EU leitet Kehrtwende bei Biosprit ein
Die laufende Debatte um Biosprit ist durch die EU angeheizt worden. Einem Gesetzentwurf zufolge sollen die Subventionen für Sprit aus Raps, Mais oder anderen Rohstoffen der Nahrungsmittelproduktion bis zum Ende des Jahrzehnts gestrichen werden. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel und Umweltverbände begrüßten den Entwurf.Reuters/fed/md Brüssel/Frankfurt – In einer Kehrtwende will sich die Europäische Union (EU) von Biokraftstoffen aus Getreide verabschieden. Sie kommt damit Forderungen zahlreicher Umweltverbände sowie der Bundesregierung nach. Einem Gesetzentwurf zufolge sollen die Subventionen für Sprit aus Raps, Mais oder anderen Rohstoffen der Nahrungsmittelproduktion bis zum Ende des Jahrzehnts ganz gestrichen werden. Der Beimischungsanteil der wegen ihrer klimaschonenden Wirkung geförderten Biotreibstoffe soll dann auf 5 % gesenkt werden, heißt es in dem Entwurf der EU-Kommission, der der Nachrichtenagentur Reuters vorlag und dessen Veröffentlichung demnächst erwartet wird.Allerdings ist auffällig, dass die EU-Kommission eine diplomatisch sehr vorsichtige Form wählt, um ihr Anliegen vorzutragen. Erstens lässt die Brüsseler Behörde die nächsten acht Jahre außen vor und bezieht ihre Änderungsvorschläge auf die Zeit nach 2020. Zweitens beschränkt sich die EU-Kommission darauf, einen Wunsch zu äußern, indem sie ihre eigene Position klarmacht. Das deutet darauf hin, dass noch Diskussionsbedarf mit den EU-Regierungen besteht, die – ebenso wie das EU-Parlament – den Vorschlag noch absegnen müssen. Die EU-Kommission, so heißt es im Text, “ist der Ansicht”, dass nach 2020 “Biotreibstoffe nur gefördert werden sollen, wenn sie zu einer deutlichen Senkung der Treibhausgase beitragen und nicht aus Getreide hergestellt werden, die für Nahrungs- oder Futtermittel genutzt werden”.In Brüssel wird bereits länger darüber diskutiert, die Anforderungen zu verschärfen, was das Einsparvolumen an CO2 durch den Einsatz von Biokraftstoffen angeht. Ein EU-Sprecher erklärte auf Anfrage: “Unser Vorschlag wird sicherstellen, dass Biosprit, der von uns unterstützt wird, tatsächlich zur Reduzierung von Schadstoffen beiträgt.” Das bedeute, dass Anreize für die Kraftstoffe mit der höchsten Effizienz geschaffen werden.Mehreren von der EU in Auftrag gegebenen Studien zufolge ist Biosprit aus Getreide lange nicht so klimafreundlich wie gedacht. Zudem fällt die Ernte dieses Jahr nach Dürreperioden in wichtigen Anbauregionen wie den USA schwach aus. Die Preise auf den Spotmärkten sind deswegen drastisch gestiegen und haben Sorgen ausgelöst, der subventionierte und wachsende Anbau von Spritgetreide werde zu Engpässen bei Lebensmitteln beitragen.Für die Biosprithersteller ging es gestern an den Börsen bergab: Aktien der Südzucker-Tochter Cropenergies, die Bioethanol produziert, verloren 1,3 %. Der Kurs von Verbio, die vor allem Biodiesel anbietet, brach um fast 9 % ein. Die Biospritbranche macht derzeit in Europa einen Umsatz von etwa 17 Mrd. Euro.Der Anteil der Treibstoffe aus Getreide beträgt im Moment 4,5 %. Damit bliebe kaum Spielraum für einen Ausbau der Produktion. Biodiesel droht das Aus. Studien zufolge entsteht bei seiner Produktion so viel CO2, dass nur eine geringe Klimaschonung erreicht wird. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte die Wende: Sie werde “den Preisdruck auf Lebensmittel verringern und zugleich den Druck auf die Autohersteller erhöhen, sparsamere Fahrzeuge anzubieten”, erklärte dessen Vorsitzender Hubert Weiger. Er pochte zugleich auf einen Stopp von E 10-Benzin in Deutschland. Die dafür nötige Menge Bioethanol bringe ökologische und ernährungspolitische Kollateralschäden mit sich.Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte: “Ich bin sehr froh, dass die EU entschieden hat, die Subventionen von Biotreibstoffen in Europa zurückzufahren und die Beimischungsmengen von 10 auf 5 % herunterzufahren.” Auch die Bundesregierung hatte eine neue Biospritstrategie gefordert. Niebel schlug Ende August dem zuständigen EU-Kommissar Andris Piebalgs in einem Brief vor, die starren Quoten für die Beimischung von Biosprit zu konventionellem Benzin zu überdenken und auf Treibstoffe aus Getreide ganz zu verzichten. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles plädierte dafür, den Anteil der Agrarrohstoffe an Biosprit “perspektivisch auf null” zu senken. Um das angestrebte Ziel eines Anteil s von insgesamt 10 % klimafreundlicher Benzinarten am Gesamtverbrauch zu retten, soll dem Entwurf zufolge nun die Produktion aus Abfall und Algen vervierfacht werden. Ob dies gelingt, halten Experten für fraglich.