RECHT UND KAPITALMARKT

EuGH stärkt Position von Luxuswarenherstellern

Der Verkauf über Internetplattformen kann Vertragshändlern verboten werden

EuGH stärkt Position von Luxuswarenherstellern

Von Karsten Metzlaff und Hanno Schaper *)Ein Markenhersteller kann seinen Vertragshändlern zum Schutz des Luxusimages ihrer Produkte den Vertrieb über Drittplattformen wie Amazon Marketplace oder Ebay unter bestimmten Voraussetzungen untersagen, ohne dabei gegen das Kartellrecht zu verstoßen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem lange erwarteten Urteil entschieden (vgl. BZ vom 7. Dezember) und damit die kartellrechtlichen Rahmenbedingungen für den Onlinevertrieb in entscheidenden Punkten präzisiert (Az. C-230/16).Das OLG Frankfurt hatte den EuGH in einem Rechtsstreit zwischen dem Kosmetikhersteller Coty (u. a. von Parfüms wie Calvin Klein oder Davidoff) und dem Vertragshändler Parfümerie Akzente angerufen. Der Vertragshändler hielt eine Klausel, die ihm den Vertrieb der Coty-Produkte über Drittplattformen untersagte, für kartellrechtswidrig. Insbesondere könne sich der Hersteller als kartellrechtliche Rechtfertigung für Vorgaben zum Internetvertrieb nicht auf die Wahrung seines Luxusimages berufen. Nach Auffassung der Parfümerie hat der EuGH dies in einem Urteil von 2011 (Az. C-439/09 – Pierre Fabre) so entschieden. Das Bundeskartellamt schloss sich dieser Auffassung an. Objektive VorgabenDieser Deutung seiner bisherigen Entscheidungspraxis ist der EuGH nun entgegengetreten. Der Vertrieb von Luxuswaren, so der EuGH, rechtfertige es, zugelassenen Händlern objektive qualitative Vorgaben an den Vertrieb zu machen, solange diese einheitlich angewendet würden, zum Schutz des Luxusimages geeignet seien und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Beim Verbot des Vertriebs über Drittplattformen seien diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt. Nur so sei es dem Hersteller möglich, eine exklusive Verkaufsumgebung für seine Produkte sicherzustellen. Gegenüber Drittplattformen bestehe keine Einflussmöglichkeit des Herstellers, da diese dem Hersteller gegenüber nicht vertraglich verpflichtet seien. Die von den Verbrauchern geschätzte “Aura des Luxus” werde überdies potenziell dadurch geschädigt, dass auf derartigen Plattformen “Waren aller Art” angeboten würden. Über den Fall hinausDas Urteil hat Bedeutung über den konkreten Anwendungsfall hinaus. Denn es stellt generell klar, dass qualitative Vorgaben des Luxusartikelherstellers zum Internetvertrieb seiner Vertragshändler kartellrechtlich zulässig sein können, wenn sie das “Luxusimage” der Produkte schützen, nicht den Internetvertrieb an sich (“ob”), sondern nur die Art und Weise des Internetvertriebs betreffen (“wie”).Aus dem Urteil ergeben sich für die Praxis Folgefragen, für deren Beantwortung das – in Anbetracht der Bedeutung der Sache eher knapp gehaltene – Urteil nur wenige Anhaltspunkte erhält. Offen ist insbesondere, unter welchen Voraussetzungen ein Markenprodukt eine Luxusware darstellt. Darüber dürften Hersteller und Händler oft unterschiedlicher Auffassung sein, und auch bei den Verbrauchern in der EU dürfte es in vielen Fällen Unterschiede in der Markenwahrnehmung geben. Fraglich ist überdies, wie Onlineplattformen zu bewerten sind, die darauf abzielen, eine exklusive Verkaufsumgebung zu schaffen.Das Bundeskartellamt hat in einer ersten Stellungnahme betont, dass sich das Urteil nach seiner Einschätzung auf Luxuswaren beschränkt. Es sei insbesondere kein Freibrief für Markenhersteller außerhalb des Luxussegments. Im Hinblick auf andere hochwertige Markenprodukte hatte das Kartellamt in der Vergangenheit in mehreren Verfahren (betroffen waren insbesondere Sportschuhe und Hi-Fi-Audioprodukte) die Aufhebung von Drittplattformverboten durchgesetzt.Tatsächlich dürften aber auch Hersteller von Markenwaren außerhalb des Luxussegments von dem Urteil profitieren. Denn aus dem Urteil ergibt sich, dass der EuGH selbst in Fällen, in denen das Drittplattformverbot nicht zum Schutze eines Luxusimages erforderlich ist, die von der Europäischen Kommission erlassene Verordnung 330/2010 für grundsätzlich anwendbar hält. Diese Verordnung sieht für Vertriebsverträge eine Ausnahme vom Kartellrecht vor, wenn der Marktanteil der beteiligten Unternehmen die Schwelle von 30 % nicht überschreitet. Als einschränkende Voraussetzung nennt der EuGH lediglich, dass dem Händler nach wie vor die ausreichende Möglichkeit offenstehen muss, Onlinekunden in anderer Weise zu erreichen (z. B. über Onlinewerbung). Diese Einschätzung des EuGH lässt sich jedoch – abhängig vom konkreten Einzelfall – durchaus auch auf andere Markenprodukte übertragen.Ein Vorgehen des Bundeskartellamtes oder anderer Kartellbehörden gegen Drittplattformverbote ist durch das Urteil nicht vollständig ausgeschlossen. Die Anforderungen an den Nachweis wettbewerbsschädigender Auswirkungen derartiger Vereinbarungen, die die Kartellbehörde erbringen muss, dürften jedoch merklich gestiegen sein. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob und in welchen Fällen die Kartellbehörden einen solchen Aufwand auf sich nehmen wollen.—-*) Prof. Dr. Karsten Metzlaff ist Partner von Noerr, Hanno Schaper Associated Partner.