GASTBEITRAG

Es ist Zeit, mit der Zeit zu gehen

Die Digitalisierung in Rechts- und Steuerabteilungen bietet viele Chancen - gerade für große und kapitalmarktorientierte Unternehmen

Es ist Zeit, mit der Zeit zu gehen

Die Digitalisierung in Unternehmen schreitet voran, jedoch ist sie dort längst nicht in allen Abteilungen angekommen. In Steuer- und Rechtsabteilungen werden Standardvorgänge immer noch mit vergleichsweise hohem Aufwand manuell und ohne technische Hilfe bearbeitet. Das zeigen unsere Digital-Tax-Studie “Künstliche Intelligenz: Umdenken in der Steuerfunktion” und unsere Studie “Mit Recht zu mehr Effizienz”, in der die Digitalisierung von Rechtsabteilungen untersucht wurde. Automatisierung möglichFakt ist: Viele Aufgaben in Rechts- und Steuerabteilungen können automatisiert und damit effizienter erledigt werden. So können nicht nur Fehler vermieden werden, die durch manuelle Arbeit schnell entstehen. Zudem können Verträge und Unterlagen schneller erstellt werden. Dadurch werden die hoch qualifizierten Spezialisten in den Rechts- und Steuerabteilungen bei Standardvorgängen entlastet und können sich auf komplexere juristische und steuerliche Fragestellungen fokussieren. All das sind Vorteile, die gerade für börsennotierte Unternehmen nicht zu unterschätzen sind. Unsere Studien zeigen aber auch: Obwohl viele Rechts-, aber auch Steuerabteilungen beim Weg zur Digitalisierung erst am Anfang stehen, sind sie gegenüber der Digitalisierung grundsätzlich offen. Diese Offenheit ist im Bereich der Rechtsabteilungen in großen – in der Regel kapitalmarktorientierten – Unternehmen (mehr als 5 000 Mitarbeiter) ausgeprägter als in Unternehmen, die weniger als 5 000 Mitarbeiter beschäftigen. Die Rechtsabteilungen der großen Unternehmen gehen weitaus eher davon aus, bereits in fünf Jahren digitalisiert zu sein.Ein maßgeblicher Grund dafür ist sicherlich, dass die Funktion und die (Compliance-)Aufgaben der Rechtsabteilungen in Konzernen gerade in den letzten Jahren immer umfangreicher geworden sind. Der Bedarf, digital zu werden, ist dadurch wesentlich höher. Denn drohende Bußgelder, Strafen und Schadenersatzansprüche, aber auch eine steigende Anzahl von Massenklagen von Verbrauchern gehören dort inzwischen zum Tagesgeschäft. Digitale Workflows können gerade bei Letztgenannten den gesamten Prozess steuern.Die Rechtsabteilung befindet sich in Konzernen zudem in einer Position mit besonderer Verantwortung: Umfangreiche und komplexe Prozesse müssen betreut und hinsichtlich rechtlicher Risiken gesteuert werden. Das erfordert spezielle Maßnahmen. Hinzu kommt, dass sich das Geschäftsmodell vieler Unternehmen an die zunehmende Digitalisierung angepasst hat oder erweitert wird, was völlig neue juristische Fragestellungen aufwirft. Immer mehr VerträgeEin weiterer Punkt: Da die Verträge immer mehr und ihre Umfänge immer größer werden, steigt gerade in großen Unternehmen das Risiko, den Überblick zu verlieren. Eine Lösung liegt in der KI: Mit ihrer Hilfe lassen sich Verträge zum Beispiel auf Quellensteuerrisiken analysieren.Digitale Geschäftsmodelle stellen auch die Steuerabteilungen vor komplexe Fragestellungen – etwa: Welcher Gesellschaft sind welche Wertschöpfungseffekte zuzuordnen, und welche Kosten sind hierfür entstanden? Muss das Verrechnungspreiskonzept angepasst werden, weil plötzlich andere Wertschöpfungsfaktoren relevant werden? Kurzum: Die steuerlichen Herausforderungen sind sehr komplex. KI für SteuerabteilungenAuch vor diesem Hintergrund bietet KI für Steuerabteilungen großes Potenzial, um Prozesse künftig digital und damit effizienter zu gestalten und so ihre Leistungsfähigkeit erheblich auszubauen. Das zeigen auch die Ergebnisse der Digital-Tax-Studie: 72 % der Befragten erwarten durch den Einsatz von KI reduzierte Prozessdurchlaufzeiten, 67 % sehen eine Entlastung von monotonen Tätigkeiten und 59 % nehmen an, dass mithilfe von KI weniger Prozesskosten entstehen.Konkrete Unterstützung durch die KI versprechen sich die befragten Steuerprofis vor allem bei der Umsatzsteuervoranmeldung und der Generierung von steuerrelevanten Daten (jeweils 96 %).Wenn Unternehmen zunehmend auf digitale Geschäftsmodelle setzen, dann braucht es umfassende Analysen, um aus den Daten einen Mehrwert zu schaffen. Für die steuerliche Würdigung sind die Datenströme maßgeblich – seien es Daten zu Übergabezeitpunkt, Services, Ort des Vertragsabschlusses oder dem Wert eines (digitalen) Produkts. Vor diesem Hintergrund wird KI in der Steuerabteilung in Zukunft immer wichtiger.Für die Rechtsabteilungen wird es künftig stärker als bislang um die Frage gehen, wem Daten gehören und wie diese genutzt werden können. Es zeigt sich: Damit die Rechtsabteilungen auch in Zukunft ihre Aufgaben erfüllen können, müssen sie die (neue) Rolle von Risikomanagern annehmen – und offen für moderne Technologien sein. Das digitale ZielFür Rechts- und Steuerabteilungen lautet das digitale Ziel: Mehr Tempo, mehr Effizienz und damit mehr Kapazitäten bei weniger Ressourceneinsatz. Expertenabteilungen können sich dann dank digitaler Workflows wieder stärker auf die fachlichen Kernkompetenzen konzentrieren und besser ihrer Verantwortung gerecht werden. Christian Bosse, Managing Partner EY Law für Deutschland, Österreich, Schweiz und Florian Buschbacher, Partner von EY in Tax Technology and Transformation