Durchbruch für Campus-Netze

Nachfrage der Industrie, Regulierung und neue Wettbewerber setzen Telekombranche unter Druck

Durchbruch für Campus-Netze

Die vor der 5G-Auktion lautstark vorgetragene Forderung der Industrie nach lokalem Spektrum hat auch den Grund, das die Unternehmen mit dem Angebot der Telekomfirmen hierzulande unzufrieden sind. Anderswo in den USA und Europa ist der Zugriff auf Spektrum für private Netze bereits geregelt.Von Heidi Rohde, FrankfurtIn der hitzigen Debatte über die Vergaberichtlinien für die 5G-Frequenzen, deren Versteigerung seit dem 19. März läuft, war das sogenannte lokale Spektrum ein besonderer Zankapfel. Die Reservierung von rund einem Viertel des verfügbaren Spektrums zur lokalen Vergabe gegen eine Gebühr – im Gegensatz zum Auktionsprozess für die Bänder, die für das bundesweite öffentliche Netz vorgesehen sind, war einer der Gründe, der die etablierten Telekomnetzbetreiber zur Klage gegen das Auktionsdesign bewogen hat.Michael Opitz und Bela Virag, beide Partner und Branchenexperten bei Arthur D. Little (ADL) weisen indes darauf hin, dass es in der deutschen Wirtschaft “eine hohe und wohlbegründete Nachfrage” nach lokalem Spektrum gibt, weil die Unternehmen den Aufbau von Campus-Netzen vielfach selbst in die Hand nehmen wollen. “Die Telekomunternehmen haben es bisher versäumt, der Industrie passende Angebote zu machen”, so die Experten. Vor allem fehle es an “für industrielle Anwendungen taugliche Lösungen”, die für eine Vielzahl von Anwendungsfällen gebraucht werden könnten, ob “Flugplatz, Hafengelände oder Industrieunternehmen”, erklärt Virag.Während in der Dax-Liga durch die Bank von Automobilherstellern wie Daimler, VW oder BMW über Technologiekonzerne wie Siemens oder den Chemieriesen BASF ebenso wie vom Flugzeugbauer Airbus zu hören ist, dass man dort Bau und Betrieb von Campus-Netzen komplett selbst in die Hand nehmen oder einen anderen Dienstleister beschäftigen will, bieten sich nach Überzeugung von ADL bei kleineren und größeren mittelständischen Betrieben noch gute Chancen für die Telekomnetzbetreiber – “wenn sie schnellstmöglich passende Lösungen für verschiedene Use Cases (Anwendungen) entwickeln”, so Opitz. Immerhin lockt hier ein lukrativer Markt, der global betrachtet bis 2025 ein Volumen von 60 bis 70 Mrd. Euro erreichen dürfte. VerhinderungstaktikStattdessen hat es den Anschein, dass die Telekombranche hierzulande ihre Energien darauf konzentriert, die Vergabe lokalen Spektrums doch noch zu verhindern. Die Chancen dafür stehen vermutlich nicht zum Besten, denn die Bundesnetzagentur hat klar definiert, dass dieses Spektrum nur für private Netze und nicht für Dienste für Dritte verwendet werden darf. Es dient somit keiner direkten Konkurrenz zu den in der Auktion vergebenen Ressourcen. Überdies würde die deutsche Wirtschaft international benachteiligt, “denn in anderen Ländern wie zum Beispiel den USA, haben die Unternehmen bereits Zugriff auf lokales Spektrum für private Netze und erzielen so in ihrer Produktion Kostenvorteile, die ohne eine solchen Netztechnik nicht einzuholen sind.” betont Virag. Werksgelände oder (angeschlossene) Gewerbegebiete sind gegenwärtig der physische Ort, an dem die Digitalisierung der Wirtschaft stattfindet. Benötigt werden Netze, Computer- und Speicherkapazitäten.Campus-Netze sind ein globaler Wachstumsmarkt. Auch die Telekomausrüster haben diese Chance erkannt, auch wenn sie nicht offen ausgesprochen als Wettbewerber ihrer Kunden (Telekomfirmen) auftreten wollen. Dennoch rechnet sich beispielsweise Nokia jenseits dieser Kundenbasis größere Chancen aus. Der Markt für private LTE- und später 5G-Netze sei gemessen am Absatz von Sendestationen doppelt so groß wie der für öffentliche Netze, schätzen die Finnen. Dieser Markt ist indes nicht nur eine Chance für die Telekomausrüster, sondern auch für neue Wettbewerber. “Vor allem zahlreiche Systemintegratoren dürften hier ihre Chance sehen”, so Opitz und Virag. Nokia, Druid, Athonet, Mavenir, Parallel Wireless, Ruckus Wireless, StarSolutions, Lemko, JRC, Casa oder Challenge Networks, die alle vergleichsweise kostengünstige Lösungen anbieten. “Und mancher neue Wettbewerber wird erst noch auf den Plan treten.”Einen Fuß in der Tür haben auch hier bereits die US-Technologieriesen. Amazon Web Services (AWS) oder Microsoft Azure sind in der deutschen Automobilindustrie schon dick im Cloud-Geschäft. Ruckus Wireless, ein 2004 gegründeter spezialisierter Telekomausrüster aus Kalifornien, kooperiert mit Athonet – einem Anbieter von Standard-Mobilfunkequipment – und AWS. Zusammen bieten die Unternehmen eine fertige Lösung für lokale Netze, quasi aus der Schublade.Ein wichtiger Faktor für das Anbieterumfeld wird auch die detaillierte Regulierung der Spektrumsnutzung sein. Dürfen zum Beispiel Lizenznehmer nicht selbst gebrauchte Ressourcen an Dritte weiterreichen, gegen Gebühr? Falls eine solche Unterlizenzierung zulässig wäre – wie etwa in Österreich – könnten Ausrüster, Dienstleister oder Systemintegratoren dieses mieten und damit Angebote machen. Dafür müssen die Telekomfirmen rechtzeitig beginnen, am Aufbau eines Ökosystems zu arbeiten. Bei den vorausgegangenen Mobilfunkstandards 3G (UMTS), 4G (LTE) haben sie das regelmäßig versäumt.