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Filetiert schmeckt's dem Investor besser

Börsen-Zeitung, 2.6.2018 Am Stück oder in Scheiben geschnitten? Das ist nicht nur die regelmäßige Frage beim Metzger des Vertrauens, sondern auch für Investoren am Aktienmarkt. An der feinen Filetierung finden immer mehr Investoren Geschmack....

Filetiert schmeckt's dem Investor besser

Am Stück oder in Scheiben geschnitten? Das ist nicht nur die regelmäßige Frage beim Metzger des Vertrauens, sondern auch für Investoren am Aktienmarkt. An der feinen Filetierung finden immer mehr Investoren Geschmack. Unternehmensführungen, die diesen Wünschen nicht von sich aus nachkommen, drohen Aktionäre mit der gewaltsamen Aufteilung des Konzerns. Nur eine Mode?”Die Zerlegung von Mischkonzernen als Fashion of the Season?” ist deshalb in diesem Jahr ein zentrales Thema beim jährlichen Treffen der Investor-Relations-Manager deutscher Unternehmen in Frankfurt. Aufs Zerlegen fokussierte Investoren, aktivistisch genannt und egozentrisch getrieben, setzen aktuell hierzulande gerade ThyssenKrupp und Uniper zu, sitzen den Managern in der angelsächsischen Unternehmenswelt aber schon viel länger im Nacken. Konglomerate sind ihre Zielgruppe. Denn solche Mischkonzerne zeigen in der Börsenbewertung in vielen Fällen einen markanten Abschlag, gemessen am Gesamtwert der Einzelteile des Konzerns. Die Unternehmensberater von Boston Consulting bescheinigen drei Vierteln aller Mischkonzerne einen solchen Konglomeratsabschlag. Umgekehrt heißt das, dass immerhin ein Viertel der Konglomerate einen Bewertungsaufschlag schafft. Diese Mischkonzerne sind für die Filetierungsspezialisten außen vor. Doch wehe, wenn die Performance nicht mehr stimmt und der Markt nicht mehr die “sum of the parts” erreicht. Dann stehen die Hedgefonds vor der Tür. Das Beispiel GELegendär war über viele Jahre der bis zu einem Fünftel reichende Aufschlag beim Konglomerat par excellence: General Electric. Das freilich galt für die Ära von Jack Welch, der damit in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts zur Management-Ikone avancierte. “Neutronen-Jack”, wie Welch wegen seiner auf Beschäftigte keine Rücksicht nehmende Shareholder-Value-Strategie genannt wurde (“fix, close or sell”), wurde zum Vorbild für eine Managergeneration, die sich eher als Portfoliomanager verstanden denn als nachhaltig wirtschaftender Unternehmer. Dass Welch als GE-CEO nicht nur seine Shareholder, sondern vor allem auch sich selbst reich machte, führte am Ende zu Wertberichtigungen in der Wertschätzung. Vor allem an der auf ihn zugeschnittenen Führungskultur in dem Konzern scheiterte sein Nachfolger Jeff Immelt. Heute steckt GE in einem Prozess der Selbstzerlegung und hat unter dem seit 2017 amtierenden CEO John Flannery die richtige Mischung noch nicht gefunden. Auch heute gibt es erfolgreiche Mischkonzerne, die einen Konglomeratsaufschlag erzielen. In Deutschland wären Siemens zu nennen, der Analysten einen Aufschlag von 10 % bescheinigen, oder auch Bayer. Zwar hat Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser proklamiert, “dass Konglomerate alten Zuschnitts keine Zukunft haben”. Doch allen Portfolioveränderungen zum Trotz ist der Münchener Elektromulti ein Mischkonzern geblieben. Opfer der KomplexitätBayer, die nach den Abspaltungen von Lanxess und Covestro in Richtung reinrassiges Pharmaunternehmen unterwegs war, kann nach dem Monsanto-Kauf als fokussierter Mischkonzern gelten, der es in der Hand hat, ebenfalls mehr wert zu sein als die Summe seiner Teile. Konzerne, die nur hinzukaufen, aber kaum Geschäfte abgeben, werden leicht Opfer ihrer Komplexität und zu langer Entscheidungswege. Kleinere, fokussierte Wettbewerber sind da im Vorteil. Dann wird gerne das Bild vom schwer zu steuernden Riesentanker versus eine Flotte von schnellen kleinen Schiffen bemüht. Vor allem lässt die Komplexität großer, global agierender Konzerne Unternehmensführungen faktisch zu Portfoliomanagern werden, die sich mehr um die kapital- und renditeoptimierte Mischung der Geschäfte als um die Geschäfte selbst kümmern. Die operative Kompetenz liegt dann in den dezentralen Einheiten, mit der Folge, dass die Steuerung durch den Konzernvorstand zunehmend nach finanzwirtschaftlichen und weniger nach unternehmensstrategischen Zielen erfolgt. Dass institutionelle Investoren angesichts solcher Entwicklungen die Aufspaltung von Konglomeraten fordern und die Zusammensetzung ihres Portfolios lieber selbst bestimmen wollen, liegt auf der Hand. Entsprechend ist seit einiger Zeit in der Unternehmenslandschaft international wie auch vor allem in Deutschland eine Welle von Spin-offs oder wenigstens rechtlichen Verselbständigungen von Unternehmensbereichen zu beobachten. Kaum ein Dax-Konzern, der nicht solche Überlegungen anstellt oder gar schon konkrete Pläne hat. Dies nur als vorübergehende Modeerscheinung zu sehen, die sich bald wieder in die andere Richtung einer stärkeren Diversifizierung verkehren könnte, wäre zu kurz gesprungen. Denn der Druck des Kapitalmarktes wird bleiben. Er wird all jene Unternehmen zur Dauerbaustelle machen, die nicht über stabile Ankeraktionäre mit längerfristigem Anlagehorizont verfügen. Wo Diversifizierung zähltBörsennotierte Familienkonzerne sind die Ausnahme. Ob bei Merck, bei Henkel oder bei BMW: Hier müssen die Vorstände nicht fürchten, von aktivistischen Aktionären zu Spin-offs gezwungen zu werden, um schlummernde Schätze zu heben und zu versilbern. In Familienunternehmen spielt die Diversifizierung eine zentrale Rolle in der Risikosteuerung, um Unternehmen über Generationen hinweg zu erhalten. Nachhaltiger Erfolg zählt dort mehr als schneller Erfolg. Begünstigt werden die vielen Ab- und Aufspaltungen von der seit Jahren stark expansiven Geldpolitik. Es herrscht Anlagenotstand, Investoren suchen Rendite. Die Niedrigzinsen haben die Unternehmensbewertungen getrieben und lassen Kapitalrenditen attraktiv erscheinen, für die Anleger einst nur ein müdes Lächeln übrig hatten. —– c.doering@boersen-zeitung.de—-Von Claus DöringKonglomerate mit Bewertungsabschlag werden am Kapitalmarkt nicht geduldet. Wenn der Vorstand nicht handelt, treten Investoren auf den Plan.