Entwurf verstößt gegen Europarecht
hei Frankfurt
– Die in der Novelle zum Telekommunikationsgesetz (TKG) vorgesehene Vorfestlegung auf das Auktionsverfahren bei der Vergabe von knappem Frequenzspektrum widerspricht europarechtlichen Vorgaben. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten von Christian Koenig, Direktor am europäischen Zentrum für Integrationsforschung der Universität Bonn, das der Börsen-Zeitung vorliegt. Koenig bemängelt, dass der Gesetzentwurf, der am Mittwoch in Berlin von Vertretern der Bundesministerien für Wirtschaft, Justiz und Bau diskutiert werden soll, um ihn in eine „konsensfähige Fassung“ zu bringen, die Spielräume der Bundesnetzagentur (BNetzA) bei der Festlegung des Vergabeverfahrens zu sehr einengt und so unvereinbar mit Europarecht ist.
Demgegenüber sehe der Europäische Kodex für Elektronische Kommunikation (EECC), den die Bundesregierung in nationales Recht überführen muss, explizit vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden künftig weite Spielräume zur richtigen Verfahrenswahl bekommen sollen. Sie sollen „bei frequenzregulatorischen Entscheidungen verstärkt auf Investitionsaspekte und Planungssicherheit achten können“, so Koenig. Die TKG-Novelle, wie sie der bisherige Entwurf vorsieht, laufe „aufgrund der gesetzlichen Vorprägung zugunsten der Versteigerung im §9 Abs. 2 TKG-E (…) fast automatisch auf eine Auktion hinaus“.
Aus der Sicht von Koenig birgt die europarechtswidrige Ausgestaltung der Frequenzregulierung erhebliche Risiken. Der Europäische Gerichtshof könnte das deutsche Gesetz entweder nach einem Vertragsverletzungsverfahren verwerfen oder aber durch ein „Auslegungsurteil zum EECC nach einer Vorlage durch ein deutsches Gericht eine Diskrepanz zwischen dem TKG und dem EECC feststellen“. In diesem Falle wären bei neuerlichen Frequenzvergabeverfahren durch die BNetzA jahrelange Rechtsunsicherheiten programmiert.
66 Mrd. Euro hingeblättert
Die Telekomnetzbetreiber laufen hierzulande seit langem Sturm gegen die Auktion von Mobilfunklizenzen, die regelmäßig zu Entgelten in Milliardenhöhe führt. Diese Mittel fehlten hinterher beim Netzausbau, argumentiert die Branche, die vorrechnet, in den vergangenen 20 Jahren rund 66 Mrd. Euro für den Lizenzerwerb von knappen Frequenzen hingeblättert zu haben. Dagegen vertreten Bundesregierung und Bundesnetzagentur die Auffassung, dass eine Auktion für eine effiziente Frequenzallokation bei den einzelnen Netzbetreibern das Mittel der Wahl sei. Dies folgt der gängigen ökonomischen Theorie. Jedoch steht der Bund spätestens seit der UMTS-Auktion im Jahr 2000, als die Unternehmen in Summe 50 Mrd. Euro für die Lizenzen aufboten, im Verdacht, vor allem die Staatskasse füllen zu wollen.
Das Geld für die UMTS-Lizenzen konnte von den Unternehmen nie zurückverdient werden, weil es an geeigneten Anwendungen für den Mobilfunkstandard fehlte. Erst der Folgestandard LTE ermöglichte breitbandige Anwendungen wie Musik- und Videostreaming über Mobilfunk. In anderen europäischen Ländern ist das Bild gemischt. Viele, darunter Großbritannien, die Niederlande und Österreich sowie Italien, setzten bisher ebenfalls auf Auktionen. In Frankreich etwa wurden dagegen die Lizenzen nach „Beauty Contest“ vergeben, gegen bestimmte Ausbau-Auflagen.