DAS CFO-INTERVIEW -- IM INTERVIEW: STEFAN LAND, ALL FOR ONE STEEB

Ende der Investitionen absehbar

Der CFO von All for One Steeb über neue Mittelfristziele, Strategieschwerpunkte und schwierige Zukäufe

Ende der Investitionen absehbar

– Herr Land, All for One Steeb hat kürzlich vorläufige Zahlen für das Geschäftsjahr 2017/18 vorgelegt. Wie fällt Ihre Bilanz in wenigen Worten aus?Das Jahr war herausfordernd, aber sehr gut. Es ist sehr viel Nachfrage am Markt da. Unser organisches Wachstum lag bei etwa 10 %, das ist für einen IT-Dienstleister stark.- Das operative Ergebnis ist weniger stark – um 3 % gestiegen. Worauf ist das zurückzuführen?Der Hauptgrund sind Investitionen in neue Produkte von SAP und Microsoft und die Ausweitung unserer Aktivitäten mit Produkten und Services für die Digitalisierung von Unternehmensbereichen. SAP hat das ERP-System S4/Hana auf ihrem neuen Hana-Datenbanksystem entwickelt. Das verkaufen wir seit einigen Quartalen und wenden Hana auch selbst an. Zusätzlich müssen wir unsere Stammkunden im Geschäftsbereich Core, in dem wir Kerngeschäftsprozesse betreuen, auf die Migration vorbereiten und alle Anwendungen, die wir für das System verkauft haben oder künftig verkaufen wollen, auch auf die S4-Plattform heben.- Und im zweiten Bereich?Im Geschäftsbereich Lines of Business wollen wir in der Digitalisierung der Fachbereiche, wie Personalwesen oder Vertrieb, unserer Kunden zulegen und investieren auch hier stark in den Aufbau der dafür benötigten Organisation.- Wie lange werden diese Investitionen das Ebit noch belasten?Ich gehe davon aus, dass wir das von heute an noch 12 bis 13 Monate lang spüren werden. Danach werden unsere hohen Investitionen vermehrt greifen, der Aufwand wird proportional sinken und die Margen wieder ansteigen.- In welchen Fachbereichen wollen Sie hauptsächlich wachsen?Wir gehen sehr stark in die Themen Personal sowie Vertrieb und Marketing. Also in Anwendungen für E-Recruiting, E-Commerce, Omnichannel-Vertrieb sowie Finance und Business Analytics. Und im Core-Segment arbeiten wir an neuen Themen wie Connectivity hin zum Internet of Things (IoT) und bauen Branchensysteme für S4/Hana um.- Wie sind Sie bisher im Bereich Vernetzung und IoT im Mittelstand aufgestellt?Bisher sind wir in dem Bereich nicht groß, haben allerdings Einblick in die Entwicklung solcher Systeme bei SAP. Für uns ist das aber Teil der strategischen Entwicklung, dass wir hier organisch und anorganisch deutlich zulegen wollen. Wir sehen unglaublichen Bedarf. Alle Daten einer Maschine müssen ja verarbeitet und in Form einer Anweisung oder Information an die Maschine oder einen Mitarbeiter zurückgespiegelt werden. Und sie muss immer ans ERP-System angeschlossen werden. An dieser Schaltstelle sitzen wir mit unserer gesamten Prozesskette. Das wollen wir nutzen, um an diesen vorgelagerten Einheiten das Geschäft auch mitzunehmen. Wir wollen diejenigen sein, die die IoT-Szenarien verarbeiten und digital durchleiten können. Vielleicht auch mit eigenen Frontends, auf denen die Daten dann beim Kunden ankommen.- Wie bekommt man als mittelständisches IT-Unternehmen einen Fuß in diese Türe, durch die gerade sämtliche IT-Konzerne drängen?Über Anwendungsszenarien, Referenzen und Partnerschaften. Wir arbeiten natürlich mit Partnern, alleine wären wir zu klein. Aber wir stoßen auch eigene Projekte an, begleiten sie und lernen so, was der Markt braucht und welche Strukturen wir dafür aufbauen müssen.- Bis wann soll aus dem Bereich Ergebnis kommen?Das dauert sicher noch zwei oder drei Jahre. Wir hoffen, dass wir das akquisitorisch unterstützen können. Organisch müssen wir Schritt für Schritt gehen. Wir haben Kunden im Kerngeschäft, die sich von Dritten IoT-Szenarien bauen ließen, weil wir noch nicht lieferfähig waren. Auf der anderen Seite fragen uns Kunden nach Szenarien und dann stellt sich heraus, dass der Kunde weit davon entfernt ist, dafür Budgets zu haben oder das zu kommerzialisieren. Aber es ist ohne Zweifel, dass unsere Kunden aus der Fertigung, aus dem Maschinenbau und der Automobilzulieferindustrie hier Bedarf haben.- Sind Sie an die Plattform Axoom von Trumpf angeschlossen? Das ist ja ein Versuch, IoT und Industrie 4.0 über Apps im Mittelstand einzuführen.Trumpf ist ein großer Kunde von uns, aber wir sind nicht auf der Plattform. Es kann sein, dass wir etwas Eigenes in Richtung Plattform machen. Aber noch beschäftigt uns die Frage, was der Mittelstand in diesem Zusammenhang überhaupt will und braucht. Wir sind uns daher auch noch nicht sicher, wie wir uns als All for One Steeb auf diesem Spielfeld positionieren werden.- In welchem Bereich ist der Mittelstand denn schon weiter als bei IoT-Szenarien?Wir sehen einen akuten, greifbaren Bedarf beim Thema Sicherheit. Daher bohren wir unsere Services auch dahingehend auf.- Woher kommt diese Nachfrage? Wurde das Thema bislang unterschätzt?Wichtiger Treiber ist die EU-Datenschutzgrundverordnung. Die Strafen werden höher, es gibt Betrugsfälle, die in den Medien bekannt werden und eine ganze Beratungsbranche hat sich darauf spezialisiert. Hinzu kommt: Die hybriden IT-Systeme, mit denen es IT-Verantwortliche in Firmen zu tun haben sind komplexer und anfälliger als früher. Es gibt eine Vielzahl von Angriffsmöglichkeiten. Die IT-Leiter sehen seit Jahren, dass die Zahl der Angriffe auf die Systeme steigt. Mit den öffentlich gewordenen Vorfällen kommt das auch in der Geschäftsleitung an, die sich dann Gedanken macht.- Sie haben sich bis 2022/23 nahezu eine Verdoppelung Ihrer Erlöse auf bis zu 600 Mill. Euro und einen Anstieg der Umsatzrendite von derzeit 6,2 % auf mehr als 7 % vorgenommen. Welchen Beitrag sollen die beiden Segmente jeweils dazu leisten?Lines of Business macht aktuell etwa 15 % unseres Geschäfts aus, mit unserer Wachstumsoffensive könnte sich diesen Anteil bis 2022/23 in Richtung 25 % erhöhen. Aber auch im Segment Core werden cloudbasierte Lösungen und Services eine große Rolle spielen. Ich bin für beide Segmente sehr zuversichtlich.- In welchen Bereichen neben Connectivity wollen Sie noch zukaufen?Wir haben unseren strategischen Fokus erweitert und zielen nicht mehr alleine auf ERP-Systeme ab. Auch nicht mehr auf klassische Managed Services. Wir glauben, dass Daten Hosting und die pure Rechenleistung, um Daten zu verarbeiten, künftig viel stärker in Datenzentren von Hyperscalern zu finden sein werden. Deshalb sind wir mit unseren Managed Cloud Services vermehrt auf der Amazon- und der Microsoft Cloud und orchestrieren die gesamte IT-Landschaft, nicht nur ERP.- Was heißt das für Ihre M&A- Strategie?Für unsere Zukäufe heißt das: wir zielen stark auf die Digitalisierung, besonders in den Fachbereichen. Wenn ein Unternehmen schon ein ERP hat – warum sollten dann Personal oder Marketing und Vertrieb noch herkömmlich arbeiten? Wir haben mit dem österreichischen Cloud-Spezialisten B4B vor 1,5 Jahren einen tollen Nukleus zugekauft. Mittlerweile arbeiten dort fast 100 Mitarbeiter. Beim Kauf waren es 15. Der Umsatz und die Projekte entwickeln sich gut. Bei einem guten Target muss das ähnlich sein: Ein gut aufgebautes Unternehmen mit einer agilen Organisationsstruktur und der Lust, mit uns gemeinsam an diesen Themen so zu arbeiten, dass für unsere Kunden ein deutlicher Mehrwert entsteht.- Aber was muss ich denn inhaltlich bieten, damit Sie mein Unternehmen kaufen wollen?Sie müssten zum Beispiel Partner der SAP für C4/Hana oder SAP Success Factors werden wollen. Dann würden Sie weitere Berater einstellen, die IT-Projekte durchführen und Cloud-Mietverträge mit Kunden abschließen, wenn jemand im Bereich Customer Relationship Management Systeme oder im Personalbereich eine Einführung will. Solche Unternehmen gibt es, die sind aber nicht sehr groß, weil sie erst in den letzten Jahren entstanden sind.- Warum ist es schwierig, eine dieser Firmen zu übernehmen?Diese Firmen sind noch rar und unheimlich gefragt, wenn sie gut sind. Wir konzentrieren uns zudem auf richtig gut aufgestellte Unternehmen, keine Sanierungsfälle. Und wir suchen fokussierte Unternehmen ohne ein zu breites Portfolio. Das schränkt den Kreis weiter ein.- Inwiefern treffen Sie der Brexit oder die globalen Handelsstreitigkeiten?Unsere Kunden sind in der Regel international aufgestellt und verkaufen weltweit, daher schlägt sich jede Krise irgendwann auf uns durch. Wenn auch erst in der zweiten oder dritten Reihe. Allerdings haben unsere Kunden meist eine sehr gute Eigenkapitalausstattung und erzielen vergleichsweise hohe Gewinnmargen. Wir haben kaum Kunden aus dem Handel, wo das tendenziell anders ist. Das senkt das Risiko, macht uns aber nicht immun.- Halten sich Ihre Kunden schon mit Investitionen zurück?Ich kenne nur vereinzelte Beispiele von Interessenten, die sich in den vergangenen Wochen für Software entscheiden wollten und diese Entscheidung jetzt vor sich her schieben, weil es erste Anzeichen von Nachfragerückgängen aus der Autoindustrie oder aus den USA gibt.- Was heißt das für Ihren Ausblick auf das neue Geschäftsjahr?Grundsätzlich glaube ich, dass wir immer organisch wachsen können. Wir haben kein Problem, dass der Markt zu klein ist. Gute Mitarbeiter zu finden und zu entwickeln hingegen bleibt weiter anspruchsvoll. Wir werden immer das Management des Wachstums als Herausforderung haben.- Sie stehen also vor einem weiteren Übergangsjahr mit entsprechendem Ergebnisverlauf?Das Ende unserer hohen Investitionen wird absehbar. Auch der Investitionen in unsere eigene Transformation. 2018/19 werden sich einmalige Softwarelizenzumsätze vermehrt zu wiederkehrenden Cloud-Umsätzen verschieben. Daher rechnen wir mit Erlösen von 345 bis 355 Mill. Euro. Beim Ebit rechnen wir einmalig mit Sonderbelastungen im mittleren einstelligen Millionenbereich. Ohne diese Effekte erwarten wir ein operatives Ergebnis von 21 bis 22 Mill. Euro nach nun 20,6 Mill. Euro. Ab 2019/20 soll dann auch die Ebit-Marge wieder steigen.—-Das Interview führte Isabel Gomez.