Erste Ausfälle lassen Crowdinvesting-Fans kalt

Unternehmensfinanzierung im Schwarm boomt - Projekte durchstoßen Millionenmarke

Erste Ausfälle lassen Crowdinvesting-Fans kalt

Von Antje Kullrich, DüsseldorfEs ist ein Rekord, der vermutlich nicht lange halten wird: 3,3 Mill. Euro hat das Luxus-Immobilien-Projekt Weissenhaus gerade über den Schwarm im Netz eingesammelt. Nach Angaben der Plattform Companisto, über die diese Transaktion läuft, ist es das bislang größte Crowdinvesting-Projekt in Europa. 800 Anleger haben ihr Geld in einem Fünf-Sterne-Resort an der Ostsee angelegt, das im Juli eröffnet hat und nun erweitert werden soll. Die Nachrangdarlehen sind mit einem Festzins von 4 % ausgestattet. Die Investoren sollen auch am Umsatz und an der möglichen Wertsteigerung der Immobilie beteiligt werden.Finanzierungen in Millionenhöhe sind in der noch jungen deutschen Crowdinvesting-Szene mittlerweile keine Einzelfälle mehr. So sammelte der Serverhersteller Protonet im Juli über die führende deutsche Plattform Seedmatch 3 Mill. Euro in nur sechs Tagen ein. Für die Hamburger war es bereits die zweite Finanzierungsrunde, nachdem sie im November 2012 mit heute bescheiden anmutenden 200 000 Euro das erste Mal bei den Seedmatch-Investoren vorstellig geworden waren.Noch äußerst selten ist die Aufnahme von Eigenkapital über die Crowd. Das gelang im Herbst vergangenen Jahres der erst spät gestarteten Plattform Bergfürst mit Urbanara, einem Online-Händler für Heimtextilien. Das Unternehmen sammelte brutto 3 Mill. Euro ein.Die Finanzierungsvolumina über Crowdinvesting wachsen rasant, wenn auch die absoluten Zahlen noch klein sind. Während Ende 2012 das Gesamtvolumen erst bei rund 5 Mill. Euro lag und Ende vergangenen Jahres knapp 20 Mill. Euro erreichte, sind es mittlerweile etwa 35 Mill. Euro.Allmählich kristallisiert sich auch heraus, welche Plattformen sich voraussichtlich auf dem Markt behaupten können. Die in Dresden ansässige Seedmatch hat mit bislang rund 19 Mill. Euro Finanzierungsvolumen die Nase deutlich vorn, gefolgt von Companisto. Das zweite Quartal dieses Jahres waren mit allein 5,2 Mill. Euro für Seedmatch die erfolgreichsten Monate in der noch jungen Unternehmensgeschichte. Weinshop auf dem TrockenenDoch die unbekümmerte Sturm- und Drang-Phase der Crowdinvesting-Szene könnte schnell zu Ende gehen und neuen Realitäten weichen: Die Plattformen melden die ersten Ausfälle. Nur zwei Tage vor der Rekordnachricht zum Immobilienprojekt Weissenhaus meldete Companisto die Insolvenz von Sommelier Privé. Der Online-Weinshop war erst im September 2013 von 715 Anlegern mit 300 000 Euro ausgestattet worden. Die Kundenakquisekosten entpuppten sich jedoch als deutlich höher als erwartet, eine Anschlussfinanzierung bekamen die Gründer nicht.Auch Foodiesquare, ein Versender von Feinkost-Lebensmittelboxen, ist pleite. Das Unternehmen hatte über Seedmatch sogar in zwei Finanzierungsrunden Kapital erhalten – insgesamt rund 550 000 Euro. Im Frühjahr sprang jedoch ein weiterer Venture-Capital-Investor ab.Noch sind die Ausfallquoten bei den Unternehmen, die sich über die Crowd frische Mittel beschafft haben, für Start-up-Verhältnisse gering. Kaum jemand zweifelt jedoch daran, dass sie noch deutlich ansteigen werden. Neo-Investing mit BanklizenzDie Crowdinvesting-Szene entwickelt sich jedoch nicht nur in dieser Hinsicht rasant. Schon will mit Bergfürst eine erste Plattform noch weiter. Im Juli erhielten die Berliner von der BaFin eine Banklizenz und sprechen seitdem vollmundig vom “Neo-Investing”. So kreativ Bergfürst auch mit seiner Eigen-PR sein mag, so mager ist die existierende Pipeline. Nach vielen Monaten ist endlich die Finanzierungsphase für ein zweites Projekt in Sicht – Bergfürst ist mit einem Wohn- und Geschäftshaus ins Immobiliengeschäft eingestiegen. Das erste Unternehmen Urbanara hält sich dagegen nur leidlich: Die Aktie notiert auf der hauseigenen Handelsplattform aktuell bei 9,50 Euro. Bei der Neuemission im November hatte das Papier 10 Euro gekostet.Die Gehversuche der deutschen Crowdinvesting-Szene dürften für US-Verhältnisse übrigens fast niedlich anmuten. Hier werden bereits ganz andere Volumina aufgerufen. Gerade hat ein ulkiges Design-Produkt namens Coolest einen neuen Rekord aufgestellt. Über den Vorreiter aller Crowdfunding-Plattformen, Kickstarter, wurden bis gestern 10,35 Mill. Dollar eingesammelt. Das in Retro-Orange erhältliche Coolest ist eher ein Spielzeug für Early Adopter als eine bahnbrechende Technikinnovation: eine Kühlbox mit eingebautem Soundsystem.