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EuGH setzt der Macht der EU-Kartellwächter neue Schranken

Kartellwächter aus Frankreich, Belgien und Griechenland hatten die EU-Kommission gebeten, die Fusion der US-Medizintechnikkonzerne Grail und Illumina zu prüfen. Das hätte Brüssel aber nicht tun dürfen. So lautet jetzt die Entscheidung der Richter des EuGH in Luxemburg.

EuGH setzt der Macht der EU-Kartellwächter neue Schranken

EuGH setzt EU-Kartellwächtern Grenzen

Fusionskontrolle der US-Konzerne Grail und Illumina überschreitet Befugnis

fed/cru Brüssel/Frankfurt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) begrenzt den Spielraum der EU-Kommission, ihre Kompetenzen in der Fusionskontrolle einzusetzen, um Übernahmen von kleinen, innovativen und wachstumsträchtigen Unternehmen einen Riegel vorzuschieben. Die Richter entschieden, dass die EU-Kommission Zusammenschlüsse und Übernahmen nicht kontrollieren darf, wenn weder die EU-Kommission noch ein nationales Kartellamt für die Fusionskontrollprüfung originär zuständig sind, zum Beispiel, weil Umsatzschwellenwerte nicht erreicht sind.

Im vorliegenden Fall, nämlich der Übernahme des US-Krebstest-Anbieters Grail durch die US-Medizintechnikfirma Illumina, hatten die Brüsseler Wettbewerbshüter einen Artikel des EU-Regelwerks neu interpretiert und nationale Behörden, die dafür keine Zuständigkeit hatten, aufgefordert, den Fall an sie zu überweisen. Dieser Praxis hat das Urteil des EuGH letztinstanzlich einen Riegel vorgeschoben – „eine herbe Niederlage für die EU-Kommission“, sagt Florian von Schreitter, Anwalt bei Hogan Lovells.

Entscheidung stellt Wettbewerbshüter vor Herausforderungen

Die Europäische Kommission habe ihre Befugnisse überschritten, als sie die US-Übernahme als Test für neue Befugnisse zur Prüfung von Fusionen nutzte, die zuvor unter ihrem Radar geblieben wären, so die Richter des EU-Gerichtshofs in Luxemburg. Dennoch hatte die EU-Kommission die 7 Mrd. Dollar schwere Übernahme überprüft, 2022 verboten und Illumina im vergangenen Jahr ein Bußgeld von 430 Mill. Euro auferlegt, weil die Transaktion vollzogen wurde.

Laut Jens Peter Schmidt, Partner der Kanzlei Noerr und Leiter des Büros in Brüssel, ist die Entscheidung des EuGH „juristisch sehr gut nachvollziehbar, sie stellt die neue EU-Kommission aber vor heikle wettbewerbspolitische und praktische Herausforderungen“: „Denn nun kann die EU-Kommission strategische Übernahmen von kleinen, aber besonders innovativen Unternehmen und Start-ups durch große Wettbewerber nicht mehr ohne Weiteres prüfen und verbieten.“

Das Urteil hat die Debatte darüber befeuert, wie sich die EU-Kommission verhalten soll, wenn insbesondere in der Pharmaindustrie oder in der Digitalwirtschaft Branchenschwergewichte kleine Firmen kaufen, bevor diese zu Rivalen werden können („killer acquisitions“). Eine entsprechende Änderung der EU-Fusionsverordnung gilt als politischer Kraftakt und wird aktuell nicht erwartet. Denkbar wäre indes, dass sich einzelne Mitgliedstaaten zu Anpassungen an ihren nationalen Kartellregeln entschließen.

Für den konkreten Fall hat das Urteil wenig Folgen. Die geplante Übernahme von Grail durch Illumina wurde aufgrund des kartellrechtlichen Widerstands auf beiden Seiten des Atlantiks kürzlich durch die Abspaltung von Grail zurückgedreht.

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