IM GESPRÄCH: HANS VESTBERG

Ericsson setzt auf Software

Konzernchef verordnet Sparprogramm und weckt Hoffnung auf Margenanstieg - Akquisitionen in "ausgewählten Bereichen"

Ericsson setzt auf Software

Ericsson krempelt das Kerngeschäft um. Bis 2017 will der Konzern 9 Mrd. skr. einsparen, bis 2020 sollen die Erlöse zu drei Vierteln aus Software und Services kommen. Auch die Kunden sollen andere sein, ein Viertel der Konzernerlöse soll aus Branchen jenseits der Telekommunikation kommen.Von Heidi Rohde, zzt. StockholmDer schwedische Ericsson-Konzern durchläuft nach den Worten von Konzernchef Hans Vestberg gegenwärtig einen zehnjährigen Transformationsprozess, in dessen Folge sich der Umsatzmix deutlich verändern wird. “2020 kommt der Umsatz zu drei Vierteln aus Software und Services”, sagte Vestberg im Gespräch mit der Börsen-Zeitung am Rande des Kapitalmarkttages in Stockholm.Dies werde Auswirkungen auf Mitarbeiter, Kostenbasis und Profitabilität haben. Damit weckt der Manager, der seit 2010 an der Spitze des weltgrößten Netzwerkausrüsters steht, die Hoffnung auf steigende Margen, die im Softwaregeschäft generell höher sind als bei Hardware. Die für die Branche als wichtige Kennziffer geltende Rohmarge hatte sich zuletzt graduell erhöht. Im dritten Quartal lag sie bei 35,2 % gegenüber einem Tief von 30,2 %, das Ende 2011 markiert worden war.Vestberg wollte sich nicht darauf festlegen, wie viel von den angekündigten Kostensenkungen von 9 Mrd. skr. (975 Mill. Euro) im nächsten Jahr eingespart und wie viele Mitarbeiter betroffen sein werden. “Es ist ein langfristiges Einsparungsprogramm. In manchen Bereichen haben wir bereits begonnen, indem wir zum Beispiel entschieden haben, die Modem-Sparte zu schließen. Dort fallen Stellen weg, aber solche Prozesse sind normal in einem Konzern, der in einem sich schnell wandelnden Wettbewerbsumfeld tätig ist.” Ericsson hat aktuell 117 000 Beschäftigte und hatte vor allem Zusammenhang mit dem Ausstieg aus den Joint Ventures SonyEricsson und St-Ericsson erhebliche Umwälzungen zu verkraften. Demgegenüber sei eine Normalisierung zu erwarten. Zuletzt hatte der Konzern vor zwei Jahren angekündigt, 10 % der Stellen in Schweden zu streichen. Die 9 Mrd. skr. Kosten sollen je etwa zur Hälfte im betrieblichen Aufwand und bei den Vertriebskosten herausgenommen werden. Der Ersparnis stehen Restrukturierungsaufwendungen von 3 Mrd. bis 4 Mrd. skr gegenüber. Noch nicht zufriedenDas Management sei aktuell “noch nicht zufrieden mit dem Wachstum und der Ertragskraft”, wie Finanzchef Jan Frykhammar vor Analysten und Investoren sagte. Ericsson wolle stärker wachsen als der Markt, dessen durchschnittliche jährliche Expansion von 2014 bis 2017 bei 3 bis 5 % liegen dürfte. In der Vergangenheit wurde dieses Ziel verfehlt. Das Unternehmen legte von 2010 bis 2013 jeweils rund 4 % p. a. zu, und entwickelte sich so mit dem Markt. Vestberg unterstrich allerdings “unsere erhebliche Exposure im Dollar-Markt”, bereinigt um Akquisitionen und Währungseffekte habe Ericsson ein Wachstum von 7 % in dieser Zeit erreicht. Die Schweden erzielten zuletzt rund 43 % ihrer Erlöse in Dollar und lediglich 19 % im Euroraum.Für die Zukunft rechnet Vestberg vor allem mit Impulsen in ausgewählten neuen Geschäftsfeldern, die eine deutlich höhere Dynamik aufwiesen – jährlich 10 % im Gesamtmarkt. Hier sei Ericsson “sehr gut positioniert”. Zu diesen ausgewählten Bereichen zählt Vestberg vor allem Media and Broadcasting, öffentliche Sicherheit, Transportwesen, Versorger sowie nicht zuletzt die Monetarisierung von Patenten. Bei Letzteren ist Ericsson vorangekommen. 2013 gelang hier ein Erlössprung auf 10,6 (6,6) Mrd. skr. als Folge des Patentabkommens mit Samsung.Der Ausbau der neuen Geschäftsfelder soll auch mit Akquisitionen vonstattengehen. “Während wir zuvor akquiriert haben, um unser Kerngeschäft zu stärken, haben wir in den letzten fünf Jahren primär ausgewählte Bereiche gestärkt, wo wir in Zukunft besonders gute Perspektiven sehen”, erläuterte der Konzernchef. Dort “dürften sich auch in Zukunft die meisten Zukäufe abspielen”. Vestberg will im Falle von Veränderungen im Wettbewerbsumfeld andere Akquisitionen jedoch nicht ausschließen. “Unter meiner Führung haben wir Nortel gekauft, nicht weil wir die Technologie brauchten, sondern weil wir uns deren Kundenbasis in Nordamerika sichern wollten, damit sie niemand sonst bekommt.” Er glaube zwar nicht, dass es dazu komme, aber “ich kann nicht ausschließen, dass wir handeln, wenn andernfalls die führende Position von Ericsson in unserem Kerngeschäft mit mobiler Infrastruktur gefährdet wäre”. Das Unternehmen hatte im Kampf um Nortel den Konkurrenten NSN aus dem Rennen geworfen. Der Umsatzanteil von Nordamerika stieg unterdessen von 9 % im Jahr 2008 auf 28 % im vergangenen Jahr. Starke KonkurrenzVestberg unterstrich, dass der Konzern sich auf ein “dramatisch verändertes Wettbewerbsumfeld” einstellen müsse. Die Telekomausrüster habe seit 2008 eine Konsolidierungswelle erfasst, so dass von damals rund zehn Wettbewerbern in der Branche nur noch etwa fünf übrig seien. Dafür sei die Konkurrenz von sogenannten ICT-Playern, also Anbietern von Software und Services in den Geschäftsfeldern von Ericsson, dramatisch gewachsen. Der CEO geht deshalb davon aus, dass sich das Unternehmen selbst ebenfalls neue Umsätze erschließen muss, die auch primär von ganz neuen Kundengruppen kommen sollen.”2020 wird ein Viertel unserer Umsätze von Kunden von außerhalb der Telekomindustrie kommen”, avisiert der Manager. Dies dürfte für das angestrebte Wachstum unabdingbar sein, denn die Kernklientel steht in wichtigen Regionen wie den USA oder Europa bei Investitionen derzeit auf der Bremse. Vestberg hob dennoch die Bedeutung des europäischen Marktes hervor, wo Ericsson den vergangenen Jahren erheblich in die Steigerung ihres Marktanteils investiert hat. “Europa ist die Region mit der höchsten Smartphone-Penetration, das erfordert den Ausbau der Netze und davon wollen wir profitieren.”