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Europas Offshore-Windbranche erwartet Wachstumsschub

Von Andreas Heitker, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 20.6.2015 Die deutsche Offshore-Windindustrie ist aktuell in Feierlaune. Ein großer Windpark nach dem anderen ist in den vergangenen Wochen in der Nordsee ans Netz gegangen. Nachdem Offshore-Wind...

Europas Offshore-Windbranche erwartet Wachstumsschub

Von Andreas Heitker, DüsseldorfDie deutsche Offshore-Windindustrie ist aktuell in Feierlaune. Ein großer Windpark nach dem anderen ist in den vergangenen Wochen in der Nordsee ans Netz gegangen. Nachdem Offshore-Wind lange Zeit als eine Art Sorgenkind der Energiewende galt, gehen mittlerweile alle Experten davon aus, dass die von der Bundesregierung mittlerweile veranschlagten Ausbauziele auf 6,5 Gigawatt (GW) bis 2020 auch locker erreicht werden. Ende vergangenen Jahres waren vor der deutschen Küste lediglich Windkapazitäten von 1,05 GW gezählt worden. Ende dieses Jahres werden es schon rund 3,3 GW sein. Hinter dieser Zahl stehen Investitionen von deutlich mehr als 10 Mrd. Euro. Kostensenkung hat PrioritätHolger Kraft, Energieexperte und Partner der Kanzlei CMS, führt die positive Entwicklung auch auf die Korrekturen zurück, die in den letzten zwei Jahren im Erneuerbare-Energien-Gesetz und im Energiewirtschaftsgesetz beschlossen wurden. “In den letzten zwölf Monaten haben eine Reihe von Projekten die entscheidende Hürde zu einer finalen Investment-Entscheidung oder einem Financial Close genommen. Es ist davon auszugehen, dass in der näheren Zukunft weitere Projekte folgen werden”, prognostiziert Kraft. Dies sei auch grundsätzlich positiv, da auf allen Ebenen der Branche – in der Projektentwicklung, der Finanzierung und auch auf der technischen Seite – spürbar sei, dass die Offshore-Industrie nicht mehr in den Kinderschuhen stecke.Auf europäischer Ebene zeigt sich ein ähnliches Bild. RWE hat mit Partnern vor wenigen Tagen gerade erst den britischen Offshore-Park Gwynt y Môr eröffnet, was walisisch so viel heißt wie “Wind im Meer”. Er ist aktuell mit 576 Megawatt der zweitgrößte Offshore-Windpark weltweit. Lange dürfte dieser Titel allerdings nicht halten, sind doch mehrere noch deutlich größere Projekte schon im Bau oder in der Planungsphase. So hat etwa RWE selbst zusammen mit der norwegischen Statkraft noch eine riesige Windfarm vor der britischen Ostküste in der Pipeline. Triton Knoll soll auf eine installierte Leistung von bis zu 900 Megawatt kommen und könnte über 5 Mrd. Euro kosten.Ohnehin ist Großbritannien noch vor Deutschland noch immer der größte Wachstumsmarkt für Offshore-Wind. Wie es hier langfristig weitergeht, ist zwar unklar, da Haftungsfragen und das politische Förderregime für die nächste Ausschreibungsphase zurzeit für Unsicherheiten in der Branche sorgen. Dann geht es unter anderem auch um technisch anspruchsvollere Windparks in tieferen Gewässern. Dies ändert aber nichts daran, dass Europas Offshore-Windenergie bis zum Ende dieser Dekade vor einem gewaltigen Wachstumsschub steht. Die installierten Kapazitäten werden sich bis dahin noch auf geschätzte 28 GW mehr als verdreifachen (siehe Grafik).Optimisten hoffen, dass die Windmühlen auf dem Meer langfristig bis zu ein Viertel des Strombedarfs in der Europäischen Union decken werden. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Und bis dahin müsste die noch junge Industrie erst einmal wirtschaftlich wettbewerbsfähig werden. Weder mit Solar und Onshore-Wind, geschweige denn mit der konventionellen Stromerzeugung kann es die Offshore-Branche zurzeit aufnehmen. Nachdem nun aber die erste Welle von größeren Windparks am Netz ist und die zweite Welle schon angeschoben wurde, ist nach Einschätzung von Experten mittlerweile auch eine deutlich bessere Risikoeinschätzung und Finanzplanung als noch vor zehn Jahren möglich. Die zahlreichen Studien zu den Effizienzpotenzialen sind auch ermutigend: Im Schnitt werden 25 bis 35 % Kostendegression in den nächsten zehn Jahren in Aussicht gestellt. Die deutsche Arbeitsgemeinschaft Offshore-Windenergie rechnete jüngst in einer politischen Empfehlung mit bis zu 30 % schon bis 2020. “Kostenreduzierung hat Top-Priorität in der Industrie”, betont Michael Hannibal, CEO Offshore von Siemens Wind Power and Renewables. “Wir müssen profitable Investments für Offshore-Projekte schaffen unabhängig von einer politischen Förderung.” Mehr BetriebsstundenHieran werden künftig die beteiligten Unternehmen, zu denen auf Versorgerseite die beiden auch auf europäischer Ebene als Schwergewichte geltenden Dax-Konzerne Eon und RWE, EnBW, die Stadtwerke München oder auch Trianel gehören, in Zukunft arbeiten müssen. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit von Offshore-Parks sind die Strukturierung der Finanzierung und der Einkauf der Komponenten. Auf operativer Ebene sehen Offshore-Manager die Kostensenkungspotenziale aber vor allem in einer höheren Stromausbeute, die unter anderem über größere Turbinen erreicht werden kann. Derzeit wird bei Offshore-Parks mit jährlich 4 000 bis 4 500 Volllaststunden gerechnet. In absehbarer Zeit sollen es schon 5 000 Stunden sein.