IM GESPRÄCH: FRANZ-JOSEF WERNZE

ETL greift im Prüfermarkt an

Steuerberatungsgruppe will sich im Mittelstand etablieren - 50 Standorte geplant

ETL greift im Prüfermarkt an

Die bislang vor allem in der Steuerberatung bekannte ETL-Gruppe strebt in den Markt für Abschlussprüfungen. Die Gesellschaft will sich dort als feste Größe im Mittelstand etablieren. Angeregt worden ist der ETL-Lenker Franz-Josef Wernze von den Regulierungsplänen in Brüssel, die aus seiner Sichtden Mittelstand stärken sollten, wie er im Gespräch mit derBörsen-Zeitung erläutert.Von Sabine Wadewitz, FrankfurtVor gut einem Jahr ist die Steuerberatungsgruppe ETL mit einer eigenen Wirtschaftsprüfungseinheit gestartet. In der neuen Gesellschaft wird bislang zwar erst ein Umsatz im einstelligen Millionenbereich konsolidiert. Doch die knapp 100 Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer in den Kanzleien der ETL-Gruppe erzielen in ihrem Geschäft einen Umsatz von 72,4 Mill. Euro, wie Firmengründer Franz-Josef Wernze im Gespräch erläutert. Dieser dezentral erwirtschaftete Umsatz soll nach und nach in die ETL AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, an der Wernze die Mehrheit hält, übertragen werden. Die gesamte ETL-Gruppe habe 2011 auf Basis vorläufiger Zahlen mehr als 460 Mill. Euro Umsatz vereint. ETL steht für European Tax & Law – zum Verbund gehören auch 250 Anwälte in 67 Niederlassungen.Die ETL-Gruppe betrachtet sich mit mehr als 700 Kanzleistandorten und 6 500 Mitarbeitern bundesweit als Marktführer in der Steuerberatung. Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück bis 1971, als Wernze mit damals 21 Jahren die EKW-Treuhand gründete und die ETL-Gruppe auf die Schiene setzte. Nach dem Mauerfall 1989 und der deutsch-deutschen Wiedervereinigung expandierte ETL in die neuen Bundesländer, wo aktuell die Hälfte des Geschäfts gemacht wird. DachmarkeUnter dem ETL-Dach arbeiten Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater und Finanzdienstleister, wobei nicht alle Mitgliedsgesellschaften auch unter der Dachmarke firmieren. Wernze ermöglicht den eng kooperierenden Partnern jedoch einen einheitlichen Außenauftritt und wechselseitige Unterstützung im Verbund. Dafür stehe ein Back Office mit 40 Berufsträgern als Rückendeckung zur Verfügung, wo Fachfragen geklärt werden können. ETL betreibt ein eigenes Rechenzentrum und bietet Aus- und Weiterbildung.Die zur Gruppe gehörenden Gesellschaften werden in der Regel als Partnerschaften geführt, die größte hat acht Partner und 70 bis 80 Mitarbeiter. Konzernmutter ist die ETL Freund & Partner GmbH, die an allen Gesellschaften beteiligt ist, aber nicht alle konsolidiert und im Wesentlichen vom Unternehmensgründer gehalten wird. Für sie wurden 2010 konsolidiert ein Umsatz von 140 Mill. Euro, ein Ergebnis vor Steuern von 19,5 Mill. und ein Jahresüberschuss von 6,2 Mill. Euro gezeigt. Die neuen Partnergesellschaften stoßen in der Regel zur Gruppe, wenn eine Nachfolge in einer Steuerberaterkanzlei ansteht und/oder eine Nachwuchskraft sich selbständig machen will.Wernze will die Wirtschaftsprüfung bundesweit ausrollen, parallel zum bestehenden Geschäft. “Aus dem Stammgeschäft kommen die Aufträge für die Wirtschaftsprüfung”, hofft der Unternehmer. Bei den Mandanten ziele ETL in erster Linie auf den Mittelstand, auf Familiengesellschaften, auf unternehmergeführte Firmen. “Auch wenn wir uns im Ranking gemessen am Umsatz direkt hinter den Big 4 platzieren, haben wir nicht den Übermut zu behaupten, wir kümmerten uns um die gleichen Geschäftsbereiche wie die vier Marktführer”, zeigt sich Wernze realistisch.Um das Prüfungsgeschäft auf die Schiene zu setzen, hat ETL im Kreis der Marktführer Mitarbeiter abgeworben. Die beiden Mitglieder des Vorstands kommen von Ernst & Young, weitere sieben ehemalige Big-4-Fachkräfte hätten angeheuert. Derzeit arbeitet die neue Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit 27 Standorten. Wachsen will Wernze auf 50 Niederlassungen “in allen Ecken Deutschlands”. Er sei überrascht worden, wie “flüssig” die Expansion gelaufen sei. “Mal eben einige hundert Wirtschaftsprüfer zu akquirieren, ist nicht das Problem”, zeigt sich der ETL-Lenker selbstbewusst. Die regulatorischen Anforderungen seien viel größere Hürden.Auslöser des Strebens in die Wirtschaftsprüfung war für den Gründer die Grünbuch-Diskussion in Brüssel, wo Binnenmarktkommissar Michel Barnier vor dem Hintergrund der Finanzkrise angetreten ist, die Marktmacht der vier Platzhirsche zu brechen. Wernze hält es für kritikwürdig, dass sich Europa von Amerikanern “beherrschen” lasse: “Wir haben die Big 4 in der Wirtschaftsprüfung, die Big 3 der Ratingagenturen und die Big 7 in der Unternehmensberatung.”In dem Szenario sehe er sich keinesfalls in der Rolle, den Marktführern das Wasser zu reichen. Doch der Stein, den Barnier ins Wasser geworfen habe, führe zum Nachdenken – das habe er bei seinen Auftraggebern bemerken können, ergänzt Wernze. In mittelständischen Unternehmen sei schon lange Murren zu vernehmen, dass Banken verlangten, sich “einen vernünftigen Wirtschaftsprüfer” zu suchen, obwohl die Firmen mit ihrem regionalen Prüfer sehr zufrieden seien. Zeichen der VeränderungErste Boten der Veränderung im Zuge der Regulierungsdebatte lassen sich nach Einschätzung von Wernze erkennen. So sei ETL in der Vergangenheit bei Ausschreibungen zwar oft in die engere Wahl gekommen, dann aber doch gescheitert, “weil man uns nicht kennt”. Nun habe sein Unternehmen den Prüfungsauftrag der Universität Leipzig ergattert – “gegen die Angebote der Big 4”. “Wir haben nicht über den Preis gewonnen, sondern weil wir regional sind”, meint Wernze. Der Auftraggeber habe es als sehr angenehm empfunden, dass er einen Ansprechpartner in der Stadt habe, der dort geboren sei und nicht nur einen Koffer im Hotel habe. “Ich glaube, das hat den Ausschlag gegeben.” Damit bewähre sich das Grundkonzept der ETL-Gruppe, mit regionalen Partnern zu arbeiten.Der regionale Fokus bedeutet nicht, dass man nur ins Inland blickt. International sei die Gruppe in 17 Ländern mit eigenen Niederlassungen vertreten – die jüngste in Schanghai. In weiteren Regionen sei ETL auf Partnersuche – “wir suchen im Moment noch das richtige Netzwerk”.