IM INTERVIEW: GERALD GROHMANN, SCHOELLER-BLECKMANN OILFIELD EQUIPMENT

"Ein Versorgungsproblem sehe ich fürs Erste nicht"

Der Vorstandschef zu den Ursachen des Ölpreisverfalls, zum Förderboom in den USA, dem Pokerspiel mit Russland und der Wirkung des festen Dollar

"Ein Versorgungsproblem sehe ich fürs Erste nicht"

– Herr Grohmann, Sie bewegen sich mit der Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG (SBO) inmitten der Ölindustrie. Was sind die Gründe für den Ölpreissturz?Tatsächlich kostete ein Fass der Sorte Brent Mitte Juni noch rund 115 Dollar. Inzwischen liegt der Preis bei 92 Dollar. Ein Grund für den Rückgang ist, dass wir uns gegenwärtig in der sogenannten Shoulder Season befinden. Das ist die Übergangszeit zwischen Sommer, der mit hohem Benzinverbrauch einhergeht, und Winter, in dem viel Heizöl nachgefragt wird. Gerade im Herbst haben zudem die Raffinerien weltweit ihre Maintenance-Programme laufen, das ist also die Zeit für Wartung und Instandhaltung. In dieser Phase brauchen sie kein Öl für die Verarbeitung. Dadurch schwellen die Öllager an. Hinzu kommt die Sorge, dass sich die geopolitischen Krisen konjunkturdämpfend auf die Weltwirtschaft auswirken, was die Ölnachfrage dämpfen würde. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass der Ölpreis tendenziell fällt, wenn der Dollar stärker wird, was ja der Fall ist.- Trotz der vielen Konflikte – auch in Förderregionen – ist der Markt gut mit Öl versorgt. Wieso?Wir stellen fest – und das ist einmalig in der Geschichte -, dass die Produktionsausfälle im Mittleren Osten und Nordafrika summa summarum nicht, wie bisher üblich, durch eine Mehrproduktion in Saudi-Arabien kompensiert werden, sondern durch die Förderung in den Vereinigten Staaten. Dabei dachte man lange, dass die dortige Produktion schon ihr Hoch überschritten habe.- Läuft der Förderboom in den USA gerade aus, oder fängt er erst an?Da muss man zwischen Schiefergas und -öl unterscheiden. Die Schiefergasförderung hat sich als so produktiv erwiesen, dass hier weniger Aktivitäten stattfinden. Ich will nicht sagen, dass dieser Trend ausläuft, aber da die Fördererfolge zu einem Einbruch des Gaspreises geführt haben, gibt es hier inzwischen eine starke Zurückhaltung. Das hat aber die gesamte Zuliefererindustrie, zu der SBO gehört, unbeschadet überstanden, weil einfach das Equipment vom Schiefergas auf Schieferöl umgeleitet wurde. Und bei Schieferöl sehe ich nicht, dass der Boom in absehbarer Zeit ausläuft. Allein schon weil es das erklärte strategische Ziel der USA ist, möglichst unabhängig von Ölimporten zu werden.- Würden Sie die Schiefölproduktion in den USA als ähnlich erfolgreich wie die Schiefergasförderung bezeichnen?Sie ist jedenfalls sehr erfolgreich. Die USA haben 2013 den größten Anstieg der Förderquote seit rund 50 Jahren verzeichnet. Allerdings sinkt die Förderrate in den Schieferölfeldern dramatisch; pro Jahr um etwa 30 bis 50 %. Das heißt: Das Schieferöl, das aus einer neuen Quelle gewonnen wird, versiegt bereits nach zwei, drei Jahren. Ich gehe davon aus, dass die Aktivitäten in der Schieferölgewinnung hoch bleiben, aber sehr zyklisch sein werden.- Warum?In den USA sind sehr viele unabhängige kleine Förderunternehmen tätig – “Independent Drillers” und E & P-Gesellschaften, etwa Apache und Pioneer. Diese Gruppe reagiert sehr schnell auf Entwicklungen des Ölpreises. Sollte der Preis für die Ölsorte WTI unter 80 oder gar 70 Dollar das Barrel fallen, käme es schnell zu einer Investitionszurückhaltung. Genauso schnell würden die Drillers aber wieder aktiv werden, wenn sich der Ölpreis erholen würde.- Ist die gestiegene Unabhängigkeit der USA von Öllieferungen aus politisch unsicheren Regionen nicht trügerisch, weil nur vorübergehend?Bis 2025 ist die Schieferölförderung sicher. Ich will nicht sagen, dass es danach aus ist, aber dann würde es auf Basis heutiger Fördertechniken bergab gehen. Tatsächlich wird es dann aber Technologien geben, die eine stärkere, wirtschaftlich sinnvolle Ausbeutung bestehender Lagerstätten ermöglichen beziehungsweise die Ausbeutung von bestimmten Feldern erst ermöglichen werden. Denken Sie nur an die riesigen Mengen an Ölschiefer, auf denen die USA sitzen.- Sind Sie auch für die nahe Zukunft hinsichtlich der Ölversorgung optimistisch?Ein Versorgungsproblem sehe ich fürs Erste nicht. Eine Verknappung könnte es erst wieder geben, wenn die globale Konjunktur stark anzieht und dadurch ein stark steigender Bedarf entsteht. Dann könnte der Preis für ein Barrel Brent schnell wieder über die 100-Dollar-Marke steigen.- Zur Versorgung mit Gas: Politiker in Europa betonen stets, dass sie – trotz der politischen Eiszeit zwischen dem Westen und Russland – gesichert ist. Ihre Meinung?Es wurde ein Pokerspiel mit Sanktionen und Gegensanktionen begonnen, dessen Ausgang wir im Winter erleben werden. Denn eines ist klar: Wenn der Gashahn als politische Waffe eingesetzt wird, dann wird damit gewartet, bis es kalt wird.- Der Westen hat wegen der Vorgänge in der Ukraine Sanktionen über Exporteure nach Russland verhängt. Der Kreml reagierte mit Gegensanktionen. Ist SBO davon betroffen?Ja, aber auf unterschiedliche Weise. Zunächst muss man wissen, dass wir einen Großteil unseres Geschäftes mit US-Unternehmen machen – allein die drei großen Ölfeldausrüster Schlumberger, Halliburton und Baker Hughes haben einen Anteil von rund zwei Dritteln am SBO-Umsatz. Wir sind aber auch in Russland aktiv. Das direkte Geschäft in dem Land ist sehr profitabel, aber mit einem Umsatzanteil im einstelligen Prozentbereich nicht sehr groß. Allerdings gibt es auch indirektes Geschäft: Wir liefern zum Beispiel an die großen Ölfeldausrüster Produkte, die sie dann in Russland einsetzen. Auswirkungen auf unser Geschäft gibt es bis dato aber keine. Ich kann derzeit allerdings nicht absehen, ob oder in welchem Ausmaß uns die Sanktionen tatsächlich treffen werden.- Gibt es bürokratische Hürden im Geschäft mit Russland?Wir versuchen gerade, diese zu knacken, denn es ist ja nicht grundsätzlich verboten, Ölförderausrüstungen nach Russland zu liefern. Verboten ist nur, etwas zu liefern, was für Bohrungen in der Arktis, in Schieferformationen oder in tiefen Gewässern eingesetzt werden kann. Das ist prozentual nicht viel, denn mehr als 90 % der Bohrungen in Russland sind konventionell. Aber wir brauchen für jede Lieferung eine Genehmigung – das geht durch zwei Ministerien und ist mühsam. Der Kunde braucht die Ware, und wenn wir nicht zügig liefern können, dann macht das ein chinesischer Anbieter … Das ist meine Sorge: Dass uns die Bürokratie bremst.- SBO berichtete von einem Anstieg der Auftragseingänge im ersten Halbjahr um 13,2 % auf 228,5 Mill. Euro. Das klingt ordentlich.Um die Entwicklung des Auftragseingangs zu verstehen, muss man zwei Jahre zurückblicken: Damals, 2012, waren unsere Kunden übermäßig optimistisch, wodurch wir Rekorde beim Auftragseingang von 471 Mill. Euro, beim Umsatz von 512 Mill. Euro und beim Überschuss von 77 Mill. Euro erzielten. 2013 haben die Kunden das auszugleichen versucht, indem sie erst einmal das, was sie 2012 zu viel bestellt hatten, zum Einsatz brachten. Die Bestellungen sanken daher auf 426 Mill. Euro. Es wurde gemessen am Überschuss von 61 Mill. Euro dennoch das zweitbeste Jahr der Unternehmensgeschichte. Es waren aber keine “Normaljahre” – 2012 war zu positiv, 2013 vielleicht zu negativ. Wahrscheinlich pendelt sich das jetzt wieder ein.- Wird mehr bestellt, obwohl oder weil es die Krisenherde Mittlerer Osten und Ukraine gibt?In Russland läuft bislang alles nach Plan. Im Irak liegt der weitaus förderstärkere Teil im Süden, in den die Terrormiliz IS nicht vorgedrungen ist. Syrien ist kein großer Akteur im Markt, und die Unruhen in Libyen hat man im Markt eingepreist. So gesehen haben die Krisen keine Auswirkungen auf den aktuellen Bedarf.- Vorhin war bereits die Rede vom Dollarkurs. Wie stark beeinflussen Veränderungen der Wechselkurse das Ergebnis von SBO?Unsere Faustformel ist: 10 Cent Unterschied im Euro-Dollar-Verhältnis ergeben einen Unterschied im Vorsteuergewinn von 12 bis 15 Mill. Dollar. Das ist schon markant. Grundsätzlich ist ein fester Dollar positiv für SBO, denn wir tätigen fast 80 % der Umsätze in Dollar, aber nur etwa 45 % der Kosten. Im ersten Halbjahr hat sich der im Vergleich zum Vorjahr schwächere Dollar zum Beispiel mit 4 Mill. Euro im Vorsteuergewinn bemerkbar gemacht. Dieser lag bei 41,4 Mill. Euro nach 40,8 Mill. Euro. Dass der Euro-Dollar-Wechselkurs seit Mai von 1,39 auf unter 1,26 gefallen ist, hilft uns natürlich.- SBO hat die Steuerung des Unternehmens nach Regionen im zweiten Quartal geändert. Der Konzern weist nun zwei Segmente aus: High-Precision Components und Oilfield Equipment. Warum der Wechsel in der Systematik?Erstens bieten wir den Anlegern damit mehr Transparenz und eine marktnahe Berichterstattung. Zweitens berichten wir nun so, wie wir SBO mittlerweile steuern, nämlich nicht nach Regionen, sondern nach Divisionen. Ein Geschäftsbereich ist High-Precision Components, darunter fällt etwa die Fertigung von Präzisionsstrangteilen für die Richtbohrtechnologie. Der zweite Geschäftsbereich ist Oilfield Equipment, der unter anderem Non-Magnetic Drill Collars, Bohrmotoren, Spezialinstrumente für die Untertage-Zirkulationstechnologie sowie Service- und Reparaturarbeiten umfasst. Jeder der beiden Bereiche steht für etwa die Hälfte des Konzernumsatzes. Die Neueinteilung ist auch hinsichtlich der Kundenstandorte sinnvoll: Die Ansprechpartner für High-Precision Components sitzen vor allem in den Engineering-Büros in Houston, Singapur oder im niedersächsischen Celle, während die Klientel für Oilfield Equipment “nahe am Bohrloch” zu finden ist.- Welche Marktanteile hält SBO?Im Segment Non-Magnetic Drill Collars sind wir Weltmarktführer mit einem Anteil vor ungefähr 50 bis 60 %. Bei Präzisionsbohrstrangteilen sind wir ebenfalls die Nummer 1 mit etwa der Hälfte der Anteile. Klar führend sind wir auch bei Hochleistungs-Bohrmotoren mit rund 60 % und Spezialinstrumenten für die Untertage-Zirkulationstechnologie mit einer Quote zwischen 60 und 80 %.- Im ersten Halbjahr sanken die Erlöse von SBO im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 % auf 230 Mill. Euro, während das Nettoergebnis um 8 % auf 30 Mill. stieg. Wie ist Ihre Prognose fürs Gesamtjahr?Ausgehend von einem stabilen Umfeld rechnen wir insgesamt mit einem soliden Geschäftsjahr und Zahlen auf einem sehr guten Niveau.- Für ein Unternehmen mit zuletzt 459 Mill. Euro Umsatz und einer Marktkapitalisierung von rund 1,2 Mrd. Euro erscheint Ihre Konzernzentrale in Ternitz südlich von Wien recht bescheiden …Stimmt. Das kommt daher, dass wir sehr schlank aufgestellt sind. Unsere Holding steuert 18 operative Gesellschaften in neun Ländern mit weniger als einem Dutzend Mitarbeitern.—-Das Interview führte Martin Dunzendorfer.