EU und Großbritannien nehmen sich mehr Zeit für die Trennung

Verständigung auf Übergangsperiode bis Ende 2020 - Noch keine Lösung für irisch-britische Grenze

EU und Großbritannien nehmen sich mehr Zeit für die Trennung

ahe/hip/sts Brüssel/London – Die Unterhändler der Europäischen Union und Großbritanniens haben in den Verhandlungen über den Abschied des Vereinigten Königreichs aus der EU einen entscheidenden Schritt nach vorne gemacht. Sie verständigten sich zum einen auf weite Teile des Austrittsabkommens, etwa in der Frage des finanziellen Rahmens und der Rechte für in Großbritannien lebende EU-Bürger. Zum anderen einigten sie sich auf eine Übergangsperiode. Von März 2019 bis Ende 2020, also 21 Monate lang, wird London zwar nicht mehr an den Entscheidungen der EU beteiligt sein. Großbritannien bleibt aber zunächst Teil des Binnenmarkts und der Zollunion, was die Auswirkungen des Brexit sowohl für Banken und Unternehmen als auch für die Bürger abfedert. Der Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, erklärte: “Das war ein entscheidender Schritt. Wir sind aber noch nicht am Ende des Weges.” In der Übergangsphase wollen sich beide Seiten darum bemühen, ein Freihandelsabkommen auszuhandeln. Die Briten werden zeitgleich die Chance haben, mit anderen Staaten der Welt eigene Handelspakte abzuschließen.Bisher noch ungeklärt ist die Frage, wie die künftige Grenze zwischen Irland und Nordirland ausgestaltet sein wird. Ziel beider Seiten ist es, eine “harte” Grenze zu vermeiden. Die EU hat Großbritannien die Bestätigung dafür abgerungen, dass – falls keine andere Lösung gefunden wird – die Regeln der Zollunion für Nordirland vorerst weiter gelten.Barnier warnte vor voreiligem Optimismus, indem er an das Verhandlungsprinzip erinnerte, dem zufolge nichts vereinbart ist, solange nicht alles vereinbart ist. London und Brüssel streben an, alle bislang noch strittigen Passagen im Austrittsabkommen – wie beispielsweise die Frage der irisch-britischen Grenze – bis zum Herbst dieses Jahres ausverhandelt zu haben. Wirtschaftsverbände diesseits und jenseits des Ärmelkanals zeigten sich erleichtert über die jüngsten Fortschritte. Für den Bundesverband der Deutschen Industrie erklärte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang, dass die Verständigung auf eine Übergangsperiode “dringend nötig” gewesen sei, um “fürs Erste Härten in der Produktion und im Außenhandel zu vermeiden”. Entscheidend bleibe jedoch “eine grundsätzliche Einigung über das zukünftige Verhältnis” zwischen EU und Großbritannien. Sie müsse bis Oktober erzielt werden. Auf eine rasche Klärung von Details einer Übergangsperiode und den Abschluss einer darüber hinausgehenden Vereinbarung dringt der Bundesverband deutscher Banken (BdB). Es sei sinnvoll, Finanzdienstleistungen in ein Freihandelsabkommen aufzunehmen, betonte gestern BdB-Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid. In diesem Kontext könnten auch die Themen Datenschutz, Zusammenarbeit der Aufsicht und Äquivalenz geklärt werden. Einen harten Brexit bezeichnete er als “gruseliges Szenario”. Am Devisenmarkt gab es deutliche Reaktionen auf die Meldungen aus Brüssel. Das britische Pfund stieg um bis zu 1 % auf in der Spitze 1,4087 Dollar. Der Euro gab um bis zu 0,8 % auf 87,45 Pence nach.—– Nebenstehender Kommentar- Schwerpunkt Seite 7