IAA-SERIE: AUTOINDUSTRIE UNTER STROM (13)

E-Mobilität bringt Zulieferer an ihre Grenzen

Alternative Antriebe bieten Bosch und ZF Friedrichshafen Chancen, aber die Phase des Wandels kostet zunächst Geld und Mitarbeiter

E-Mobilität bringt Zulieferer an ihre Grenzen

Bosch und ZF Friedrichshafen sind weltweit die Nummer 1 und die Nummer 5 in der Rangliste der nach Umsatz größten Automobilzulieferer. Der Wandel der Branche hin zu alternativen Antrieben ist für beide eine Chance, den Anteil ihrer Produkte je Fahrzeug weiter zu erhöhen. Doch bislang über-wiegen hohe Investitionen und die Furcht der Mitarbeiter vor Entlassungen.Von Isabel Gomez, StuttgartBei Bosch und ZF Friedrichshafen hängt die Zuversicht vom Betrachtungszeitraum ab. Langfristig sind die Stiftungskonzerne überzeugt, von E-Mobilität und anderen alternativen Antriebsformen profitieren zu können. Seit Jahren bauen sie ihre Produktportfolios um, um sich zu führenden Anbietern neuer Technologien zu entwickeln. Geht es aber um die kommenden Jahre, kann ihnen der Wandel nicht langsam genug gehen. Denn hohe Entwicklungskosten und die Unsicherheit, wie sich die Nachfrage nach den unterschiedlichen Antriebsformen entwickelt, bringen sie finanziell und personell an ihre Grenzen.Bosch und ZF beschäftigen weltweit gemeinsam rund 550 000 Menschen, davon rund 380 000 in jenen Bereichen, die direkt in die Autoindustrie liefern. Die IG Metall geht davon aus, dass in der Autoindustrie bis 2030 rund 150 000 Jobs verloren gehen könnten, weil die Fertigung von E-Antrieben weniger Menschen erfordert, als die von Benzin- oder Dieselmotoren.Als Zulieferer müsse man alle Technologien beherrschen, weil keiner genau wisse, wie sich die Stückzahlen entwickeln werden, sagte ZF-Finanzchef Konstantin Sauer der Börsen-Zeitung zuletzt. Die größte Herausforderung sei: “Zu verstehen, wie die Märkte wirklich ticken und das in eine Produktstrategie und die entsprechende Steuerung der Investitionen zu übersetzen”, so Sauer (vgl. BZ vom 20. Juli). “Jedes Jahr, das wir für diesen Transformationsprozess zusätzlich bekommen, ist ein gutes Jahr”, so Boschs Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer an gleicher Stelle (vgl. BZ vom 27. Juli). Während ZF in den nächsten Jahren 12 Mrd. Euro in E-Mobilität und autonomes Fahren investieren will, steckt Bosch jährlich rund 400 Mill. Euro in E-Mobilität. Komponenten ändern sichEin elektrischer Antrieb kommt mit ungefähr einem Zehntel der Teile aus, die ein Dieselmotor benötigt. Verbrennungsmotor, Abgasanlage, Antriebswelle, Kupplung, Differential und Kraftstoffsystem entfallen. Andere Komponenten, wie Motorkühlung und Getriebe verändern sich stattdessen nur. Und es werden neue Produkte benötigt, wie der Elektromotor, die Batterie und Kühlsysteme für beides. Zudem verändert sich die gesamte Elektrik- und Elektronikarchitektur des Autos. Neu benötigt werden ein Hochvoltbordnetz, Spannungswandler und die Steuerung und Abstimmung von Batterie und Motor. Am Ende des Weges, das ist Bosch und ZF klar, könnten sie wegen des steigenden Bedarfs an Elektronik, Sensoren und Software mehr Komponenten je Auto liefern als bisher. Derzeit liegt der Wertschöpfungsanteil der Zulieferer bei einem Pkw bereits bei bis zu 75 %. Batterien, E-Motoren, Kabelsätzen und die Steuerelektronik könnten laut der Unternehmensberatung PwC 2020 ein weltweites Volumen von bis zu 90 Mrd. Dollar erreichen.Derzeit sind die Zulieferer diejenigen, die die E-Mobilität über skalierbare elektrische Antriebssysteme maßgeblich nach vorn bringen. Die tradierte Denkweise in Systemen und Baukästen reicht ihnen hier zum Vorteil. Mit vergleichsweise geringem Aufwand lassen sich so viele Kunden bedienen. Egal ob ein Fahrrad oder ein Lkw elektrifiziert werden soll oder ob es sich um Start-ups mit dreistelliger Stückzahl oder VW handelt. Zudem haben die beiden Konzerne Kompetenz in Sachen Software und Elektronik angesammelt.Bei der mit Getrieben groß gewordenen ZF lässt sich die Veränderung gut nachzeichnen. Handschaltgetriebe mit Kupplung oder Drehmomentwandler bei Automatikgetrieben braucht es künftig nicht mehr. In Plug-in-Hybriden wird der Drehmomentwandler von einer elektrischen Maschine ersetzt. Ein E-Auto benötigt nur ein einfaches Getriebe, um für eine lineare Anfahrtdynamik zu sorgen. Die Fertigung von Getrieben für Plug-in-Hybride soll ZF über die nächsten Jahre hinweghelfen – und Standorte wie das Getriebewerk in Saarbrücken sichern. Dort sollen bis 2021 rund 800 Mill. Euro investiert werden, um ab 2022 Fiat Chrysler und BMW mit 8-Gang-Automatgetrieben zu beliefern. Die beiden stückzahlbasierten Aufträge sind mehr als 20 Mrd. Euro schwer und der Kunde entscheidet, je nach eigener Nachfrage, ob er Getriebe für Verbrennungsmotoren braucht, für Mild-Hybride, bei denen eine elektrische Maschine den Verbrennungsmotor unterstützt, oder für ladbare Plug-in-Hybride. 2018 lag ZFs Umsatz mit E-Mobilität bei rund 2,2 Mrd. Euro. 2017 waren es 924 Mill. Euro. Das Wachstum war neben einer Neuordnung der betreffenden Sparte auch der höheren Nachfrage nach Hybridmodulen, Steuersystemen für Getriebe sowie elektrischen Achsantrieben geschuldet. Wettbewerber bei E-MotorenBosch, die jahrzehntelang mit Diesel- und Benziner-Systemen wuchs, will bis 2025 rund 5 Mrd. Euro Umsatz mit E-Mobilität erreichen und ihn damit verzehnfachen. Für 50 E-Fahrzeug-Plattformen habe der Konzern bereits Antriebsprojekte für “mehrere Milliarden Euro” umgesetzt. Der Schwerpunkt liegt noch in China und auf chinesischen Herstellern. Dort fertigt Bosch 48-Volt-Batterien für die in China vor der Konjunkturdelle stark nachgefragten Kleinwagen in Großserie. In diesem Jahr soll auch die Produktion von E-Achsen starten. Ein Prestige-Projekt wie den elektrischen Mercedes EQC hat Bosch im Gegensatz zu ZF bisher nicht veröffentlicht. E-Motor, Ein-Gang-Getriebe sowie Leistungselektronik und Steuerungssoftware für das Auto kommen von ZF (vgl. BZ vom 11. Juli).Einer der zentralen Punkte für Bosch ist – neben der Produktion von Halbleiter für Elektronikkomponenten – die Fertigung von E-Motoren. Im Januar übernahm Bosch das 2011 mit Daimler gegründete Joint Venture EM Motive vollständig. Bosch will die Produktion in Hildesheim ausbauen und konkurriert mit den Motoren mit Valeo-Siemens, der japanischen Nidec und auch ZF. Neben Daimler gehören Porsche, Fiat, Volvo und Streetscooter zu den Kunden.Weder Bosch noch ZF setzen ausschließlich auf die Batterie als Energiequelle. Bosch sicherte sich für 50 Mill. Euro Zugriff auf die Technologie des schwedischen Herstellers von Brennstoffzellen-Stacks, Powercell (vgl. BZ vom 30. April). Gemeinsam sollen deren Produkte weiterentwickelt werden. Bosch will die Stacks über eine siebenjährige Lizenz ab 2022 in Großserie produzieren. Anders als bei Batteriezellen will Bosch also hier in die Serienfertigung einsteigen. ZF indes entwickelt ihre Produkte so, dass sie unabhängig von der Energiequelle verbaut werden können. So fahren etwa die elektrischen Stadtbusse von Mercedes mit Achsen von ZF. Die passen auch dann noch, wenn Mercedes in den nächsten Jahren wie geplant Brennstoffzellen als Reichweitenverlängerer in die Busse verbauen will.Die Schwierigkeiten, die mit dem technologischen Wandel einhergehen, zeigen sich derzeit vor allem in der Belegschaft. Bei Bosch arbeiten weltweit 50 000 von insgesamt 410 000 Beschäftigten im Bereich Diesel-Systems. 2018 wurden überwiegend in den Diesel-Werken 600 Stellen bei befristetet Beschäftigten abgebaut, ein Teil davon entfiel auf Vorruheständler. Verschärft sich die konjunkturelle Lage weiter, verschärft sich auch die Situation für Bosch und ZF. ZF konnte durch die Aufträge für Schweinfurt zwar die dortige Auslastung erhöhen. In China allerdings muss der Konzern – auch hier spielt die Konjunktur eine Rolle – den Rotstift ansetzen und beispielsweise bei der Fertigung von Lenkungen und Bremsen Kapazitäten anpassen sowie Mitarbeiter entlassen. Mitarbeiter aufbauen werden beide Konzerne vorerst nur in Zukunftsbereichen wie E-Mobilität und autonomem Fahren.