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E-Scooter-Verleiher Bolt könnte sich Tier schnappen

Die erwartete Konsolidierung im hart umkämpften europäischen Mikromobilitätssektor könnte schon bald einen Schub bekommen. Laut einem Medienbericht befinden sich Tier aus Berlin und Bolt aus Tallinn derzeit in Übernahmegesprächen.

E-Scooter-Verleiher Bolt könnte sich Tier schnappen

Bolt könnte sich Tier schnappen

E-Scooter-Verleiher offenbar in Übernahmegesprächen

Der Berliner E-Scooter-Verleiher Tier Mobility könnte laut einem Medienbericht schon innerhalb der kommenden Wochen von seinem estnischen Rivalen Bolt übernommen werden. Die beiden Start-ups befinden sich in fortgeschrittenen Übernahmegesprächen, wie das britische Online-Magazin „Sifted“ berichtet, ohne dabei Quellen zu nennen. Tier wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Bericht äußern. Bolt war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die in der estnischen Hauptstadt Tallinn ansässige Bolt führe bereits eine Due-Diligence-Prüfung zu Tier durch, hieß es weiter. Auf eine Bewertung müssten sich die beiden Firmen noch einigen. Zuletzt war Tier im Rahmen einer Series-D-Finanzierungsrunde im Oktober 2021 mit 2 Mrd. Dollar bewertet worden. Damals hatten die Berliner 200 Mill. Dollar eingesammelt, unter anderem von der japanischen Softbank Capital und der britischen M&G Investments.

Mit Blick auf die Schwierigkeiten, denen die kapitalintensive Branche seit einiger Zeit gegenübersteht und dem schon länger eingetrübten Finanzierungsumfeld ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass Tier diese Summe durchsetzen kann. Die Berliner, die mit knapp 80.000 E-Rollern in Deutschland aktuell als Marktführer gelten, haben gerade erst zwei Entlassungsrunden hinter sich – im Januar dieses Jahres mussten laut einem früheren Bericht von „Techcrunch“ 80 Mitarbeitende gehen, im August 2022 strich das Unternehmen 180 Jobs. Insidern zufolge sitzt Tier derzeit auf einem Schuldenberg von 130 Mill. Euro und schreibt noch immer rote Zahlen, wie „ Sifted“ berichtet. Dabei wollte das Start-up in diesem Jahr eigentlich die Gewinnzone erreichen.

Politischer Gegenwind

Ein großer Rückschlag dürfte für Tier auch die kommende Abschaffung von Mietrollern in Paris sein. Das Unternehmen betreibt dort derzeit als einer von insgesamt drei Anbietern 5.000 E-Scooter, womit die französische Hauptstadt zu den wichtigsten Märkten von Tier gehört. Bei einer Bürgerbefragung im April hatte sich eine große Mehrheit der Pariser unter anderem aufgrund von Sicherheitsbedenken aber für das Verbot ausgesprochen. Die Roller müssen nun bis Ende August weggeräumt werden.

Berichten zufolge hatte Tier bereits Anfang Mai über eine Fusion oder einen eigenen Verkauf nachgedacht, nachdem der Versuch einer weiteren Kapitalaufnahme gescheitert war. Laut „Sifted“ soll das Start-up nicht nur mit Bolt, sondern auch mit dem US-Rivalen Lime über eine Übernahme gesprochen haben. Die Gespräche seien jedoch beendet worden. Mitte Mai hatte Tier zudem eine Wandelanleihe an bestehende Investoren begeben.

Bei der möglichen Übernahme von Tier durch Bolt dürfte es nicht bleiben. Beobachter rechnen generell mit einer weitergehenden Konsolidierung in dem hart umkämpften Sektor. Bolt selbst plant nach eigenen Angaben, innerhalb der nächsten 12 Monate profitabel zu werden und 2025 an die Börse zu gehen. Dabei ist die bisherige Entwicklung des bereits gelisteten Rollerverleihers Bird nicht gerade vielversprechend. Der US-Anbieter, der 2021 via Spac an die Börse gegangen war, hat bisher mehr als 90% an Wert verloren.

kro Frankfurt