Fallender Ölpreis ängstigt Siemens-Investoren

Zweifel am Kauf des Ölindustrie-Ausrüsters Dresser-Rand - Vorstand kündigt mehr Synergien an - Medizintechnik mit besserer Marge

Fallender Ölpreis ängstigt Siemens-Investoren

Die Skepsis der Siemens-Investoren über den Kauf von Dresser-Rand wächst angesichts des fallenden Ölpreises. Beim Kapitalmarkttag unterstrich dagegen der Vorstand den Wert des Investments. Er detaillierte sein Programm “Vision 2020”.mic München – Siemens-Chef Joe Kaeser wies beim Kapitalmarkttag vehement den Vorschlag zurück, Siemens möge den noch nicht vollzogenen Kauf von Dresser-Rand stoppen: “Wenn wir diesen Deal abblasen würden, würden wir viele glückliche Wettbewerber sehen.” Das Ziel müsse vielmehr sein, die durchschnittlichen Ölförderkosten weiter zu senken und so den Absatz für Dresser-Rand anzukurbeln. Die Förderkosten seien in kurzer Zeit von 72 auf 57 Dollar gesunken. Die US-Sorte WTI kostet aktuell knapp 63 Dollar pro Barrel. Kaeser prognostizierte, der Preis werde über 85 Dollar liegen, wenn die Integration von Dresser-Rand beendet sein werde. Rolls-Royce drückt GewinnKaeser wies auf die profitablen Geschäfte von Infrastruktur-Ausrüstern in Rohstoff-Boomphasen hin. Wer denn reich geworden sei beim Goldrausch, lautete seine rhetorische Frage: “Die Goldsucher oder jene, die die Schaufeln hergestellt haben?” Zudem solle man die Kraft der installierten Basis und die daraus resultierenden Service-Erlöse nicht unterschätzen. Energie-Chefin Lisa Davis wies darauf hin, dass sich durch die Käufe von Dresser-Rand und Rolls-Royce die installierten Siemens-Turbinen und -Kompressoren auf mehr als 120 000 Einheiten versechsfacht hätten. Die Synergien aus der Integration von Dresser-Rand fielen mit 200 Mill. Euro rund ein Drittel höher aus als angekündigt.Finanzvorstand Ralf Thomas kündigte an, der Gewinn werde durch den Rolls-Royce-Kauf im laufenden Geschäftsjahr 2014/2015 durch Restrukturierungskosten und Kaufpreiseffekte (PPA) um 200 Mill. Euro gesenkt. Davon entfalle ein mittlerer bis hoher zweistelliger Millionenbetrag auf PPA-Effekte. Genauere Angaben seien bisher nicht möglich. Projektrisiken enden 2017Mit Blick auf das laufende Geschäftsjahr strich Thomas heraus, er erwarte aufgrund des Hedging in der ersten Hälfte keinen Gegenwind durch Währungseffekte. Die Personalkosten würden um 3 % bis 4 % zulegen. Im gleichen Volumen sei ein Produktivitätsgewinn geplant. Beim Beteiligungsunternehmen Unify werde es Umbaukosten geben. Thomas sagte, der Stellenabbau aus dem avisierten Sparprogramm über 1 Mrd. Euro werde im nächsten Frühjahr zu beziffern sein. Mit den Betriebsräten werde zu Jahresbeginn gesprochen.Die Division Konventionelle Kraftwerke (Power & Gas) werde im laufenden Jahr am unteren Ende der Bandbreite für das Margenziel von 11 % bis 15 % landen, bekräftigte Thomas. Divisionschef Roland Fischer differenzierte, der Gewinn werde in den nächsten zwei Jahren beeinträchtigt. Vier Faktoren spielten eine Rolle: die Integrationskosten für die Zukäufe, die Optimierung der Standorte, erhöhte Ausgaben für Forschung & Entwicklung sowie der Preisdruck bei großen Gasturbinen.Thomas signalisierte, dass die Projektrisiken im Auftragsbuch abnehmen. Knapp die Hälfte des Orderbestands von 100 Mrd. Euro entfalle auf das Projektgeschäft (siehe Grafik). Aktuell lieferten rund 5 Mrd. Euro keinen Gewinn. Dies seien im Wesentlichen die bekannten Fälle. Der Netzanschluss von Windparks in der Nordsee sei aktuell zu 75 % bis 90 % umgesetzt und werde im nächsten Jahr vollendet sein. Stromübertragungsprojekte in Kanada und Großbritannien seien zu 40 % bis 50 % fertiggestellt und würden 2016/2017 beendet. Für das Jahr 2017 rechnet Thomas mit der vollständigen Abarbeitung des Velaro-D-Projekts (aktuell 80 %) und von Velaro Eurostar (55 %). Dagegen werde das finnische Kernkraftwerk Olkiluoto 3 erst “jenseits des Jahres 2017” fertiggestellt. Für die Division Energiemanagement, die einen Teil dieser Projekte schultern muss, kündigte Co-CEO Jan Mrosik an, dass die Zielmarge von 7 % bis 10 % im Turnus 2016/2017 erreicht sein werde.Kaeser erklärte, bis September 2017 sollten jene Geschäfte in der Spur oder verkauft sein, die zwar 18 % des Umsatzes beisteuerten, aber keinen Gewinn lieferten (Stand Mai 2014). Bis März 2015 sei die Überprüfung und Ressourcenzuteilung für diese Aktivitäten abgeschlossen. Als Ziel gelte für 2017 jeweils das Erreichen der Margenbänder. Zugang zum KapitalmarktDer Siemens-Chef bekräftigte die Vorgabe, im Jahr 2016/2017 schneller als der Wettbewerb zu wachsen. Das adressierbare Marktvolumen für Siemens bezifferte er auf 520 Mrd. Euro. Es wachse bis 2020 mit 3 % bis 4 % jährlich. Kaeser machte klar, dass großvolumige Firmenkäufe keine Priorität hätten. Er unterstrich, der F & E-Etat werde ausgehend von 4 Mrd. Euro um 10 % erhöht. Mit einem Plus von 11 % lägen die Konventionellen Kraftwerke vorn, gefolgt von Energiemanagement und der Digitalen Fabrik (je 8 %). Die zentrale Forschungsabteilung erhalte einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag zusätzlich, ergänzte Thomas.Kaeser thematisierte ausführlich die Chancen der Digitalisierung. Seit dem Jahr 2007 habe der Konzern 10 Mrd. Euro in dieses Gebiet investiert, davon 40 % in Form von Akquisitionen. Sehr profitabel sei der digitale Service, der im vergangenen Jahr zum Umsatz rund 0,5 Mrd. Euro beigetragen habe. Den größten Brocken stellten mit 19 Mrd. Euro Aktivitäten der Industrieautomatisierung.Das wichtigste Thema der “Vision 2020” ist nach Ansicht von Kaeser jedoch der Kulturwandel. Man messe ihn durch Mitarbeiterbefragungen, und er lasse sich auch am Ausbleiben von Sonderkosten messen.Medizintechnik-Chef Hermann Requardt strich die Chancen der eigenständigeren Position der Sparte innerhalb von Siemens heraus: “Wir können eine aktive Rolle spielen bei der Konsolidierung in unserer Branche mit der Unterstützung unserer Muttergesellschaft, aber auch durch Zugang zu den Kapitalmärkten.” Neue Paradigmen oder nicht?Er räumte ein, dass die Sparte Diagnostik nicht wie geplant wachse. Er verwies auf eine kommende neue Produktgeneration. Die These des Siemens-Konzernvorstands, der einen Paradigmenwechsel befürchtet und dies als Argument für die eigenständige Aufstellung der Sparte ins Feld führt, differenzierte Requardt. Er sprach von einem grundsätzlich langsamen, aber beständigen Wandel in der Gesundheitstechnik. Aber: “Wir sehen drei Schauplätze, die Paradigmen wechseln, aber nicht in disruptiver Art und Weise.” Dies betreffe Wettbewerber, Technologien und Kunden.Medizintechnik-Finanzvorstand Michael Sen hatte Requardt mit neuen Geschäftszahlen nach Berlin geschickt, die deutlich verbesserte Margen enthalten. Denn erstmals wurden die vereinbarten Verkäufe der Krankenhaus-IT und das Hörgerätegeschäft herausgerechnet. Die Konsequenz: Der Umsatz fällt mit 11,7 Mrd. Euro zwar signifikant niedriger aus als im in der vergangenen Woche erschienenen Geschäftsbericht 2013/2014 angegeben (12,4 Mrd. Euro). Aber die ausgewiesene Marge schnellt von 16,3 % auf 17,7 %. Bereinigt um Sondereffekte beträgt sie immer noch 17,1 %.—– Wertberichtigt Seite 6