Ein letztes "Glück auf" im deutschen Bergbau
Von Andreas Heitker, DüsseldorfEs waren bewegende Momente im Dezember vor dem letzten Heimspiel des FC Schalke 04. Der Fußballclub, dessen Gründung und Geschichte eng mit dem Bergbau verbunden ist, hatte 1 000 Bergleute der Zeche Auguste Victoria eingeladen, die kurz zuvor letztmalig Kohle gefördert hatten. Dem Verein wurde das Grubenlicht der letzten Schicht überreicht. In der abgedunkelten Arena sang der Ruhrkohle-Chor zusammen mit 60 000 Zuschauern das berühmte Steigerlied.Im Bergwerk Auguste Victoria in Marl wurden im Laufe der Zeit rund 217 Mill. Tonnen Steinkohle gefördert. Zu Hoch-Zeiten in den 1950er Jahren arbeiteten hier 11 000 Menschen. Die Zeche war prägend für die Region. Seit Jahresende ist aber auch hier Schicht im Schacht. Und damit gibt es heute nur noch zwei Bergwerke, in denen in Deutschland Steinkohle gefördert wird: in Prosper-Haniel in Bottrop und in Ibbenbüren in der Nähe von Osnabrück. Da waren es nur noch zweiDiese beiden Zechen dürfen noch bis 2018 weiter fördern. Im April bleiben noch 1 000 Tage Restlaufzeit – dann ist der Steinkohlenbergbau in Deutschland nach über 150 Jahren endgültig Geschichte.Und eines ist auch klar: Vermissen wird ihn außer einigen Nostalgikern niemand so richtig – weder die deutsche Energie- und Stahlindustrie, die mit Abstand wichtigsten Abnehmer, noch die Steuerzahler. Mit Blick auf das aktuelle Umfeld wird schnell klar, wie richtig und wichtig 2007 der politische Ausstiegsbeschluss war. Vor allem bei den drei Punkten Umweltschutz, Versorgungssicherheit und Preisentwicklung wird dies deutlich.Der Kohleausstieg gehört heute – anders als noch vor neun Jahren – zu den wichtigsten klimapolitischen Forderungen -, und dies nicht nur bei deutschen Bürgerinitiativen und Umweltverbänden. Im vergangenen Jahr haben auch wichtige Investoren und Banken mit Divestment-Aufrufen für Aufmerksamkeit gesorgt. Der norwegische Staatsfonds gehörte ebenso hierzu wie die Allianz. Die Bank of America, der weltgrößte Rückversicherer für die Kohleindustrie, hat vor steigenden Risiken gewarnt und eine “New Coal Policy” veröffentlicht. Die G8 und zuletzt die Klimaverhandlungen von Paris erhöhten zugleich den politischen Druck auf die Kohle.In Deutschland wurden 2014 noch 59 Mill. Tonnen Steinkohle verbraucht. Das waren bereits 10 Mill. Tonnen weniger als im Jahr 1990, und die bisherigen Energiereferenzprognosen gehen von einem weiteren Rückgang um knapp 20 % bis 2020 aus. Bis 2050 soll sich der Verbrauch noch mehr als halbieren. Diese Vorhersagen erscheinen allerdings angesichts des steigenden klimapolitischen Drucks und der Probleme in der konventionellen Stromerzeugung mehr als optimistisch. Der Kohleverbrauch in Deutschland dürfte wesentlich schneller sinken, als dies bisher veranschlagt wurde. So hat erst diesen Montag der Think-Tank Agora Energiewende für einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2040 plädiert.Damit sinkt natürlich auch die Bedeutung der Kohleförderung, die in Deutschland auch mit Gründen der Versorgungssicherheit nicht mehr zu rechtfertigen ist. Aktuell kommen nur noch etwas mehr als 10 % des deutschen Steinkohleverbrauchs aus heimischen Bergwerken (siehe Grafik). Die jährlich steigenden Importzahlen haben sich in den Abnehmerindustrien aber als völlig unproblematisch erwiesen. Die breite Diversifizierung der Lieferländer von Australien, Kolumbien, Kanada, USA bis Südafrika, Russland und Polen bietet ebenfalls kaum Anlass zur Sorge. Kohlepreise unter DruckAuch die internationale Preisentwicklung bestätigt die Richtigkeit des Ausstiegs: Die Notierungen für Kokskohle sind in den letzten vier Jahren um über 60 % eingebrochen. Und der Preis für Kraftwerkskohle bröckelt ebenfalls immer weiter ab – was die Spanne zu den Förderkosten in den deutschen Zechen immer mehr vergrößert. Der Kraftwerkskohlepreis aus Nicht-EU-Ländern, der sogenannte Bafa-Preis, lag 2014 im Schnitt bei knapp 73 Euro je Tonne. Die deutschen Förderkosten sollen nicht bestätigten Zahlen zufolge doppelt so hoch sein. Rund 1,5 Mrd. Euro an Subventionen verschlang der deutsche Steinkohlenbergbau 2015. Die Schließung von Auguste Victoria wurde vereinzelt als “schwarzer Tag für das Ruhrgebiet” bezeichnet. Für die Steuerzahler gilt das nicht.