RECHT UND KAPITALMARKT

Fallstricke im persönlichen Risikomanagement

Umfang des Versicherungsschutzes sollte unternehmensspezifisch ausgestaltet sein - Individuallösungen nur in Sonderfällen

Fallstricke im persönlichen Risikomanagement

Von Christoph Seibt *)Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte sind durch das deutsche und vor allem auch ausländische Recht immer eingriffsintensiveren Haftungs- und Reputationsrisiken ausgesetzt. Zum persönlichen Risikomanagement gehört als wichtiger Baustein ein angepasster, effektiver Versicherungsschutz, und zwar hauptsächlich durch eine D&O-Versicherung, häufig ergänzt durch Strafrechtschutzversicherung sowie D&O-Selbstbehaltpolice.Es ist ein zwar häufiger, aber potenziell existenzgefährdender Irrglaube anzunehmen, der Versicherungsschutz sei ein “technisches” Delegationsthema, da mit Ausnahme der Festlegung der Deckungssumme die Policenklauseln unverhandelbare Standards darstellten. Das Gegenteil ist richtig: Der inhaltliche Umfang des Versicherungsschutzes ist verhandelbar und sollte unternehmensspezifisch ausgestaltet sein.Das Verhältnis zwischen Organmitgliedern, Leitungs- und Aufsichtsorganen, Holdingebene und Tochtergesellschaften und amtierenden und ausgeschiedenen Versicherungsbegünstigten sollte explizit und transparent geregelt werden. Schließlich liegt es im Eigeninteresse der Organmitglieder, dass der vom Unternehmen vorgehaltene Versicherungsschutz auch für den Einzelnen unentziehbar abgesichert wird. Zu den guten Vorsätzen von Geschäftsleitern sollte es gehören, ihr persönliches Risikomanagement vor unternehmensbezogenen Haftungsgefahren einer Effizienzprüfung zu unterziehen.Bei der D&O-Versicherungspolice stehen in jüngster Zeit drei Regelungskomplexe im Zentrum der Diskussion. Erstens Bußgeldregress: Mit dem Anstieg der weltweiten Regulierung und einer zunehmenden Differenzierung und Verschärfung der Sanktionswerkzeuge wachsen die Bußgeldrisiken für Unternehmen und entsprechend die Regressrisiken für deren Geschäftsleiter. Die VW-Dieselaffäre zeigt beispielhaft das geänderte Verständnis vieler Jurisdiktionen, Sachverhalte auch mit extraterritorialem Anspruch sanktionieren zu wollen. Mit dem EU-Einheitsrecht gelten umsatzbezogene Rekordgeldbußen seit einiger Zeit im Kartellrecht, seit Kurzem im Kapitalmarktrecht und künftig auch im Datenschutzrecht. Für dieses Topprioritätsthema gilt: Während Geldstrafen und Verwaltungsbußen, die gegen Organmitglieder persönlich verhängt werden, von einer Versicherungsdeckung ausgeschlossen sein müssen (Versicherungsschutz wäre sittenwidrig), gilt dies nicht per se für den Schadensrückgriff bei unternehmensadressierten Bußgeldern.Allerdings finden sich in Policen nicht selten Deckungsausschlüsse für “Haftpflichtansprüche wegen Wettbewerbsbeschränkung” oder “wegen Bußgeld”. Solche rechtsgebietsbezogenen Deckungsausschlüsse sind zu entfernen und beim Bußgeldausschluss ist ausdrücklich der Bußgeldregress des Unternehmens bei den Organpersonen auszunehmen (Carve-Back-Regelung). Deckungsausschluss prüfenDeckungsausschlüsse sollten zweitens mit Blick auf den Schutz vor Inanspruchnahme auf der Basis ausländischen Rechts (vor allem des US-Rechts) oder im Hinblick auf Kapitalmarktfinanzierungen im Ausland (z. B. US-Privatplatzierung von Anleihen und Schuldscheindarlehen) sorgfältig geprüft werden. Regional- oder Sachgebietsausschlüsse sind bei entsprechender Risikolage herauszunehmen. Gelingt dies nicht und drohen Schutzlücken, ist über den Abschluss von Sonderversicherungen nachzudenken.Drittens sehen D&O-Policen entweder einen Deckungsausschluss bei wissentlichen oder alternativ bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen vor. Jedes dieser Ausschlusskonzepte hat Vor- und Nachteile. Die Wahl hat nach einer unternehmensspezifischen Risikoanalyse zu erfolgen, wobei im Regelfall der Deckungsausschluss bei wissentlicher Pflichtverletzung aus Sicht der Organe vorteilhaft sein wird: Während das Vorsatzkonzept zwar den Vorteil hat, dass der Deckungsausschluss nur eintritt, wenn sich für das Organmitglied im Rahmen der vorsätzlichen Pflichtverletzung auch die Möglichkeit des Schadenseintritts gezeigt haben muss, ist hiermit der erhebliche Nachteil verbunden, dass ein sog. Eventualvorsatz ausreicht. Der Versicherungsschutz entfällt hier also bereits dann, wenn die begünstigte Person Pflichtverletzung und Schaden für möglich hielt und billigend in Kauf genommen hat, ohne beides sicher vorherzusehen.Beim Wissentlichkeitskonzept muss sich der Vorsatz zwar nicht auf den Erfolg erstrecken, aber umgekehrt reicht bedingter Vorsatz für Pflichtverletzung und Schaden nicht aus. Damit besteht Versicherungsschutz auch, wenn das Organmitglied einer Konzernobergesellschaft lediglich fahrlässig oder bedingt vorsätzlich Aufsichtspflichten im Gesamtkonzern vernachlässigt hat. Rückausnahme vornehmenWird das Wissentlichkeitskonzept gewählt, ist allerdings darauf zu achten, dass eine Rückausnahme vom Deckungsausschluss für die Fälle vorgesehen wird, in denen der Geschäftsleiter, ohne vorsätzlich im Hinblick auf die Schadensherbeiführung zu handeln, der Überzeugung war, im Unternehmenswohl tätig zu werden. Dabei ist diese Rückausnahme nicht auf die Fälle der Verletzung unternehmensinternen Rechts (Satzung, Geschäftsordnung, Richtlinie) zu beschränken, sondern es ist auch gesetzliches Außenrecht einzubeziehen. Denn die Organmitglieder schulden gegenüber der Gesellschaft bei richtigem Verständnis der sog. Legalitätspflicht die Erkenntnis und Anwendung des in- und ausländischen Rechts nicht als Selbstzweck, sondern nur zur Förderung des Unternehmenswohls. Eine Gesetzesverletzung des Unternehmens im Außenverhältnis muss nicht automatisch ein Sorgfaltspflichtverstoß der betreffenden Organmitglieder sein.Einige Versicherungsberater empfehlen konzeptionell, von den marktüblichen Gruppenversicherungen zugunsten sämtlicher Konzerngeschäftsleiter auf D&O-Einzelpolicen für die jeweiligen Organmitglieder (gepoolt im Rahmen einer Bündelpolice) umzusteigen: Individual- statt Kollektivlösung ist hier das Schlagwort. Konzeptionell ähnlich ist das Twin-Towers-Modell, mit getrennten Deckungszusagen für Vorstände und Geschäftsführer einerseits und Aufsichtsräte andererseits.Mit diesen Individualkonzepten soll den Risiken entgegengewirkt werden, die bei einer Gruppenversicherung in Form des Aufzehrens der Deckungssumme bei Gesamtverantwortlichkeit der Organmitglieder nach dem Prioritätsprinzip entstehen. Diese Individuallösungen werden indes nur in Sonderfällen vorzugswürdig sein. Neben den derzeit am Markt nur relativ geringen verfügbaren Deckungssummen ist auf der Soll-Seite zu verbuchen, dass im Fall der häufigen gesamtschuldnerischen Haftung der Geschäftsleiter faktisch eine exponierte Inanspruchnahme des Organmitglieds droht, dessen Versicherungsschutz den effektivsten Schadensausgleich verspricht. Zudem entsteht bei einer D&O-Einzelpolice ein zu versteuernder geldwerter Vorteil beim versicherten Organmitglied, umgekehrt entfällt eine steuerabsetzbare Betriebsausgabe bei der Gesellschaft. Bis zur VerjährungSchließlich ist es für die Organmitglieder wichtig, dass sie das Schutzniveau des insoweit risikoangemessen angepassten Versicherungspakets für ihre Amtszeit und bis zur Verjährung möglicher Haftungsansprüche (AG: zehn Jahre nach schadensverursachendem Sachverhalt!) rechtlich absichern. Für Geschäftsführer und Vorstände gelingt das über den Anstellungsvertrag (D&O-Verschaffungsklausel), in dem die wesentlichen Parameter wie Deckungssumme sowie Nachhaftung bis Verjährungsablauf geregelt sind.Für Aufsichtsräte kann dies nur über einen ausdrücklichen Hauptversammlungsbeschluss gelingen. Regelungen über Verteilungsprinzipien bei nicht auskömmlicher Deckungssumme sind am besten in einer inter-organschaftlichen Regelung, abgesichert durch entsprechende Gremienbeschlüsse, festzulegen. So könnten etwa Aufsichtsräte stärker als Vorstände geschützt und amtierende vor ausgeschiedenen Organmitgliedern privilegiert werden.—-*) Prof. Dr. Christoph Seibt ist Partner von Freshfields Bruckhaus Deringer.