DAS CFO-INTERVIEW

Eigenkapital als Rückgrat der Finanzierung

Claas-Finanzchef: Familienunternehmen sind wieder sehr gefragte Kunden - Erhalt der Unabhängigkeit genießt für den Landtechnikhersteller die oberste Priorität

Eigenkapital als Rückgrat der Finanzierung

– Herr Lampert, Claas hat die Krise mit einem Rekordjahr 2011 hinter sich gelassen. Die Zeichen stehen auf Wachstum verbunden mit Investitionen. Was bedeutet das für den Finanzvorstand?In den Jahren 2009 und 2010 haben wir uns innerlich gestärkt und unsere Kostenstrukturen noch einmal deutlich schlanker gestaltet. Aus der Krise kommen wir mit einer gestiegenen Eigenkapitalquote und einer sehr guten Liquidität. Aus dieser starken finanziellen Position heraus können wir die Wachstumsprojekte finanzieren. Zwar sind die Märkte insgesamt volatiler geworden, wir werden aber nicht laufend abbremsen und beschleunigen. Wir haben große Projekte angeschoben, die wir über mehrere Jahre durchziehen werden. Dafür haben wir die finanzielle Stabilität.- Ihre üppige Liquidität haben Sie im vergangenen Jahr auch zur vorzeitigen Tilgung eines Teils eines Schuldscheindarlehens genutzt. Wie verträgt sich das mit dem ausgerufenen Wachstumskurs?Die Teilrückführung des Schuldscheindarlehens war eine taktische und keine strategische Maßnahme. Wir haben unsere hohe Liquidität zur Rückzahlung verwendet, um damit Zinsen zu sparen und den negativen Spread zu verringern.- Inwiefern negativer Spread?Wir haben auf der Passivseite Mittel aufgenommen, die höher verzinslich sind als das, was wir derzeit bei der kurzfristigen Anlage auf der Aktivseite bekommen.- Müssen Sie die zurückgekauften Mittel im laufenden Jahr wieder aufnehmen?Wir haben voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder einen hohen Cash-flow. Der Cash-flow ist die Basis für unsere Finanzierung. Nichtsdestotrotz sind wir auch dabei, unser Laufzeitenprofil auf der Passivseite zu verlängern. 2014 laufen eine Reihe von Instrumenten aus.- 2014 wird zum einen die Privatplatzierung aus dem Jahr 2002 fällig, zum anderen hat Claas dann erstmals die Möglichkeit, den Equity Bond aus dem Jahr 2004 zu kündigen. Wie werden Sie die Instrumente refinanzieren?Die Privatplatzierung wird ratierlich zurückgeführt und beläuft sich Ende 2014 auf null. Wir arbeiten gerade an einer Anschlussfinanzierung im Dollar-Bereich.- Werden Sie den Equity Bond, der bei seiner Emission aufgrund des innovativen Charakters für viel Aufsehen sorgte, kündigen?Diese Entscheidung ist noch nicht gefallen. Wir können, müssen aber nicht kündigen. Das ist das Gute an diesem Instrument.- Wenn Sie nicht kündigen, erhöht sich die Verzinsung um 2 Prozentpunkte auf 9,72 %. Wie beeinflusst das die Entscheidung?Das kann natürlich dazu führen, dass der Bond zurückgezahlt wird.- Wie bewerten Sie den Equity Bond, der bilanziell wie Eigenkapital behandelt wird, steuerlich aber zum Fremdkapital zählt?Betragsmäßig ist das Instrument mit 80 Mill. Dollar nicht übermäßig groß. Der Equity Bond hat unser Eigenkapital in den vergangenen Jahren gestärkt. Ein Bond, der nie fällig wird, ist natürlich schon ein Schmankerl. Insofern war das damals ein kreatives Instrument. Es war sicherlich kein Fehler, auch einmal auf der Finanzseite Hightech zu bieten.- Bei der Finanzierung am Kapitalmarkt ist die mangelnde Bekanntheit der Unternehmen gelegentlich ein Problem. Bringen solche Instrumente nicht auch die erforderliche Aufmerksamkeit mit sich?Zweifellos. Dennoch glaube ich, dass wir über genügend große Bekanntheit am Kapitalmarkt verfügen, denn wir adressieren den Markt ja nicht zum ersten Mal. Wir haben einen Euro-Bond begeben, die Privatplatzierung in den USA gemacht, es gab schon einmal Genussscheine. Hinzu kommt, dass wir unsere Investoren in der gesamten Zeit gepflegt haben. Wie kennen unsere Investoren persönlich und haben ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Zudem geht es bei uns ja nicht um eine 5-Mrd.-Euro-Investition, sondern um einen überschaubaren Betrag. Den glauben wir sehr gut platzieren zu können.- Neben den verschiedenen Finanzinstrumenten besitzt Claas zusammen mit BNP Paribas auch eine Bank. Welche Idee steckt dahinter?Wir haben zusammen mit BNP Paribas ein Joint Venture zur Absatzfinanzierung, die Claas Financial Services (CFS). Diese Gesellschaft, die mittlerweile die Größe einer mittelgroßen Volksbank hat und an der wir absichtlich nur minderheitlich beteiligt sind, finanziert Endkunden beim Erwerb unserer Produkte.- Machen Sie sich dadurch nicht extrem abhängig von Ihren Kunden?Die CFS refinanziert sich am Bankenmarkt. Insofern haben wir eine Kapitalbindung nur in Form unserer Eigenkapitaleinlage.- Die wie hoch ist?Das sind etwa 8 % der anteiligen Risikoaktiva der CFS, ein deutlich zweistelliger Millionenbetrag. Da wir die CFS aber nicht konsolidieren, haben wir die Ausleihungen nicht in unserer Bilanz. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Risikoprofil in der Landtechnik häufig falsch eingeschätzt wird. Unsere Kunden sind in aller Regel konservativ, entsprechend sind unsere Ausfallraten sowohl in der eigenen Bilanz – also bei Finanzierungen, die wir selbst durchführen – als auch bei der CFS gering. Zudem stehen hinter den Krediten Maschinen, die im Ernstfall verwertet werden können.- Wie hoch ist die Ausfallrate?Die liegt unter 1 %.- Wie hat sich die Zahlungsmoral Ihrer Kunden im Zeitablauf, insbesondere in den Krisenjahren 2009 und 2010, verändert? Gerade in Zentral- und Osteuropa, wo Claas fast ein Fünftel des Konzernumsatzes erwirtschaftet, gab es doch eine Kreditklemme.Während dieser sogenannten Krisenjahre waren die Absätze in einigen osteuropäischen Ländern rückläufig, weil die Kunden keine Finanzierungen bekamen. Höhere Ausfallraten haben wir dagegen nicht gesehen. Die Geschäfte wurden einfach nicht gemacht. Allerdings sehen wir im Augenblick etwas überdurchschnittliche Ausfallraten in Südeuropa. Italien und Griechenland sind aus unserer Sicht problematische Länder. Für Claas sind das aber überschaubare Risiken.- Welchen Anteil hat Südeuropa am Konzernumsatz?Zurzeit etwa 5 %.- Stehen Sie Ihren dortigen Kunden mit Krediten zur Verfügung oder ist das Risiko zu groß?Die CFS ist auch dort aktiv, insbesondere in Italien und Spanien. Dieses Risiko trägt das Joint Venture. Wir selbst räumen unseren Händlern Limite ein und da kann es dann schon einmal passieren, dass ein Händler seine aufgenommenen Lieferantenkredite nicht mehr tilgen kann. Das ist aber auch in Italien glücklicherweise nicht die Regel, sondern die Ausnahme.- Zur Liquiditätssteuerung greift Claas auch auf ein ABS-Programm zurück. Welches Volumen hat das Programm und wie stark ist es genutzt?Wir haben ein variabel nutzbares Volumen von etwa 300 Mill. Euro. In der Spitze haben wir in der Vergangenheit bis zu 200 Mill. Euro gezogen. Das Programm wurde 2011 um ein Jahr verlängert. Jetzt sind wir gerade dabei, ein neues Programm aufzulegen.- Wird sich dann am Volumen etwas ändern?Das Gesamtvolumen wird etwa gleich bleiben, allerdings wird der US-Anteil etwas größer sein. Wir haben eine Euro- und eine Dollar-Tranche. Letztere stocken wir auf.- Was ist der Grund dafür?Damit tragen wir unserem wachsenden Geschäft in Nordamerika Rechnung.- Wer sind Ihre Programm-Partner auf der Finanzierungsseite?In dem auslaufenden Programm hatten wir eine deutsche und eine französische Bank als Partner. Künftig werden es zwei deutsche Banken sein.- Können Sie sagen, mit welchen Instituten Sie zusammenarbeiten?Namen möchte ich keine nennen.- Welche Bedeutung kommt ganz grundsätzlich der Diversifikation der Finanzierungsinstrumente zu?Neben der Finanzierung des operativen Geschäfts verfolgen wir mit der Finanzierungsstrategie vor allem auch das Ziel, die Unabhängigkeit des Unternehmens zu bewahren und jederzeit die volle Entscheidungshoheit zu behalten. Von daher ist für uns entscheidend, uns nicht in eine zu große Abhängigkeit von Finanzinstituten zu begeben. Heute ist zu beobachten, dass der klassische Bankkredit zumindest für kapitalmarktfähige Unternehmen an Attraktivität verliert. Denn die Banken müssen sorgfältig darauf achten, nicht zu viele Risikoaktiva auf ihre Bilanz zu nehmen. In der direkten Inanspruchnahme des Kapitalmarkts sehen wir daher eine interessante Finanzierungsform, gerade auch um Opportunitäten zu nutzen. Wir sind ein kapitalmarktfähiges Unternehmen, darauf sind unsere internen Prozesse ausgelegt. Unser Geschäftsbericht kann beispielsweise durchaus mit Berichten größerer börsennotierter Unternehmen mithalten.- Ist die Diversifikation der Fremdkapitalseite für ein Familienunternehmen von größerer Relevanz als für börsennotierte Unternehmen?Diversifikation ist grundsätzlich wichtig. Einen Unterschied zwischen börsennotierten Unternehmen auf der einen und Familienunternehmen auf der anderen Seite kann ich aber nicht erkennen.- Börsennotierte Unternehmen haben aber zumindest theoretisch die Option, Eigenkapital aufzunehmen. Diese Möglichkeiten gibt es bei Familienunternehmen in aller Regel nicht.Aus meiner Sicht spielt das keine Rolle. Wir haben eine Eigentümerfamilie, die geschlossen zu dem Unternehmen steht und das Geld zu einem guten Teil im Unternehmen belässt. Damit ist es uns in den letzten Jahren gelungen, die Eigenkapitalquote absolut und relativ zu stärken. Das wird voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder der Fall sein. Eine gute Eigenkapitalposition ist das Kennzeichen eines erfolgreichen Familienunternehmens. Das ist das Rückgrat unserer Finanzierung.- Wie viele Gesellschafter hat Claas?Es gibt drei Gesellschafterstämme, tiefer möchte ich nicht ins Detail gehen.- Können Sie wenigstens erläutern, in welchen Gremien die Gesellschafterstämme organisiert sind und in welchem Verhältnis sie zum Aufsichtsrat der KGaA stehen?Es gibt die Konzernleitung und die Geschäftsführung im Unternehmen. Darüber gibt es einen Aufsichtsrat und einen Gesellschafterausschuss. Die beiden Aufsichtsorgane beaufsichtigen die Geschäftsleitung. Wesentliche Entscheidungen werden mit dem Gesellschafterausschuss intensiv diskutiert, wobei diesem Gremium, das derzeit sieben Köpfe zählt, auch externe Mitglieder angehören. Dem Aufsichtsrat gehören zwölf Personen an, sechs Vertreter der Arbeitgeber- und sechs Vertreter der Arbeitnehmerseite.- Wie findet aus Ihrer Beobachtung die Willensbildung im Gesellschafterausschuss statt?Nach meiner Wahrnehmung hat Claas eine sehr fruchtbare und ausgeprägte Kommunikationskultur, sowohl auf den einzelnen Ebenen als auch zwischen den verschiedenen Ebenen. Wichtige Themen werden zunächst intensiv diskutiert, bevor es zu Entscheidungen kommt. Es gibt einen klaren Governance-Katalog. Die Entscheidungen trifft die Konzernleitung, die Aufsichtsgremien prüfen und bestätigen sie in der Regel. Das ist wie in jedem anderen Unternehmen auch.- Wie groß ist die Einflussnahme der Gesellschafter auf die Konzernleitung?Vorweg: Für mich ist völlig nachvollziehbar, wenn sich Gesellschafter für ihr Unternehmen interessieren. Für Claas gilt, dass die Gesellschafter auf das operative Geschäft keinerlei Einfluss nehmen. Die Entscheidungen trifft die Konzernleitung bzw. die Geschäftsführung. Wichtige Entscheidungen werden in der Konzernleitung erarbeitet, mit den Aufsichtsgremien diskutiert und abgestimmt.- Sie betonen, dass die Unabhängigkeit des Unternehmens ein ausgesprochen hohes Gut ist. Ist das mit Blick auf die Finanzierung von Vor- oder von Nachteil?Gut geführte Familienunternehmen sind nach den Krisenjahren – zumindest in meiner Wahrnehmung – wieder sehr gefragte Kunden. Von daher glaube ich, dass der Status als Familienunternehmen, wenn es wie Claas gut geführt ist, ein Vorteil ist. Investoren schätzen Kontinuität und Nachhaltigkeit. Das schafft Vertrauen, insbesondere wenn man als Unternehmen zugleich offen ist und Finanzmarktkommunikation betreibt.- Gerade in puncto Transparenz tun sich Familienunternehmen in aller Regel aber schwer.Ich würde das nicht an der Organisation oder der Rechtsform festmachen. Vielmehr muss man in diesem Zusammenhang manchmal die Medien kritisieren. Diese sollten sich besser auf die Unternehmen und deren Geschäft konzentrieren und nicht immer in die persönliche Ebene der Anteilseigner vorstoßen wollen. Bei einer Aktiengesellschaft tut das ja auch keiner.- Einspruch. Großaktionäre werden bei börsennotierten Gesellschaften durchaus auch kritisch begleitet.Das ist richtig. Wichtig ist aber doch, dass ein Unternehmen eine saubere Governance hat, mit klar zugeordneten Rechten und Pflichten für die jeweiligen Gremien. Dann ist es am Ende egal, ob es sich um ein Familienunternehmen oder um ein börsennotiertes Unternehmen handelt. Was die Transparenz angeht, halten wir uns zugute, auch in schwierigen Jahren offen mit Presse und Investoren zu kommunizieren.- Bei Familienunternehmen ist die Ausschüttungspolitik nicht notwendigerweise am geschäftlichen Erfolg orientiert. Nach welchen Kriterien bemisst sich bei Claas die Ausschüttungssumme?Feste Regeln gibt es nicht. Die Ausschüttungspolitik der letzten Jahre war sehr moderat, deutlich unter den Quoten, die Dax- und MDax-Unternehmen durchschnittlich ausschütten. 2011 haben wir einen höheren Betrag ausgeschüttet. Der war angemessen, weil wir auch ein exzellentes Ergebnis erzielt haben. Dennoch konnten wir auch in diesem Jahr die Eigenkapitalquote steigern.- Mit 109,5 Mill. Euro lag die Ausschüttung für 2010 jedoch deutlich über dem erzielten Jahresüberschuss von 51,5 Mill. Euro, sprich die Ausschüttung wurde in diesem Jahr nicht verdient.Das sehe ich anders. Als wir die Ausschüttung vornahmen, sahen wir bereits, dass das Ergebnis 2011 sehr gut werden würde. Von dieser Warte aus betrachtet war das eine Ausschüttung, die wirtschaftlich dem Jahr 2011 zuzurechnen ist.- Sie schreiben in Ihrem Geschäftsbericht, dass Sie die Anlage- und Derivatepositionen nach Kontrahentenlimiten steuern. Was heißt das konkret?Wir sehen uns genau an, mit welchen Finanzpartnern wir Geschäfte machen. Üblicherweise werden Unternehmen von Banken geratet. Den Spieß kann man aber auch umdrehen. Wir verwenden dazu zum einen das offizielle Rating unserer Finanzpartner und zum anderen die Fünf-Jahres-CDS. Daraus kreieren wir ein internes Rating für unsere Finanzpartner und ordnen danach unsere Anlagepositionen zu. Da wir in der Liquidität starken saisonalen Schwankungen unterliegen, sind wir darauf angewiesen, die zeitweilig hohen Mittel sorgfältig anzulegen.- Claas selbst verfügt bei keiner der drei großen Ratingagenturen über eine externe Bonitätsnote. Gerade unter dem Aspekt, dass Sie Ihre Finanzpartner ja auch bewerten, erstaunt das.Wir veröffentlichen das interne Rating für unsere Finanzpartner nicht. Es ist nur Maßstab für unsere internen Entscheidungen. Wir wissen, nach welchen Kriterien die Agenturen arbeiten, und stellen auch unsere internen Prozesse darauf ein. Die Notwendigkeit für ein externes Rating gibt es nicht.- Wo siedeln Sie Claas in der gängigen Ratingskala an?Nach dem, was wir von Banken immer wieder hören, sind wir ein gutes Investment Grade.—-Das Interview führte Annette Becker.