E-Autobauer Nio fällt ab
Die Zukunft scheint dem Elektroauto zu gehören, doch mit den Stromern ist es schwer, Geld zu verdienen. Das untermauern die jüngsten Quartalszahlen von Nio. Das Start-up gilt als “Chinas Tesla”. Es hat am Dienstag einen erschreckend hohen Verlust offenbart und muss ein Fünftel der Belegschaft abbauen.ds Frankfurt – Schwerer Rückschlag für Chinas Elektroautobauer Nio: Das Unternehmen aus Schanghai, das seit September 2018 an der New Yorker Börse notiert ist, hat von April bis Juni einen Nettoverlust von 3,29 Mrd. Yuan (420 Mill. Euro) aufgehäuft. Der Umsatz knickte um 7,5 % gegenüber dem Vorquartal ein, während der Fahrzeugabsatz um 7,9 % zurückging. Aktionäre sind schockiert. Die Nio-Aktie krachte zur Handelseröffnung in New York um rund 25 % auf 2,04 Dollar nach unten, womit ein Großteil der Bewertung aus dem IPO verpufft ist. Emittiert wurde die Aktie zu 6,26 Dollar. Die Marktkapitalisierung beträgt nur noch knapp 3 Mrd. Dollar.Nio, die vom chinesischen Internet- und Technologieriesen Tencent mitfinanziert wird, hat seit der Gründung durch William Li 2014 regelmäßig Verluste geschrieben. Während Konkurrent Tesla 15 Jahre brauchte, um Verluste von 5 Mrd. Dollar aufzuhäufen, schaffte Nio das in nur vier Jahren, wie Bloomberg errechnete. Gebeutelt wurde Nio auch von technischen Problemen. Wegen Brandrisiken musste Nio im Juni einen Massenrückruf von fast 5 000 Fahrzeugen durchziehen – ein erheblicher Teil der 17 550 Autos, die bis Ende Mai insgesamt verkauft wurden.Erschwerend kommt für Nio nun hinzu, dass sich der gesamte chinesische Elektroautomarkt in den vergangenen Monaten eingetrübt hat. Die Auslieferungen von strombetriebenen Fahrzeugen in dem Land, in dem rund die Hälfte der Elektroautos der Welt verkauft wird, gingen im Juli erstmals zurück, und der August zeigte ein weiteres Minus, nachdem Peking die Subventionen zurücknahm. Gewaltige KonkurrenzNio bewegt sich in einem Haifischbecken. Große Player sind neben Tesla auch die chinesischen Hersteller BAIC, BYD, Chery und Geely. Etablierte US-amerikanische und deutsche Hersteller haben Tesla, den großen Angreifer aus dem Silicon Valley, sowie die E-Auto-Spezialisten aus Fernost lange vorpreschen lassen, doch längst blasen auch sie zur Aufholjagd, wie der Auftritt auf der Messe IAA zuletzt unterstrich.Bemerkenswert ist, dass sich Nio trotz des eskalierenden Handelsstreits mit den USA nicht einmal mehr auf Unterstützung im eigenen Land verlassen kann. Pläne für eine Produktionsstätte in Shanghai wurden aufgegeben, nachdem die chinesische Regierung beschlossen hatte, den US-Rivalen Tesla zu unterstützen, der in diesem Jahr die Fertigung im Reich der Mitte starten will. Tesla baut ihre “Gigafactory”, die Batteriefertigung und Montage an einem Ort vereint, seit Jahresbeginn in Schanghai – es ist die erste Tesla-Fabrik außerhalb der Vereinigten Staaten. Und es ist das erste Mal, dass China einen ausländischen Autobauer eine Fabrik ohne lokalen Partner errichten lässt. Auch das spricht dafür, dass Peking es heimischen Herstellern nicht zutraut, die Produktion so zügig auszubauen, dass die Emissionen im eigenen Land schnell reduziert werden – eingeschlossen Nio, deren chinesischer Name übersetzt heißt: “Der blaue Himmel kommt”.Ihr blaues Wunder erleben könnte Nio, wenn Tesla richtig loslegt. Die jährliche Kapazität der chinesischen Tesla-Produktion könnte letztlich 1 Million Fahrzeuge übersteigen, hatte CEO Elon Musk gesagt. Damit hätte der US-Riese das Potenzial, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Während Tesla in China aufbaut, will Nio ihre Mitarbeiterzahl von knapp 10 000 auf 7 800 zurückfahren.