Dürftige Bilanzkosmetik

Von Heidi Rohde, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.2.2013 Not macht erfinderisch. An dieses Sprichwort haben sich jüngst vor allem die hoch verschuldeten Telekom-Konzerne in Europa erinnert. Telecom Italia, die Ende 2012 auf einem Nettoschuldenberg von...

Dürftige Bilanzkosmetik

Von Heidi Rohde, FrankfurtNot macht erfinderisch. An dieses Sprichwort haben sich jüngst vor allem die hoch verschuldeten Telekom-Konzerne in Europa erinnert. Telecom Italia, die Ende 2012 auf einem Nettoschuldenberg von rund 28 Mrd. Euro saß und damit ihre Entschuldungsziele verfehlt hat, will ihren Aktionären dennoch die andernorts verordnete Nulldiät ersparen. Im Gegensatz zu Telefónica, Telekom Austria und KPN, die die Ausschüttung praktisch gestrichen haben, sollen die Anteilseigner von Telecom Italia immerhin für die Jahre 2013 bis 2015 noch die Hälfte der bisherigen Summe von 900 Mill. Euro erhalten.Im Gegenzug will Telecom Italia die Bilanz durch die Emission von Hybridbonds im Volumen von 3 Mrd. Euro entlasten. Sie folgt damit als zweites Unternehmen der Branche dem Beispiel von Telekom Austria, die jüngst einen Hybridbond über 600 Mill. Euro aufgelegt hat. Mit diesem Finanzierungsinstrument, dessen Mittel von den Ratingagenturen aufgrund seiner speziellen Konstruktion – sehr lang laufend und streng nachrangig – in der Regel zu 50 % dem Eigenkapital zugerechnet werden, hoffte Telecom Italia ihre Verschuldung zu drücken und die Ratingagenturen zu besänftigen.Diese Hoffnung hat indes getrogen. Moody’s senkte ihre Bewertung umgehend erneut auf “Baa 3” mit negativem Ausblick, sodass die Italiener nun direkt in die Abgründe der Ramschliga blicken. Die Ratingagentur ließ ganz offen wissen, dass sie die bilanziellen Maßnahmen, namentlich durch die Hybridbonds für nicht ausreichend erachte, um das Rating zu halten.Das kann kaum überraschen, denn Hybridbonds stellen bei beiden betroffenen Unternehmen eine reichlich dürftige Form der Bilanzkosmetik dar. Sie sind höher verzinst als andere Anleihen und nagen am Free Cash-flow. Glaubwürdiger als derlei Bilanzkosmetik sind allemal die klassischen Wege der Mittelbeschaffung: Verkauf von Aktivitäten, wie dies Telefónica vormacht, oder wenn dies fehlschlägt, so wie bei KPN, eine reine Kapitalerhöhung. Allerdings haben sich auch die Holländer die Tür zum Hybridsegment offen gelassen.Ein Absturz des Ratings auf Ramschniveau ist für die Telekomriesen existenzgefährdend. Ratinganalysten halten es für ausgeschlossen, dass es gelingen könnte, Nettoschulden von 50 Mrd. Euro wie bei Telefónica oder auch nur 28 Mrd. Euro wie bei Telecom Italia auf dieser Basis zu refinanzieren. Dafür fehle die Investorenbasis, die im Ramschsegment deutlich geringer sei als im Investment-Grade-Bereich.Letztlich werden die Telekom-Konzerne nicht aus der Defensive kommen, indem sie an der Unternehmensfinanzierung feilen. Die gesamte Branche befindet sich, wie Moody’s anmerkt, in einer Abwärtsspirale von betrieblichen Sparprogrammen über Dividendenkürzungen und Asset-Verkäufen bis schließlich zu Kapitalmaßnahmen. Auch die, die bisher noch quasi am Anfang stehen und “nur” operativ sparen, können sich schnell eine Etage tiefer in der Spirale wiederfinden. Denn alle leiden unter Umsatz- und Ertragsdruck, der nicht nur konjunkturell, sondern vielfach strukturell bedingt ist. Die Kompensation des Erlösverfalls bei klassischen Produkten wie Telefonie durch neue Geschäftsfelder geht nur zäh voran – bei vielen zu zäh.—–Der hoch verschuldeten Telecom Italia droht ein Absturz auf Ramschniveau.—–