Erste Offerte für Thyssen-Stahlsparte
Mit Liberty Steel hat sich ein erster Bieter für die Stahlsparte von Thyssenkrupp aus der Deckung gewagt. Die Briten legten ein nicht bindendes Kaufangebot vor, das Preisetikett bleibt unter Verschluss. Während die Börse applaudierte, lehnte die IG Metall das Angebot rundheraus ab.ab Düsseldorf – Die britische Liberty Steel Group hat dem angeschlagenen Traditionskonzern Thyssenkrupp ein unverbindliches Angebot zur Übernahme des defizitären Stahlgeschäfts unterbreitet. Das Angebot sei nicht bindend und stehe unter bestimmten, nicht näher erläuterten Annahmen über das Geschäft, teilten die Briten am Freitag mit. Zu der Höhe des möglichen Kaufpreises äußerte sich Liberty Steel nicht.Die Gespräche seien nicht exklusiv. Vielmehr scheinen sich die Briten mit der Abgabe des indikativen Angebots den Verbleib im Bieterprozess sichern zu wollen. “Sollte Liberty Steel die Möglichkeit bekommen, weiterhin am Bieterverfahren teilzunehmen, ist Liberty Steel bereit, das Konzept in engem Austausch mit Thyssenkrupp weiterzuentwickeln”, heißt es. Liberty Steel werde bei dem Vorstoß von “einer Reihe von Finanzinstitutionen” unterstützt, allen voran von Crédit Suisse, wie Firmenoberhaupt Sanjeev Gupta in einer Telefonkonferenz sagte. Um ein verbindliches Angebot abgeben zu können, bedürfe es aber einer tiefergehenden Due Diligence.Thyssenkrupp, die von Rothschild beraten wird, bestätigte den Eingang der indikativen Offerte, gab sich ansonsten aber schmallippig: “Wir schauen uns das Angebot sorgfältig an. Gleichzeitig werden wir die Gespräche mit anderen potenziellen Partnern in gleicher Weise wie bisher konsequent fortsetzen”, teilte der Essener Konzern mit. Bekanntermaßen lotet Thyssenkrupp auch mit der schwedischen SSAB und Tata Steel eine Partnerschaft aus. Thyssen-Chefin Martina Merz sucht im Zuge der erforderlichen Branchenkonsolidierung eine Lösung für das schwächelnde Stahlgeschäft und lässt dabei “keine Denkverbote” zu.Das Vorliegen eines Kaufangebots bescherte der arg gebeutelten Thyssen-Aktie am Freitag einen satten Kurssprung. Die Aktie legte in der Spitze um 25 % zu und schloss mit 4,61 Euro (+10,8 %). Der neue Lakshmi MittalLiberty Steel ist Teil der GFG Alliance, einer Unternehmensgruppe von Sanjeev Gupta und dessen Familie. Gupta gründete Liberty Steel 1992 als Werkstoffhandelsunternehmen. Der Einstieg in die Stahlproduktion erfolgte erst viel später. Seit fünf Jahren hat Gupta von Wettbewerbern zahlreiche Stahlassets rund um den Globus zusammengekauft und schickt sich an, Lakshmi Mittal, der das Stahlimperium ArcelorMittal in vergleichbarer Manier aufgebaut hatte, den Rang abzulaufen. Wie am Freitag ebenfalls bekannt wurde, beginnt Premal Desai, der bis Februar dieses Jahres den Vorstandsvorsitz von Thyssenkrupp Steel innehatte, zum Jahreswechsel bei GFG Alliance als Chief Operating Officer.Die Stahlgeschäfte von Liberty Steel und Thyssenkrupp Steel seien hoch komplementär hinsichtlich Produktlinien, Kundenindustrien und regionaler Aufstellung, warb Gupta. Zusammen ließen sich die Herausforderungen der Branche, die durch die Pandemie noch verschärft wurden, besser bewältigen. Die Kombination der beiden Geschäfte werde auch die Kapazitätsauslastung in Duisburg, dem Hauptquartier von Thyssenkrupp Steel, erhöhen.Stahl gehöre in private Hände, denn die Transformation der Stahlindustrie und die Entwicklung hin zu “grünem” Stahl brauche Zeit und müsse von daher unabhängig von der Kurzatmigkeit der Kapitalmärkte sein. Liberty Steel versteht sich als Vorreiter für Nachhaltigkeit und hat sich auf die Fahnen geschrieben, bis 2030 CO2-neutral zu werden. Hierfür brauche es aber einen paneuropäischen Lösungsansatz, betonte Gupta. Thyssenkrupp Steel strebt dagegen erst bis 2050 Klimaneutralität an. IG Metall macht DruckDie IG Metall, die just am Freitag zu einer Demonstration vor der Düsseldorfer Staatskanzlei aufgerufen hatte, um für den Einstieg des Staates bei Thyssenkrupp Steel zu trommeln, wies das Angebot umgehend zurück. “Liberty will offenbar im Ein-Euro-Land einkaufen”, sagte Knut Giesler, Bezirkschef der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Politik müsse jetzt handeln, sonst drohe die Zerschlagung von Thyssenkrupp Steel und der Verlust zahlreicher Arbeitsplätze.Nordrhein-Westfalen wie auch der Bund hatten zuletzt mehrfach betont, dass der Einstieg des Staates bei Thyssenkrupp Steel derzeit kein Thema sei. Gleichwohl stellte sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bei der Demonstration auf die Seite der Stahlkocher: “Es ist kein Ein-Euro-Geschäft, sondern es ist beste Stahlqualität. Und wer dies nicht erfüllt, kann auch kein Partner für welche Fusion auch immer sein.” Gupta lud alle Stakeholder ausdrücklich zu Gesprächen ein und hob hervor, in keiner der zurückliegenden Transaktionen gegen die Gewerkschaften gearbeitet zu haben.