Europäischer Gerichtshof ordnet Investitionsschutz neu

Auswirkungen zunächst nur auf Schiedsverfahren innerhalb der EU beschränkt

Europäischer Gerichtshof ordnet Investitionsschutz neu

Von Markus Burgstaller *)Investoren, die ihre Investitionen in einem anderen Staat durch Maßnahmen der dortigen Regierung oder Gerichte beeinträchtigt sehen, wenden sich häufig an internationale Schiedsgerichte. Grundlage für diese Verfahren sind internationale Investitionsschutzabkommen zwischen zwei oder mehreren Staaten. In diesen Schiedsverfahren können Investoren direkt gegen den Staat auf völkerrechtlicher Ebene vorgehen. Im Erfolgsfall wird Investoren Schadenersatz zugesprochen. Diese Schiedsverfahren waren nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Verhandlungen der EU mit den USA zum Abschluss eines Freihandelsabkommens in die Kritik geraten. Viele dieser Verfahren nach bestehenden Abkommen sind jedoch anhängig. Häufig werden sie vor dem Internationalen Streitbeilegungszentrum bei der Weltbank in Washington ausgetragen oder vom Ständigen Internationalen Schiedsgerichtshof in Den Haag administriert.Im Jahr 2008 hat die niederländische Versicherungsgesellschaft Achmea ein Schiedsverfahren gegen die Slowakische Republik auf Grundlage des bilateralen Investitionsschutzabkommens (BIT) zwischen den Niederlanden und der Slowakischen Republik eingeleitet. Anlass dafür waren Maßnahmen der slowakischen Regierung, die eine Teilrücknahme der Liberalisierung des slowakischen Krankenversicherungsmarktes zum Inhalt hatten. Achmea vertrat die Auffassung, dass die Slowakische Republik durch diese Maßnahmen ihre Verpflichtungen in Hinblick auf Investitionen der Achmea verletzt hat. 2012 sprach ein Schiedsgericht in Frankfurt der Achmea Schadenersatz von 22 Mill. Euro zu. Im Anschluss daran reichte Hogan Lovells für die Slowakische Republik beim Oberlandesgericht Frankfurt ein Verfahren zur Aufhebung des Schiedsspruchs ein. Das OLG wies die Klage zurück. Daraufhin rief Hogan Lovells den Bundesgerichtshof an. Der legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, um zu klären, ob die BIT-Schiedsklausel gegen EU-Recht verstößt. Der EuGH urteilte am 6. März 2018, dass das Schiedsgericht EU-Recht anzuwenden hatte. Da das Schiedsgericht nicht Teil des Gerichtssystems eines EU-Mitgliedstaates ist, war nach Auffassung des EuGH das Schiedsgericht nicht in der Lage, ein Vorlageverfahren vor dem EuGH anzustrengen. Da auch die Kontrolle durch die deutschen Gerichte keine vollständige Prüfung am Maßstab des EU-Rechts ermöglichte, war die einheitliche Auslegung des EU-Rechts nicht gewährleistet. Der EuGH befand deshalb, dass die BIT-Schiedsklausel mit EU-Recht unvereinbar ist. Bundesgerichtshof am ZugDer BGH muss nun entscheiden, ob diese Unvereinbarkeit zur Aufhebung des Schiedsspruchs führt. Viel Spielraum scheinen die Karlsruher Richter nicht zu haben. Sollte der BGH den Schiedsspruch aufheben, wäre eine Vollstreckung des Schiedsspruchs innerhalb der EU äußerst schwierig. Das Urteil des EuGH hat demnach zur Folge, dass Schiedsverfahren von Investoren aus EU-Mitgliedstaaten nach BITs gegen andere EU-Mitgliedstaaten zumindest erschwert werden.Es würde nicht überraschen, wenn Investoren aus EU-Mitgliedstaaten künftig versuchen, ihre Investitionen in EU-Mitgliedstaaten über Tochtergesellschaften in Nicht-EU-Staaten, z.B. der Schweiz – und nach dem Brexit in Großbritannien – zu organisieren. Dadurch könnten sie versuchen, das EuGH-Urteil zu umgehen. Dies muss nicht notwendigerweise einen Standortnachteil für EU-Staaten zur Folge haben, da nach den meisten BITs eine Niederlassung im Staat der Eintragung der Gesellschaft nicht notwendig ist.Das EuGH-Urteil betrifft zunächst nur Schiedsverfahren nach BITs innerhalb der EU. Die Europäische Kommission stand diesen Intra-EU-BITs seit Jahren kritisch gegenüber und sieht sich nun vom EuGH bestätigt. Gleichzeitig hat die Kommission in Abkommen mit Drittstaaten, wie dem Ceta-Abkommen mit Kanada, eine ähnliche Form der Streitbeilegung in Form des Investitionsgerichtssystems (ICS) verhandelt. Ceta ist am 21. September 2017 vorläufig in Kraft getreten. Die vorläufige Anwendung des Abkommens betrifft nur die Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich der EU fallen. Die wichtigste Ausnahme gilt für die neuen Regelungen zum Investitionsschutz. Belgien hat kurz vor Inkrafttreten der vorläufigen Anwendung von Ceta am 6. September 2017 einen Antrag auf Gutachten beim EuGH zur Vereinbarkeit des ICS im Ceta mit EU-Recht gestellt. Auch in diesem derzeit anhängigen Verfahren hat der EuGH zu beurteilen, ob durch das im Ceta enthaltene Streitbeilegungssystem die einheitliche Auslegung des EU-Rechts gewährleistet werden kann. Wie der EuGH entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Auch wenn das jüngste Urteil des EuGH nur Schiedsverfahren innerhalb der EU betraf, kann es dennoch Zweifel an der Vereinbarkeit des ICS mit EU-Recht geben.—-*) Markus Burgstaller ist Partner bei Hogan Lovells in London.