Etappenerfolg
Volkswagen ist bei der Aufarbeitung des Skandals um Abgasmanipulationen bei Dieselfahrzeugen einen weiteren großen Schritt vorangekommen. So ist die gestrige Kursreaktion an der Börse auf die Ankündigung des Konzerns zu verstehen, dass ein Vergleich mit dem US-Justizministerium zur Beilegung strafrechtlicher Untersuchungen zu Bußgeld- und Strafgeldzahlungen von rund 4,3 Mrd. Dollar führen könnte. In der Spitze legte die VW-Aktie um 4,2 % zu, in den vergangenen zwölf Monaten ging es sogar um 30 % aufwärts. Nach den in den vergangenen Monaten ebenfalls mit US-Behörden und auch privaten Klägern erreichten Vereinbarungen zum Ausgleich zivilrechtlicher Ansprüche setzt sich bei Investoren der Eindruck fest, dass der finanzielle Schaden durch “Dieselgate” zwar schmerzt, für die Wolfsburger aber zu bewältigen sein wird.Erleichterung schwingt auch mit, dass der Vergleich in der strafrechtlichen Auseinandersetzung noch vor Antritt der Trump-Administration und den damit verbundenen Unsicherheiten erreicht wurde. Für Volkswagen ist er ein wichtiger Etappenerfolg – nicht nur, weil man die Aufmerksamkeit künftig mehr auf das Tagesgeschäft und die angekündigte strategische Neuausrichtung lenken kann. Der Vergleich ist auch deshalb von Bedeutung, weil der Autobauer gerade im zweitgrößten Automarkt der Welt ehrgeizige Ziele verfolgt. Um die Abhängigkeit vom chinesischen und europäischen Markt zu verringern, soll die defizitäre Kernmarke mit neuen, zum nordamerikanischen Markt passenden Produkten endlich aus der Nische fahren und von 2020 an Gewinne abliefern. Dafür müssen die Wolfsburger Vertrauen, das sie seit Bekanntwerden des Skandals im September 2015 verloren haben, zurückgewinnen. Die erreichten Vereinbarungen mit den US-Behörden sind dafür eine Voraussetzung.Allerdings: Abhaken kann Volkswagen die Krise nicht. Die Festnahme eines in Florida urlaubenden Managers sowie das Vorgehen der US-Ermittler, mit Hilfe von Kronzeugen die Verantwortlichen für die Manipulationen zu finden, wirft ein Schlaglicht auf noch bestehende Risiken für den Konzern. Sollte früheren und amtierenden Mitgliedern des Vorstands nachgewiesen werden, dass sie früher als bislang behauptet von den Manipulationen wussten, ohne sie bekannt zu machen, dürfte dies die Erfolgschancen für die milliardenschweren Schadenersatzklagen von Anlegern und Anleihegläubigern auch in Deutschland klar erhöhen. Zum Kursniveau vor Bekanntwerden des Betrugs fehlt der VW-Aktie noch ein ganzes Stück.