„Erst das macht digitale Souveränität aus“
Herr Müller, die Idee einer Cloud, die unabhängig ist von den großen Hyperscalern in Ost und West, hatten schon andere – und sind gescheitert. Warum werden Sie mit Stackit Erfolg haben?
Wir nutzen die Technologie, die wir nun vermarkten wollen, auch selbst. Wir haben uns 2018 dazu entschieden, unsere IT cloudbasiert umzubauen, weil nahezu alle Software, die für die Zukunft entwickelt wird, als Software as a Service auf der Cloud aufsetzt. Damals standen Anbieter aus den USA oder auch aus China zur Wahl. Wir wollten aber den deutschen Weg gehen, nur gab es keinen. Alle bestehenden Cloud-Lösungen wiesen Abhängigkeiten von den USA und auch von China auf, zum Beispiel durch die Nutzung von Huawei-Produkten. Wir wollen als Unternehmen möglichst unabhängig sein – unabhängig von Lieferanten, aber auch von externer Technikkompetenz.
Und das sind Sie mit Stackit?
Es geht für uns dabei um drei Themen: erstens, die Datensouveränität, die auch in der regionalen Lokalisierung der Rechenzentren zum Ausdruck kommt; zweitens, prozessuale Souveränität, also: Wo findet die Verarbeitung der Daten statt, wo liegt die Intelligenz? Und drittens, um die Softwareentwicklung sowie um die Verfügbarkeit von Entwicklern und Administratoren, auf die man im Störungsfall zurückgreift. Erst das macht digitale Souveränität aus, und die bieten wir bei Stackit.
Aber Sie müssen auch Hardware nutzen, welchen Partner haben Sie da?
Bei der Hardware gibt es derzeit keine europäische Alternative. Wir arbeiten mit namhaften amerikanischen Hardware-Anbietern zusammen, aktuell mit HP.
Unterscheiden Sie sich auch über das Leistungspaket, das Sie bieten, vom Wettbewerb?
Wir unterscheiden uns vor allem dadurch, dass wir unsere selbstentwickelten Produkte auch nutzen und sie nicht nur extern vermarkten, das ist ein ganz anderer Ansatz. Dabei haben wir von Beginn an eine Reihe von Referenzkunden mitgenommen, die auch die Entwicklungsphase begleitet haben. Ein Beispiel ist HDT als Anbieter von Gesundheitsdaten.
Welche Services bieten Sie an?
Wir bilden bewusst nicht das komplette Portfolio eines Hyperscalers ab. Es werden nur Produkte und Services angeboten, die auch wirklich benötigt werden. Das Portfolio ist bewusst aufs Wesentliche fokussiert, aber es wächst, wenn entsprechender Bedarf besteht. Elemente wie die Datenanalyse auf Basis künstlicher Intelligenz und entsprechende Anwendungen klammern wir aus.
Welche Rolle spielen denn Preisfragen, um im Wettbewerb zu punkten?
Wir richten unsere Preisgestaltung an den Bedürfnissen des Mittelstands aus. Dabei legen wir größten Wert auf die Optimierung der Entwicklungs- und Prozesskosten, weil wir die Cloud eben auch selbst nutzen. Der Preis unseres Angebots ist sehr wettbewerbsfähig. Ich würde sagen, dass wir uns auf dem Niveau der Hyperscaler bewegen oder sogar etwas darunter.
Gibt es schon neue Pilotkunden, die Sie erschlossen haben, nachdem Sie die offizielle Vermarktung von Stackit beschlossen haben?
Wir haben tägliche Anfragen, setzen für die Vermarktung aber auch insbesondere auf die Zusammenarbeit mit Systemintegratoren. Ein langjähriger Partner ist Bechtle.
Erste Pilotkunden gab es schon 2019. Gibt es zum öffentlichen Launch jetzt schon erste Kunden?
Ich möchte noch keine Namen nennen, aber wir haben eine große Zahl an Anfragen. Wir erreichen dabei auch genau die Kundschaft, die wir ansprechen wollen, nämlich den deutschen Mittelstand.
Haben Sie neben Bechtle weitere Vertriebspartner?
Wir sind im Gespräch mit anderen Systemhäusern, aber auch mit Unternehmen, die ihre Software über unsere Cloud anbieten wollen und somit natürlich auch die Cloud mitvertreiben. Allerdings kann ich auch da noch keine Namen nennen.
Gibt es Branchen, auf die Sie besonders abzielen? Also vielleicht eher keine konkurrierenden Einzelhändler?
Wir sind branchenunabhängig unterwegs, ähnlich wie beim Thema Recycling. Da übernehmen wir beispielsweise auch die Abholung von Wertstoffen bei verschiedenen Unternehmen. Wenn also unsere Marktbegleiter unser Angebot nutzen möchten, dann gerne. Allerdings haben wir natürlich im Rechtsraum auch bestimmte Vorgaben, die wir einhalten müssen. In unserem Fokus ist zwar der Mittelstand branchenübergreifend, aber natürlich haben wir auch die öffentliche Verwaltung und die sichere Verwahrung von Gesundheitsdaten im Blick.
Gerade im Gesundheitssektor ist das Sicherheitsthema in der Cloud ein besonderes. Die Hyperscaler investieren enorm in die Sicherheit der Cloud. Wie wollen Sie da mithalten?
Wir sind als Lebensmitteleinzelhändler Teil der kritischen Infrastruktur in Deutschland und haben daher ohnehin erhöhte Sicherheitsstandards zu beachten. Insofern sind wir auch Kritis-zertifiziert. Die Zahl der Cyberattacken nimmt weltweit von Jahr zu Jahr zu. Wir müssen uns davor natürlich schützen und machen das im gleichen Zug auch für die anderen Anwender unserer Cloud. Für uns ist die Cloud ein Teil unserer Infrastruktur und damit genauso schützenswert wie der Rest des Unternehmens.
Das Interview führten Heidi Rohde und Sebastian Schmid.