RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: STEPHAN SCHULZ

Eigene Aktien ersteigern wie die Holländer

Flexibilität beim Rückkauf ohne Festpreis - Beispiel TAG Immobilien

Eigene Aktien ersteigern wie die Holländer

– Herr Dr. Schulz, Sie haben kürzlich die TAG Immobilien AG bei einem Aktienrückkaufprogramm mittels einer “holländischen Auktion” beraten. Wie läuft ein solches Verfahren ab?Aktienrückkaufprogramme mittels holländischer Auktion (engl. Dutch Auction) finden außerbörslich statt. Anders als bei den üblichen Programmen wird keine Bank mit dem Rückerwerb von Aktien über die Börse beauftragt. Vielmehr gibt die Gesellschaft ein an die Aktionäre gerichtetes Rückerwerbsangebot ab, Aktien zu einem in einer Preisspanne liegenden Preis anzudienen. Im Unterschied zu außerbörslichen Rückkaufprogrammen im sogenannten Festpreisverfahren wird der Preis nicht vorher festgelegt, sondern ist flexibel.- Zu welchem Preis können die Aktionäre ihre Aktien veräußern, wenn dieser flexibel ist?Die Aktionäre bestimmen selbst, zu welchem in der Preisspanne liegenden Preis sie ihre Aktien an die Gesellschaft verkaufen möchten. Nach Ablauf der Annahmefrist wertet die Gesellschaft die vorliegenden Angebote aus und ermittelt den endgültigen Angebotspreis, der für alle zu erwerbenden Aktien gleich ist. Die Gesellschaft wird den niedrigsten Preis festlegen, zu dem sie die angestrebte Zahl zurückzukaufender Aktien noch erwerben kann. Aktionäre, die höhere Preise aufgerufen haben, kommen nicht zum Zuge. Im Grunde genommen ist es eine “umgekehrte Versteigerung”.- Welche Vorteile hat die holländische Auktion?Gegenüber börslichen Rückkaufprogrammen besteht ein Vorteil darin, dass die Gesellschaft eine bessere Kontrolle über den zu zahlenden Preis und die Dauer des Angebots hat. Im Vergleich zum Festpreisverfahren kann die holländische Auktion die Ressourcen der Gesellschaft schonen. Bei einem festen Angebotspreis besteht die Gefahr, dass dieser zu hoch ist und die Gesellschaft die gleiche Zahl von Aktien auch zu einem niedrigeren Preis hätte erwerben können. Beim Auktionsverfahren ist der Preis dagegen im Rahmen der Preisspanne flexibel, so dass Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht gebracht werden können. Die Gesellschaft zahlt also den “richtigen” Preis.- Gibt es Nachteile?Ein Nachteil liegt darin, dass das Auktionsverfahren eine komplexere Dokumentation als andere Verfahren erfordert. Darüber hinaus ist diese Variante – auch wegen der geringen Zahl der bisher durchgeführten Verfahren – am Kapitalmarkt noch recht unbekannt. Sie muss deshalb von einer aktiven Kapitalmarktkommunikation begleitet werden. Diesen Nachteilen steht aber die Chance gegenüber, dass der Rückerwerb wegen eines niedrigeren Angebotspreises insgesamt günstiger wird.- Welche rechtlichen Vorgaben sind beim Auktionsverfahren zu beachten?Zunächst gelten die allgemeinen Voraussetzungen für den Aktienrückerwerb. Die Verwaltung muss hierzu durch die Hauptversammlung ermächtigt worden sein. Eine solche Ermächtigung kann erlauben, in einem Zeitraum von bis zu fünf Jahren eigene Aktien im Umfang von bis zu 10 % des Grundkapitals zu erwerben; ferner muss sie einen Mindest- und einen Höchstpreis bestimmen. Die meisten börsennotierten Gesellschaften verfügen über eine Ermächtigung. Detaillierte Vorgaben zum Rückerwerbsverfahren enthält das Aktiengesetz nicht: Die Aktionäre müssen vor allem gleich behandelt werden. Schließlich sind die allgemeinen Regeln des Kapitalmarktrechts zu beachten, wie die Verbote des Insiderhandels und der Marktmanipulation.- Gibt es besondere Fallstricke, die zu beachten sind?Das Auktionsverfahren ist kein Produkt von der Stange, bei dem es klare Marktstandards gibt. Die BaFin geht in ständiger Verwaltungspraxis davon aus, dass das WpÜG auf Angebote zum Rückerwerb eigener Aktien keine Anwendung findet. Eine behördliche Billigung der Angebotsunterlage ist daher nicht erforderlich. Abgesehen hiervon und von den allgemeinen Grundsätzen gibt es keine spezifischen rechtlichen Vorgaben für den Verfahrensablauf. Daher ist es wichtig, Struktur und Zeitplan für das Programm sorgfältig vorzubereiten und insbesondere mit der begleitenden Bank und Clearstream rechtzeitig abzustimmen.—-Dr. Stephan Schulz ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro der Kanzlei Noerr. Die Fragen stellte Walther Becker.