Bergschuhhersteller Scarpa will seine Produktpalette durch Übernahmen diversifizieren und kann sich mittelfristig einen Börsengang vorstellen. Das sagte Sandro Parisotto, Verwaltungsratspräsident und zusammen mit Davide und Christina Parisotto Alleineigentümer des Unternehmens, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Derzeit ist ein Börsengang aber nicht aktuell”, fügte Parisotto, der bis vor kurzem auch CEO war, hinzu.Die Familie will das 1938 von Lord Rupert Edward Cecil Guinness, einem Abkömmling der irischen Brauerfamilie, in Asolo, Venetien, gegründete Unternehmen fit für die Zukunft machen. Mit dem früheren Geox-Manager Diego Bolzonello, der neuer CEO ist, wurde erstmals ein familienfremder Manager ins Haus geholt. Der Umsatz, der 2019 um 3 bis 5 % wachsen soll (2018: 103 Mill. Euro), soll innerhalb von fünf Jahren auf 150 Mill. Euro steigen.Scarpa ist das italienische Wort für Schuh, ist aber ein Akronym. Genau heißt das 1956 von der Familie Parisotto, die schon vorher Bergschuhe produzierte, übernommene Unternehmen “Società Calzaturieri Asolani Riuniti Pedemontana Anonima”.Parisotto sieht noch großes Wachstumspotenzial im Freizeitmarkt. Doch der allergrößte Teil der Erlöse kommt aus den Bereichen Trekking-, Ski-, Berg- und Kletterschuhe sowie von Spezialschuhen, die professionelle Bergsteiger etwa auf Himalaya-Expeditionen tragen. Aber auch das “Urban-Outdoor-Geschäft”, so nennt Parisotto es, wächst rapide. “Für uns wird der funktionelle Nutzen immer im Vordergrund stehen”, betont der Präsident. “Wir sind kein Modeunternehmen.” Es brauche aber auch für die Stadt bequeme, funktionale und trotzdem optisch ansprechende Schuhe. Er selbst trägt an diesem trüben Regentag in Mailand natürlich sein Erfolgsmodell Mojito.Als Konkurrenten sieht Parisotto nicht Adidas, Nike, Geox oder Diadora. Er schaut eher auf Marken, die einen ähnlichen Hintergrund haben, wie Salomon oder Lowa. 5 % des Umsatzes flössen in Forschung und Entwicklung: neue Materialien, die funktionaler und leichter sein sollen, Produkte, die umweltverträglicher und haltbarer sind, recycelbare Materialien. “Wir müssen gerade für Hochleistungssportler die besten Produkte anbieten. Es ist eine tolle Nachricht für uns, dass das Klettern eine olympische Sportart wird. Das bringt uns einen Schub”, glaubt er. Parisotto verweist darauf, dass überall Kletterhallen entstehen. Scarpa hat etliche Stars der Szene als Testimonials verpflichtet.In der Region, in der Scarpa ihren Sitz hat, konzentriert sich die Fertigung von Berg- und Sportschuhen. Rund um Montebelluna sitzen etwa die börsennotierte Geox, Diadora und der Sportschuhproduzent Lotto. Wie Scarpa, die etwa 60 % der Schuhe hier fertigt, stellen auch andere hier her. Sie nutzen das Know-how der vielen hoch spezialisierten Kleinunternehmen, die oft im Auftrag größerer Unternehmen arbeiten. “Scarpa produziert ausschließlich in eigenen Werken”, sagt Parisotto. “Das gilt für Italien, aber auch für unsere Fabriken in Rumänien, Serbien und China”, fügt er hinzu. 340 Mitarbeiter werden in Asolo beschäftigt, jeweils etwa 300 in den drei anderen Werken. Insgesamt sind es knapp 1 300.Der Exportanteil liegt bei 85 %. Wichtigste Märkte sind Deutschland, Großbritannien und die USA. Asien soll nun stärker ins Visier rücken, China vor allem, Japan, aber Parisotto denkt auch an Indien. Auch den Vertrieb will das Unternehmen kontrollieren und hat die Distributionsgesellschaften in Deutschland, den USA und China übernommen. Zwei Vettern, die ausgestiegen sind, wurden kürzlich ausbezahlt.Nach Aussagen des Präsidenten hat Scarpa bisher “keine Probleme gehabt, Kredite zu guten Konditionen” zu erhalten. Der Großteil der Projekte wird aus dem Eigenkapital finanziert. “Nur für besondere Investitionen nehmen wir Kredite auf.”Im Fall einer Übernahme könnte sich das ändern. Scarpa selbst wolle nur Schuhe herstellen. “Der Markt ist groß genug”, findet Parisotto. “Bei einer Übernahme muss eine Verbindung zu unserem Sektor bestehen, unsere Produktpalette muss aber erweitert werden.” Denkbar wäre ein Produzent von Rucksäcken oder Jacken. Einen Börsengang schließt Parisotto ausdrücklich nicht aus. NachwuchsproblemeBei der Qualität will er keine Kompromisse machen. Der Online-Kanal wird ausgebaut, weil er den Kunden einen guten Überblick über die gesamte Modellpalette verschaffe. “Unsere stark funktionalen Produkte brauchen viel Beratung”, fügt der Präsident hinzu. Sorgen bereitet ihm die Nachwuchsfrage. Bei Scarpa gebe es viel Handarbeit. Jedes maschinell produzierte Paar Schuhe werde zum Schluss von Hand verfeinert und abgenommen. “Es fehlen spezialisierte Fachkräfte”, meint Parisotto. Und das trotz der hohen Arbeitslosigkeit in Italien. “Wenn einer wirklich arbeiten will, findet er hier einen Job. Wir sind völlig offen, auch was die Herkunft interessierter junger Leute angeht.”