Enel zeigt sich als Krisengewinner
Der Stromversorger Enel baut seine Kapazitäten im Bereich erneuerbare Energien aus und schließt Kohlekraftwerke. Das teuerste Unternehmen Italiens dürfte stark vom European Recovery Program profitieren. Die nach Ansicht vieler Analysten guten Perspektiven spiegeln sich im Börsenkurs wider. bl Mailand – Der italienische Stromversorger Enel gehört derzeit zu den Gewinnern der Coronavirus-Pandemie. Der Aktienkurs des mit einem Börsenwert von 76 Mrd. Euro wertvollsten italienischen Unternehmens ist seit dem Tief von 5,15 Euro am 12. März um fast die Hälfte auf 7,55 Euro gestiegen. Mehr als drei Viertel der Analysten, die den Wert beobachten, empfehlen einen Kauf, nur einer von 30 rät zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 7,77 Euro.Enel dürfte von der im Rahmen des European Recovery Program geplanten beschleunigten Umstellung auf erneuerbare Energien profitieren und hat kürzlich den Umbau von Kohlekraftwerken im italienischen Brindisi und in Chile angekündigt. Für Fantasie sorgt auch die 50-prozentige Beteiligung am Festnetzanbieter Open Fiber. Enel bestätigte, kürzlich ein “nicht bindendes Angebot” dafür von Macquarie erhalten zu haben, und erwartet weitere Nachrichten. Beobachter glauben, dass eine Veräußerung der gesamten Beteiligung oder eines Teils davon und eine Zusammenlegung von Open Fiber mit dem Festnetzgeschäft von Telecom Italia nur eine Frage der Zeit ist. Macquarie taxiert den Wert der Beteiligung auf bis zu 3,5 Mrd. Euro.In der Coronavirus-Pandemie beschleunigte der zu 23,6 % staatliche Stromversorger seine Transformation. Zum Ende des ersten Quartals übertraf die installierte Kapazität aus erneuerbaren Energiequellen erstmals die 50 %. Während die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien um 12 % wuchs, ging die Produktion aus fossilen Energieträgern drastisch zurück, die aus Kohlekraftwerken brach um 80 % ein. Der Anteil der Produktion aus erneuerbaren Energiequellen wie Wasser, Wind, Sonne und Erdwärme stieg gegenüber 2019 von 53 auf 65 %.CEO Francesco Starace, dessen Mandat die Regierung gerade um drei Jahre erneuert hat, setzt auf Projekte mit einem Realisierungshorizont von maximal drei Jahren und ist der Ansicht, dass Kohlekraftwerke, große Wasserkraftprojekte und teilweise auch gasbetriebene Anlagen keine Zukunft haben. Ende 2019 hat Enel Abschreibungen von 4 Mrd. Euro für Kohlekraftwerke vorgenommen. Gerade wurde die Schließung bzw. der Umbau großer Kohlekraftwerke im süditalienischen Brindisi und in Chile bekannt gegeben. Starace will die Transformation des mit 74 Millionen Kunden weltweit größten privaten Produzenten erneuerbarer Energien beschleunigen. Nach bisherigen Plänen soll die installierte Kapazität aus erneuerbaren Energiequellen von derzeit 46 Gigawatt bis 2022 auf 60 Gigawatt steigen.Auch beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos drückt Enel auf die Tube und hat ein Abkommen mit Allego, Bosch und Innogy geschlossen. Insgesamt verfügt die Tochter Enel X über 100 000 Ladepunkte. Und auch bei der Digitalisierung wird das Tempo erhöht: Die technologische Partnerschaft mit Cisco wurde ausgeweitet.Der Umsatz ist zwar im ersten Quartal wegen des niedrigeren Energieverbrauchs in der Wirtschaft um 12,2 % auf 19,9 Mrd. Euro gesunken. Doch der Betriebsgewinn (Ebitda) stieg um 6,4 % auf 4,7 Mrd. Euro, und unter dem Strich stand ein Gewinn von 1,3 Mrd. Euro (plus 11 %). CFO Alberto De Paolo sprach von einem “begrenzten Effekt von Covid-19”, der “beherrschbar” sei. Die Liquidität war mit 25,9 Mrd. Euro hoch. An der Pay-out-Quote von 70 % soll festgehalten werden. Und die Refinanzierungskosten für neue Anleihen sind trotz der hohen Verschuldung von 47 Mrd. Euro gesunken.