Dynamik fehlt
Die Kursreaktion auf Henkels Zwischenbericht führt in die Irre: Nicht Euphorie über die vorgelegten Zahlen, sondern wohl eher Erleichterung sorgte dafür, dass der Persil-Hersteller sich am Donnerstag vorübergehend mit einem Plus von über 3 % an die Dax-Spitze setzte. Die Notierung des größten deutschen Konsumgüter- und weltgrößten Klebstoffproduzenten war in den vergangenen Wochen deutlich unter 100 Euro gefallen, schlechte Nachrichten waren also schon eingepreist. Ganz so schwach, wie einige Anleger offenbar befürchtet hatten, fielen die Henkel-Daten dann aber doch nicht aus. Der Vorstand bestätigte die – allerdings bereits gekürzten – Jahresziele, und die operative Rendite stieg weiter. Die Investoren griffen wieder zu.Allerdings verliert Henkel an Dynamik. Im Vergleich zum großen Wettbewerber Procter & Gamble fällt das besonders auf. Denn der Branchenprimus in der Konsumgüterindustrie hatte kürzlich das stärkste organische Quartalswachstum seit fünf Jahren gemeldet; Henkel dagegen büßte im Vergleich zum Vorquartal an Schwung ein. Die beunruhigendste Nachricht des Tages war das abflauende Wachstum der größten Sparte Klebstoffe. Seit mehreren Quartalen ist das vor allem industriell geprägte Geschäft das Zugpferd im Konzern. Es wächst organisch am stärksten und fährt mit mittlerweile mehr als 19 % die höchste operative Rendite ein. Ein globaler Konjunkturknick könnte jedoch empfindlich treffen.Ein Fragezeichen scheint Henkel mittlerweile auch hinter die Mittelfristplanung zu setzen. Konzernchef Hans van Bylen konnte sich gestern in einer Telefonkonferenz nicht dazu durchringen, die Ziele für 2020 zu bestätigen, sondern wich der Frage aus.Die wachsende Unsicherheit in einem – wie der Vorstand selbst sagt – sehr herausfordernden Umfeld betrifft auch das Geschäft in Nordamerika. Für Henkel sind die negativen Folgen der Logistikprobleme Anfang des Jahres noch nicht ausgestanden. Jetzt muss der Konzern um die Platzierung seiner Markenartikel im Handel bei Sonderaktionen kämpfen.Es bleibt das Wachstum, das bei Henkel Sorgen bereitet. Der zarte Aufschwung in der Kosmetiksparte – das organische Umsatzplus war im dritten Quartal einen Tick stärker als zuvor – ist noch zu schwach und kurzlebig, als dass darauf verlässlich zu bauen wäre. Gar keine Sorgen hat Henkel indes mit der operativen Profitabilität der Konzerngeschäfte. Manch ein Beobachter wirft schon die Frage auf, ob Henkel nicht zu viel spart und damit Dynamik abwürgt.