Evergrande erhält "letzte Chance"
Evergrande erhält "letzte Chance"
Hongkonger Gericht setzt endgültige Frist für Vorlage eines Restrukturierungsplans
nh Schanghai
Der massiv überschuldete und akut gefährdete Immobilienentwickler China Evergrande hat am Montag von einem Hongkonger Gericht erneut Aufschub erhalten, um mit der Vorlage eines belastbaren Umschuldungs- und Restrukturierungsplans einem Liquidationsverfahren zu entgehen. Das Gericht setzt einen neuen Termin für den 4. Dezember an, apostrophiert diesen allerdings als „letzte Chance für Evergrande“.
In einer Stellungnahme der zuständigen Richterin vom Montag heißt es, Evergrande werde eine letzte Möglichkeit erhalten, um einen konkreten Restrukturierungsplan einzubringen, bevor es zu einer gerichtlichen Liquidationsentscheidung komme.
Umschuldung in Arbeit
Evergrandes Anwälten zufolge arbeitet man an einer Umschuldungslösung, bei der es gelte, zwei separat börsengelistete Konzerntöchter so weit zu monetisieren, dass sie zur Befriedigung von Gläubigeransprüchen in den Umschuldungsplan mit eingebracht werden können. Dabei handelt es sich um den Gebäudemanager Evergrande Property Services und den Elektroautobauer in spe Evergrande New Energy Vehicles.
Evergrande hatte mit einer Reihe von Manövern und Hinhaltetaktiken immer wieder neue Aufschiebungsmöglichkeiten für das ursprünglich im Januar anhängige Verfahren gefunden. Im Sommer gab es zwar Ansätze für eine Umschuldungslösung, allerdings wurde der dahinter stehende Restrukturierungsplan mit Verweis auf eine weiter verschlechterte operative Geschäftssituation wieder zurückgezogen. Im September ließ Evergrande dann wissen, dass Chinas Wertpapieraufsicht die Autorisierung für weitere Schuldtitelbegebungen entzogen hat. Damit wurden die Möglichkeiten für einen Bondgläubigerkompromiss auf Basis von neu ausgegebenen Anleihen hinfällig.
Kurz danach folgte die Nachricht, dass der Konzerngründer und Chairman von Evergrande, Hui Ka Yan, sowie zwei bereits zurückgetretene langjährige Spitzenmanager sich in Polizeigewahrsam befinden. Damit sind die Chancen auf eine Weiterführung des Evergrande-Konzerngebildes erst recht gesunken.
Verbindlichkeiten von mehr als 300 Mrd. Dollar
Der einst zweitgrößte Wohnimmobilienentwickler des Landes ist mit Gesamtverbindlichkeiten von über 300 Mrd. Dollar zum Inbegriff der Verschuldungskrise chinesischer Bauträger geworden. Daraus resultierende Beeinträchtigungen des heimischen Immobilienmarktes haben sich zu einer ernsten konjunkturellen Belastung für die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft verdichtet.
Evergrande hatte sich Ende 2021 den ersten förmlichen Zahlungsausfall (Default) auf ihre im Hongkonger Offshoremarkt begebenen Dollarbonds geleistet. Insgesamt befinden sich überwiegend bei internationalen Investoren platzierte Anleihen im Nominalwert von 23 Mrd. Dollar im Umlauf. Angesichts geringer Rettungschancen notieren die Dollartitel bei nur noch 5% des Nominalwerts.
Aktienkurs nahe Null
Die an der Hongkonger Börse notierte Aktie der Kerngesellschaft ist nach einer Serie von teilweise monatelangen Kuraussetzungen zwar wieder im Handel, aber zum sogenannten Penny Stock mit einem Kurs im Nullstellenbereich verkommen. Am Montag ging die Aktie zur Handelseröffnung in Hongkong auf ein Allzeittief bei 0,18 HK-Dollar und beendete die Sitzung mit einem Tagesverlust von knapp 10% bei 0,21 HK-Dollar. Dies entspricht einer Marktkapitalisierung von umgerechnet noch etwa 330 Mill. Euro. Zur Jahresmitte 2020, kurz bevor man an Chinas Finanzmärkten auf die Verschuldungs- und Liquiditätsprobleme der Immobilienbranche richtig aufmerksam wurde, lag Evergrandes Börsenwert bei etwa 45 Mrd. Euro.