EWE setzt ohne große Altlasten auf Expansion
Von Carsten Steevens, OldenburgEin Jahr nach Antritt des Vorstandsvorsitzenden Matthias Brückmann hat der kommunale Energiekonzern EWE eine neue strategische Ausrichtung beschlossen. So will die in Oldenburg ansässige Gesellschaft bis 2026 das führende Energieunternehmen für Deutschlands Norden werden – wobei man bei der EWE darunter die gesamte Region nördlich des Mains versteht. Das bereinigte Betriebsergebnis (Ebit) soll in zehn Jahren auf 560 Mill. Euro von 428 Mill. Euro im vergangenen Jahr steigen. Neue Märkte im VisierEin “Weiter-so” hätte bedeutet, dass in zehn Jahren 100 Mill. Euro des operativen Ergebnisses weggebrochen wären, sagte Brückmann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der fünftgrößte deutsche Energieversorger, der auch in den Bereichen Telekommunikation und IT tätig ist, kündigte an, neben der Steigerung der Effizienz in allen Geschäftsbereichen in neuen Regionen wachsen und mit Blick auf die Energiewende neue Produkte einführen zu wollen. Durch den Ausbau der Infrastruktur, die Erweiterung der Kundenbasis und die Erschließung neuer Märkte will das Unternehmen in Deutschland und im benachbarten europäischen Ausland – bislang ist die EWE in der Türkei und in Polen aktiv – expandieren. Dazu setzt man in Oldenburg neben dem organischen Wachstum in Geschäftsfeldern wie erneuerbare Energien und Elektromobilität auch auf Zukäufe und strategische Kooperationen.Vor einem Jahr hatte die EWE ihr glückloses Engagement beim Leipziger Erdgasunternehmen VNG beendet und die 74,2-prozentige Mehrheitsbeteiligung an die EnBW abgegeben. Im Gegenzug für den VNG-Erwerb übertrug die EnBW 10 % ihrer EWE-Anteile an die EWE. Zudem übernahm der Ems-Weser-Elbe Versorgungs- und Entsorgungsverband (EWE-Verband), in dem die beiden Verbände der kommunalen EWE-Gesellschafter, WEE und EEW, mit heute 84 % beteiligt sind, 10 % der EWE-Aktien von der EnBW. Der EWE-Verband verpflichtete sich, bis spätestens 2019 die restlichen 6 % EWE-Anteile der Karlsruher zu erwerben. Teil des insgesamt 1,4 Mrd. Euro umfassenden VNG-Deals war auch, dass die EnBW im Rahmen des Beteiligungstausches insgesamt einen Barausgleich von 125 Mill. Euro zahlt. Vom kommenden Jahr an will der Oldenburger Versorger Ausschau halten nach einem neuen strategischen Partner – zur Disposition steht ein Anteil in Höhe des ehemaligen EnBW-Pakets von 26 %. Beteiligen könnte sich nach Vorstellungen Brückmanns auch ein Konsortium von Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Die EnBW war 2009 bei der EWE eingestiegen.Das laufende Sparprogramm, das bis 2017 den Abbau von 500 Vollzeitkräften vorsah, um 150 Mill. Euro zu sparen, hat die EWE fast abgehakt. In den kommenden Jahren würden im Zuge neuer Beteiligungen und Geschäftsfelder neue Stellen geschaffen, so Brückmann. Die IT-Kosten sollen durch Vereinheitlichung von fünf IT-Systemen bis 2019 um 50 Mill. Euro im Jahr gesenkt werden.Einen Beitrag zur geplanten Ebit-Steigerung soll die Integration der Bremer Tochter SWB in den kommenden Jahren leisten. Zwei von vier Kraftwerken in Bremen, die defizitär sind, will die EWE aufgeben. Bis spätestens 2026 will sich der Konzern von den konventionellen Erzeugungsanlagen trennen. 2015 hatte die EWE bei einem um knapp 4 % auf 7,82 Mrd. Euro gesunkenen Umsatz einen Verlust von 9,4 (i.V. + 146) Mill. Euro verbucht, der insbesondere von Wertminderungen auf konventionelle Kraftwerke, Konzessionen, Firmenwerte sowie Rückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen verursacht wurde. Intelligente Netze ausbauenBrückmann betonte, der Umbruch sei kein Risiko, sondern eine große Chance. Die EWE habe kaum Altlasten. Zudem verfüge die Gesellschaft bereits seit Jahren mit den Sparten Telekommunikation und IT über entscheidende Kompetenzen für die Energiewende. Der Konzern erklärte, digitale Innovationen zu nutzen, um Kunden künftig individualisierte, mehrwertschaffende Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Zudem wolle man die Vorreiterrolle bei intelligenten Netzen ausbauen. “Was wir erreichen wollen, ist ein neues Level an Innovationsfähigkeit, digitaler Expertise und Agilität”, sagte Brückmann.Der Konzern sieht sich nach Angaben seines Vorstandsvorsitzenden für die kommenden Jahre finanziell gut aufgestellt. Die Emission einer neuen Anleihe sei nicht geplant. Um die Finanzierungskosten zu senken, hatte die EWE in diesem Jahr aus den Erlösen der VNG-Transaktion einen Teil der drei ausstehenden EuroBonds im Volumen von insgesamt 1,5 Mrd. Euro vorzeitig zurückgekauft. Das Volumen der Tilgung betrug knapp 300 Mill. Euro. In den nächsten 24 Monaten sei ein weiterer Teilrückkauf über 200 Mill. Euro denkbar. An der Dividendenpolitik soll sich nichts ändern. Für Investitionen in den nächsten Jahren stünden bis zu 2 Mrd. Euro zur Verfügung.—– Wertberichtigt Seite 6