Ericsson steckt im Korruptionssumpf fest
hei Frankfurt
– Der schwedische Netzwerkausrüster Ericsson hat Vergehen gegen die eigenen Geschäftsgrundsätze und mögliche Schmiergeldzahlungen im Irak eingestanden. „Ungewöhnliche Zahlungen“ zurück bis zum Jahr 2018 hätten eine interne Untersuchung ausgelöst, die Bedenken hinsichtlich der Führung der Geschäfte im Irak hervorgebracht hätten, teilte das Unternehmen in Stockholm mit. Konzernchef Börje Ekholm, der den Konzern seit Mitte 2017 als Nachfolger des damals geschassten Hans Vestberg führt, sagte im Interview mit der „Dagens Industri“, die genauen Adressaten der Zahlungen seien noch nicht ermittelt, es liege aber der Verdacht nahe, dass Zahlungen an die Terrororganisation IS geflossen seien. An der Stockholmer Börse brach die Ericsson-B-Aktie in Reaktion auf die Nachricht um mehr als 13% ein
Bei den Untersuchungen, die die Jahre 2011 bis 2019 umfasst hätten, seien Hinweise auf mögliche Korruption gefunden worden, wie Geldanweisungen ohne bekannten Empfänger und Zahlungen an einen Lieferanten ohne klar umrissenen Umfang der Leistungen. Auch seien offenbar Zahlungen an Mittelsmänner geflossen und alternative Transportrouten gewählt worden, etwa um den irakischen Zoll zu umgehen. Die Routen sollen zu der Zeit von terroristischen Organisationen wie dem Islamischen Staat (IS) kontrolliert worden sein, hieß es vom Konzern weiter. Ferner wurden auch Transaktionen und Zahlungen aufgedeckt, die ein potenzielles Geldwäscherisiko darstellten.
Mitarbeiter suspendiert
Als Reaktion auf die Untersuchungen seien mehrere Mitarbeiter entlassen sowie Disziplinarverfahren angeordnet worden. Auch seien Geschäftsbeziehungen mit bisherigen Partnern aufgelöst worden. Hinweise auf eine direkte Finanzierung des Terrornetzwerkes durch Ericsson-Mitarbeiter hatten die Ermittlungen dem Konzern zufolge nicht ergeben.
Der erneute Korruptionsfall trifft den Netzwerkausrüster hart. Denn das Unternehmen hatte erst 2019 eine Strafe der SEC über 1 Mrd. Dollar wegen der Zahlung von Bestechungsgeldern in einer Reihe von Ländern, darunter China, Vietnam und Kuwait, kassiert. Ericsson leistete damals auch Kompensationszahlungen an den Rivalen Nokia. Neben direkt geflossenen Bestechungsgeldern zur Gewinnung von Aufträgen der öffentlichen Hand waren auch „Beraterfirmen“ in den Skandal verwickelt, die beauftragt wurden, entsprechende „außerbilanzielle“ Finanztöpfe zu kreieren. Im Zuge der Aufarbeitung des Korruptionssumpfs hatte Ericsson einer dreijährigen Beaufsichtigung durch einen unabhängigen Berater zugestimmt.
Insgesamt hat die Zahl der vom US-Justizministerium sanktionierten Fälle in den letzten Jahren abgenommen, allerdings hat die Höhe der Strafzahlungen 2020 einen Spitzenwert erreicht. Die Aufdeckung unlauterer Geschäftspraktiken kommt für Ericsson zu einem Zeitpunkt, an dem sich eine nachlassende Nachfrage nach 5G-Netztechnik abzeichnet. Nachdem der Übergang von 4G zu 5G der Branche einen mehrjährigen Wachstumsschub beschert hatte, gehen Analysten mittlerweile davon aus, dass vor allem für Ericsson die Party vorbei ist. Denn die Schweden hatten mehr als die Rivalen Nokia und Huawei vom 5G-Boom profitiert. Huawei wurde aus politischen Gründen ausgebremst, Nokia durch eigenen Versäumnisse.
Ericsson hatte unter der Führung von Ekholm eine Rosskur durchlaufen. Insbesondere das mit hohen Verlustrisiken operierende Service-Geschäft wurde gründlich ausgemistet und die Strategie auf den Kernbereich Netztechnik ausgerichtet. Nachdem die erheblichen Restrukturierungslasten und auch fällige Strafzahlungen verdaut waren, kehrte Ericsson 2020 in die Gewinnzone zurück. Im vergangenen Jahr gelang dem Unternehmen trotz Marktanteilseinbußen in China unterm Strich ein satter Gewinnsprung um mehr als 40%. Auch der freie Mittelzufluss schnellte in die Höhe, so dass den Aktionären eine um ein Viertel höhere Dividende winkt. Ins laufende Jahr war der Konzern voller Optimismus gestartet. Dieser dürfte nun merklich gedämpft sein.