Einzelhandel

Ernüchterung in der Baumarktbranche

Nach der Sonderkonjunktur durch die Corona-Pandemie bzw. die staatlichen Quarantänemaßnahmen, die für einen Boom an Reparatur- und Verschönerungsarbeiten sorgten und so den Baumärkten die Kassen füllten, stellt sich nun bei Hornbach, Kingfisher und anderen Unternehmen der Branche zunehmend Ernüchterung ein.

Ernüchterung in der Baumarktbranche

Ernüchterung in der Baumarktbranche

Gewinnwarnung von Kingfisher – Aktie bricht um 12 Prozent ein – Verbrauchervertrauen schwindet – Hornbach nach Senkung der Jahresziele unter Druck

md Frankfurt

Baumarktbetreiber haben in der Zeit der Corona-Pandemie zu den wirtschaftlichen Gewinnern gehört. Staatliche Quarantänemaßnahmen wie Kontakt- und Reisebeschränkungen, Ausgangssperren sowie Beherbergungsverbote führten dazu, dass Menschen viel mehr Zeit zu Hause verbrachten als unter normalen Umständen. Diesen „Hausarrest“ nutzten viele zur Verbesserung und Verschönerung ihres Heims bzw. ihres Gartens. Es wurden Farben gekauft, Spachtelmasse, Werkzeuge oder Gartenmöbel. Diese Sonderkonjunktur ist längst vorüber. Inzwischen belasten steigende Lebenshaltungskosten – vor allem für Energie und Lebensmittel – die Konsumenten. Als Folge geht in einigen Baumarktketten die Zahl der Kunden zurück, Umsatz und Ergebnisse sind branchenweit auf dem Rückzug.

Nummer 1 in Europa

Am Dienstag senkte Kingfisher, Europas größter Baumarktbetreiber, die Ergebnisprognose. Der Inhaber der in Großbritannien verbreiteten Kette B&Q und der in Frankreich angesiedelten Castorama-Märkte geht nun von einem Vorsteuergewinn im Geschäftsjahr2023/24 (31. Januar) von etwa 590 Mill. Pfund (684 Mill. Euro) aus; zuvor waren rund 634 Mill. Pfund angepeilt worden.

Nach Angaben von Kingfisher sanken die flächenbereinigten Umsätze im ersten Halbjahr im wichtigen Auslandsmarkt Polen um 10,9% und in Frankreich um 3,8%. Die vergleichbaren Verkäufe im Vereinigten Königreich und in Irland stiegen dagegen leicht um 1,7%, obwohl Hausbesitzer mit höheren Hypothekenzinsen zu kämpfen haben.

Wie das Unternehmen, zu dem auch die in Deutschland vertretene Kette Screwfix gehört – die sich an professionelle Bauunternehmer richtet –, mitteilte, habe eine Kombination aus „saisonbedingtem Wetter und anhaltenden makroökonomischen Herausforderungen“ die Leistung im ersten Halbjahr beeinträchtigt.

SDax-Wert auf Zwölfmonatstief

Die Kingfisher-Aktie lag an der Londoner Börse kurz vor Handelsschluss 12% schwächer bei 207 Pence. Der enttäuschende Quartalsbericht und der eingetrübte Ausblick von Kingfisher sowie die Kursschwäche zogen in Deutschland die Papiere von Hornbach weiter abwärts. Die Holding-Aktie fiel in der Spitze auf 60,25 Euro und schloss mit 60,45 Euro; ein Minus von 4,1% und der tiefste Stand seit einem Jahr. Schon an den vergangenen Tagen hatte der SDax-Wert stark verloren; am Montag voriger Woche kostete die Aktie noch fast 71 Euro. Auslöser der jüngsten Schwäche waren die Bekanntgabe vorläufiger Eckdaten für das zweite Quartal (31. August) und die Senkung der Jahresziele am letzten Freitag.

"Aussichten deutlich eingetrübt"

Hornbach hatte mitgeteilt, dass sich die makroökonomischen Aussichten für Deutschland und die EU mit einer höheren Inflation als erwartet und steigenden Zinssätzen sowie einer anhaltend schwachen Konsumstimmung deutlich eingetrübt hätten. Eine weitere Erholung der Umsatz- und Ertragskennzahlen in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres werde damit zunehmend unwahrscheinlicher. Die Holding erwarte nunmehr für 2023/24 (29. Februar) einen Nettoumsatz auf oder leicht unter dem Niveau des Vorjahres (zuvor: in etwa auf dem Niveau des Vorjahres). Das um nicht operative Effekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) werde voraussichtlich um 10% bis 25% (vorher: 5 bis 15%) unter das Niveau von 2022/23 sinken (290,1 Mill. Euro).

Nach vorläufigen Zahlen liege der Nettoumsatz der Hornbach Holding, deren bei weitem wichtigster Teilkonzern die Baumarktkette ist, im ersten Geschäftshalbjahr nahezu auf dem Vorjahresniveau, wohingegen das bereinigte Ebit im Jahresvergleich um ein Fünftel auf 221 Mill. Euro eingebrochen sei.

Von den sechs größten Baumarktketten in Deutschland ist einzig die Nummer 3, Hornbach, börsennotiert.

Verstärkt wurde der Abwärtstrend gestern durch vorsichtigere Analystenkommentare. Ludovic Allegre, Analyst von Kepler Cheuvreux, senkte sein Anlagevotum von „Kaufen“ auf „Halten“ und das Kursziel von 85 auf 70 Euro. Das Risiko weiterer Kursverluste sei begrenzt, schrieb er. Nach dem Ende der Corona-Pandemie sei er von einer Rückkehr zur Normalität ausgegangen. Die Gewinnwarnung habe ihn überrascht. Gemäß Allegre waren in den vorherigen Zielen des Konzerns bereits die herausfordernde Vergleichsbasis aus dem Vorjahr und die ungünstige Witterung bis in den Frühling hinein berücksichtigt gewesen. Was er nicht in Betracht gezogen habe, sei ein weiterer Rückgang des Verbrauchervertrauens in Europa und vor allem Deutschland.

Kursziele oberhalb

Benjamin Thielmann, Analyst von Berenberg, bestätigte seine Empfehlung „Halten“, senkte jedoch das Kursziel von 90 auf 69 Euro. Zumindest teilweise dürfte die jüngste Gewinnwarnung zuvor im Aktienkurs enthalten gewesen sein, schrieb er, ebenso ein vorsichtiger Ausblick auf die nächsten zwölf Monate. Im eingetrübten Bau- und Konsumumfeld wird Hornbach Thielmann zufolge die Preissteigerungen wohl nicht einfach auf die Kunden abwälzen, da man den Marktanteil zumindest halten oder sogar ausbauen will.

Nach Hornbach, der Nummer 3 unter den Baumarktbetreibern in Deutschland, hat nun auch der europäische Branchenprimus Kingfisher den Ausblick auf das Geschäftsjahr gesenkt. Anhaltende makroökonomische Herausforderungen und schwindendes Verbrauchervertrauen belasten das Geschäft.

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