PUSH-OUT SCORE

Eisiger Jahresbeginn für CEOs

Januar bringt überwiegend erzwungene Chefwechsel - Bittersüßer Abgang bei IBM - Unorthodoxer Abschied bei Match - Sonderbarer Abtritt bei Sysco

Eisiger Jahresbeginn für CEOs

IBM, Match und Sysco gehören zu den US-Unternehmen, die im Januar einen Führungswechsel angekündigt haben. Nicht jeder Topmanager geht ganz aus freien Stücken. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass zum Jahresanfang forcierte CEO-Wechsel vorherrschten.ds Frankfurt – Der Druck auf die CEOs in den USA lag im Januar auf einem deutlich erhöhten Niveau. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Forschungsdienstleisters Exechange*, der 303 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten mit dem Analysemodell Push-out Score (siehe Kasten) bewertet hat.Der CEO Push-out Index, der monatlich berechnet wird und den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Abgänge in den USA widerspiegelt, stieg von 5,5 im Dezember 2019 auf 6,1 im Januar 2020 (siehe Grafik). Damit lag er den zwölften Monat in Folge über dem kritischen Wert von 5. Indexwerte über 5 signalisieren, dass offenbar unfreiwillige CEO-Abgänge überwiegen. Es war ein eisiger Jahresbeginn für CEOs. Im Januar wurde das Barometer durch viele offensichtlich erzwungene Fluktuationen und Führungswechsel mit hohen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Abgänge bei Sysco, Match, Servicemaster, Albany, Blucora, Tenneco und Interface. Freiwillige Führungswechsel und Ereignisse mit niedrigen bis mittleren Push-out Scores hatten im Januar einen wesentlich geringeren Einfluss auf den Index, darunter die CEO-Wechsel bei IBM, Sensata, Acuity, Topbuild und Builders Firstsource.Mit einem Push-out Score von 5 liegt der CEO-Abgang bei IBM genau in der Mitte der Skala und sieht bittersüß aus. Wie am 30. Januar angekündigt, verlässt Virginia M. (Ginni) Rometty ihren Posten als CEO bei dem Computerhersteller zum 6. April. Rometty ist eine der prominentesten weiblichen Führungskräfte in der Unternehmenswelt, und oberflächlich betrachtet sieht vieles glatt aus. Erstens ist ihr Alter von 62 Jahren angemessen, zweitens ist die Vorlaufzeit von 67 Tagen ausreichend, drittens ist ihre Amtszeit als CEO von sieben Jahren und sechs Monaten (zum 6. April 2020) tadellos, und viertens erscheint die Nachfolge gut geordnet. Romettys Aufgaben als CEO werden von Arvind Krishna übernommen, der zuletzt als Senior Vice President für Cloud und kognitive Software bei IBM tätig war.Gleichzeitig leuchten fünf Warnlampen auf. Die Ankündigung folgt auf einen Verfall des IBM-Aktienkurses um 28% während Romettys Amtszeit, während der S&P 500 um 160% zulegte. Das ist Punkt 1 für den Push-out Score. Der Grund für den Führungswechsel ist nicht ganz klar. Punkt 2. Der Zeitpunkt ihres Schrittes überrascht. Rometty, die als IBM-Chairman, President und CEO eine enorme Machtfülle hat, soll zunächst als Executive Chairman fungieren und zum Ende des Jahres in den Ruhestand treten. James Whitehurst, Senior Vice President bei IBM und CEO von der kürzlich für 34 Mrd. Dollar übernommenen Red Hat, wurde zum IBM-President ernannt. Es ist das erste Mal, dass IBM eine Führungsstruktur mit CEO und separatem President haben wird.Die Umstände des Führungswechsels sind herausfordernd. Punkt 3. IBM hat mit der Umstellung auf Cloud Computing nur schwer Schritt halten können, obwohl Rometty versuchte, durch eine Reihe von Zukäufen und Verkäufen älterer IBM-Einheiten den Rückstand aufzuholen. Form und Sprache der Ankündigung liefern die Punkte 4 und 5. In der Ankündigung von IBM mit Sitz in Armonk, New York, würdigt das Unternehmen die Leistungen von Rometty in 270 Worten, doch die Entwicklung des Aktienkurses wird dabei nicht erwähnt. Überfälliger SchrittÜber den neuen CEO Krishna heißt es in der Meldung, dieser sei ideal, um IBM “in das nächste Kapitel der Ära Cloud und kognitive Software zu führen”. Die Erklärung lässt die Interpretation zu, dass der Board nach einem CEO mit anderen Fähigkeiten gesucht hat und dass Romettys Weggang überfällig sein könnte. Ihre beiden Vorgänger, Samuel J. Palmisano und Louis V. Gerstner Jr., sind beide mit 60 Jahren in den Ruhestand gegangen. Mit Krishnas Ernennung als IBM-Chef wächst die Liste von Top-Führungskräften indischer Herkunft, auf der schon Adobe-CEO Shantanu Narayen, Alphabet-CEO Sundar Pichai, MasterCard-CEO Ajay Banga und Microsoft-CEO Satya Nadella stehen. Fazit: Aktienkursperformance, Begründung, Umstände, Form der Ankündigung und Sprache in der Mitteilung lassen fünf rote Fahnen wehen.Mit einem Push-out Score von 7 liegt der CEO-Abgang bei Match im oberen Drittel der Skala und erscheint unorthodox. Wie am 28. Januar angekündigt, verlässt Amanda (Mandy) Ginsberg ihren Posten als CEO beim Anbieter von Dating-Produkten zum 1. März. Ginsbergs Aufgaben als CEO werden von Sharmistha (Shar) Dubey, derzeit President von Match, übernommen. Dubey war zuvor Chief Operating Officer von Tinder, der leistungsstärksten Einheit des Unternehmens. Tornado und OP sind zu vielDas Wall Street Journal berichtete zuvor unter Berufung auf eine interne Mitteilung, dass Ginsberg aufgrund von Herausforderungen in ihrem Privatleben zurücktrete. Ginsberg erklärte in der internen Mitteilung demnach, dass ihre Familie im Oktober nach einem Tornado aus ihrem Haus in Dallas vertrieben wurde und dass sie sich vor kurzem einer Operation unterzog. “Kurzfristig muss ich auf mich selbst aufpassen und werde mir deshalb dieses Jahr eine Auszeit nehmen, um genau das zu tun”, schrieb Ginsberg. Nach den Regeln des Analysemodells werden Aussagen außerhalb der offiziellen Unternehmensmitteilungen bei der Ermittlung des Push-out Scores generell nicht berücksichtigt.Unterdessen deutet die große Mehrheit der Datenpunkte darauf hin, dass Ginsberg unter starkem Abtrittsdruck stand. Ihr Alter ist mit 50 Jahren sehr niedrig, die Ankündigungsfrist von 33 Tagen ist kurz, und ihre Amtszeit als CEO von zwei Jahren und drei Monaten (zum 1. März 2020) ist sehr knapp. Das sind die ersten drei Punkte zum Push-out Score. Der Grund für den Führungswechsel ist nicht ganz transparent. Punkt 4. In der offiziellen Unternehmensankündigung nennt Match erstaunlicherweise explizit keinen Grund für den Managementwechsel. Die Umstände sind herausfordernd. Punkt 5. Ginsbergs Weggang kommt wenige Monate vor der geplanten Ausgliederung von Match aus dem Medien- und Internetkonzern IAC. Abschied ohne gute WünscheForm und Sprache der Ankündigung führen zu den Punkten 6 und 7. Es ist angesichts der gegebenen Umstände auffällig, dass Ginsberg in der Mitteilung von Match aus Dallas, Texas, zwar Lob und Dank erhält, aber kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche. In der offiziellen Meldung von Match schweigt Mandy Ginsberg. Fazit: Alter, Ankündigungsfrist, Amtszeit, offizieller Grund, Umstände, Form der Mitteilung und Sprache der Meldung hissen sieben rote Fahnen. Nur die starke Aktienkursentwicklung (plus 187% seit Dezember 2017) und der Nachfolgeplan verhinderten eine noch höhere Punktzahl.Mit einem Push-out Score von 10 liegt der CEO-Wechsel bei Sysco an der Spitze der Skala und wirkt sonderbar. Wie am 13. Januar angekündigt, ist Thomas L. (Tom) Bené zum 31. Januar als CEO des Lebensmittellieferspezialisten zurückgetreten. Es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass Bené unter höchstem Druck stand, seinen Chefposten zu räumen. Zunächst jedoch ein Blick auf die positive Seite. Erstens folgt die Ankündigung auf einen Aktienkursanstieg um 38% seit Januar 2018. Zweitens gibt es keine Anhaltspunkte, dass die Fundamentaldaten des Unternehmens nicht solide sind. Gespickt mit KritikZugleich müssen jedoch auch einem unbedarften Beobachter die vielen Warnsignale ins Auge stechen. Bené ist erst 57 Jahre alt, die Mitteilungsfrist ist 18 Tage kurz, und Benés Amtszeit als CEO ist mit zwei Jahren und einem Monat alles andere als üppig. Macht die ersten drei Punkte. Insbesondere lässt der offiziell genannte Grund für den Führungswechsel auf höchsten Stress schließen. Punkt 4. Denn Sysco erklärt: “Obwohl sich die Leistung von Sysco in den letzten Jahren stetig verbessert hat, ist der Board der Ansicht, dass die heute angekündigten Veränderungen in der Führungsspitze es dem Unternehmen ermöglichen werden, die Leistung zu beschleunigen, seine Größenvorteile voll auszuschöpfen und bedeutende operative Verbesserungen voranzutreiben.” Diese mit indirekter Kritik gespickte Erklärung lässt keine Zweifel daran zu, dass es der Board war, der den Führungswechsel betrieben hat.Zudem wirft die Nachfolgeregelung Fragen auf. Punkt 5. Benés Aufgaben als CEO werden von Kevin Hourican übernommen, der extern von CVS Health rekrutiert wird. Das stützt die These, dass der Board frisches Blut an der Spitze will. Form und Sprache der Mitteilung sorgen für die Punkte 6 und 7. In der Ankündigung von Sysco mit Sitz in Houston, Texas, erhält Tom Bené Lob, Dank und gute Wünsche, aber keine Anerkennung für konkrete und bezifferte Erfolge und kein Wort des Bedauerns. Die Kombination all dieser Warnsignale drängt den Schluss auf, dass Bené unter allerhöchstem Abgangsdruck stand, weshalb der Push-out Score auf volle 10 Punkte heraufgesetzt wird. *) Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Börsen-Zeitung und Exechange sind voneinander unabhängig. Die Inhalte dieser Seite basieren auf einer Studie von Exechange (exechange.com/news).