Finanzanalysten schlagen Alarm

Verband DVFA: Ausgerechnet mitten in der Wirtschaftskrise verringern viele Dax-Konzerne die Qualität ihrer Zwischenberichte

Finanzanalysten schlagen Alarm

2015 hat die EU die Pflicht zur Veröffentlichung von Quartalsberichten aufgegeben. Ausgerechnet in der Krise verringern nun immer mehr Firmen aus dem Dax-Universum Qualität und Umfang der Zwischenberichte – oder wollen sogar ganz darauf verzichten. Jetzt schlägt der Analystenverband DVFA Alarm.cru Frankfurt – Mitten in der Coronavirus-Wirtschaftskrise verringern ausgerechnet viele der größten in Deutschland börsennotierten Unternehmen die Qualität ihrer Zwischenberichte für das erste und dritte Quartal – und gleichen sich damit ihren Wettbewerbern auf europäischer Ebene an.”Insbesondere Werte aus Branchen wie Konsumgüter und Einzelhandel oder Finanzwerte scheinen diesbezüglich besonders anfällig zu sein”, warnt der Finanzanalystenverband DVFA in einer noch nicht veröffentlichten Studie, die der Börsen-Zeitung vorliegt. Nach Unternehmensgrößen falle auf, dass immerhin bei 20 % der Dax-Werte eine Verschlechterung des Reporting konstatiert wurde – während kleinere Unternehmen im MDax und SDax eher besser geworden seien.Künftig will etwa Henkel nach dem ersten und dritten Quartal lediglich Angaben zum Umsatz machen. Die Allianz möchte sogar ganz auf die Veröffentlichung umfangreicher Quartalsberichte verzichten. Auch die Munich Re will ihre Zwischenberichte zum 30. März und 30. September zumindest entschlacken – und sich nur auf Eckzahlen beschränken. Beiersdorf berichtet bereits extrem schlank die Umsatzzahlen. Porsche ist wegen des Verzichts auf Zwischenberichte vor Urzeiten aus dem MDax geflogen. In der Schweiz verzichtet die Swatch Group auf Quartalsmitteilungen. Julius Bär veröffentlicht nur Interim Statements ohne Gewinnzahlen. Der Hintergrund: 2015 hatte die EU die Pflicht zur Veröffentlichung von Quartalsberichten aufgegeben.”War die Qualität in der Vergangenheit bei einigen europäischen Emittenten durch die Veröffentlichung von lediglich Umsatzzahlen vergleichsweise dürftig, dürften sich einige deutsche Emittenten diesen (niedrigeren) Standards europäischer Werte zumindest annähern”, konstatiert nun die DVFA-Kommission Unternehmensanalyse nach der Befragung von 50 Analysten zu 200 europäischen Unternehmen.Hintergrund waren die in Deutschland veränderten Vorschriften zur reduzierten Form der Quartalsreporting-Pflicht auf europäischer Ebene für die Geschäftsquartale Q1 und Q3. Bei der Umfrage wurde von den Analysten bei 11 % der Unternehmen das Quartalsreporting als grundsätzlich negativ eingeschätzt, und 13 % verschlechterten sich. Kostenargument zieht nichtWährend einige Emittenten immer wieder das Kostenargument für ein verringertes Reporting in den Vordergrund stellten, was angesichts bereits vorhandener leistungsfähiger Controlling-Tools für den unterjährigen internen Soll-Ist-Abgleich “wenig plausibel” erscheine, seien aus Analystensicht eher Wettbewerbsgründe zu nennen: Wer transparenter berichte, werde auch besser von Konkurrenten durchschaut. “Alle Welt macht sich Sorgen um die Zukunft des Kapitalmarkts. Wenn wir die Kultur nicht angemessen pflegen, ist diese Sorge berechtigt”, warnte kürzlich Kay Bommer, Geschäftsführer des Investment-Profi-Verbands DIRK, in der Börsen-Zeitung. Von 2010 bis 2019 hat sich die Zahl der an der Deutschen Börse gelisteten Unternehmen von 1 516 auf 656 halbiert. “IPOs lassen auf sich warten. “Wer Kapital sucht, geht heute eher auf Private Capital zu.”Gerade in der Coronakrise zeigt sich laut DVFA, dass umfassende Kapitalmarktkommunikation als vertrauensbildende Maßnahme für die Kapitalmärkte unverzichtbar wäre. “Der Verband der Investment Professionals beobachtet das Aufweichen bewährter Reportingstandards daher mit großer Sorge und Skepsis.” Die DVFA plädiere “vehement für die Beibehaltung der Veröffentlichungsstandards nach § 53 der Börsenordnung in der bewährten Form”.Sollte die Deutsche Börse eine Änderung der Indexregeln dahingehend beschließen, dass die Zugehörigkeit zum Prime Standard, die den Reportingstandard beinhaltet, zukünftig keine Voraussetzung für ein Listing in einem der Dax-Indizes mehr sein wird, so hielte die DVFA dies “für eine vorstellbare – jedoch nicht präferierte – Vorgehensweise”.Auch wenn die von der Deutschen Börse definierten Veröffentlichungspflichten für Unternehmen des Prime Standard mit Einführung der Quartalsmitteilung weit oberhalb der europäischen Vorgaben liegen, scheint es auch bei deutschen Emittenten in einigen Fällen signifikante Veränderungen beim Informationsumfang zu geben. “Dies gipfelt in der Ankündigung einzelner namhafter Emittenten aus dem Dax-Universum, zukünftig auf Quartalsmitteilungen zu Q1 und Q3 komplett zu verzichten”, warnt die DVFA.Neben den möglichen Konsequenzen aus einem wegfallenden Reporting zu Q1 und Q3, das gemäß §53 Börsenordnung einen Ausschluss aus dem Prime Standard und damit aus der Dax-Familie zur Folge hätte, würde die Tätigkeit von Finanzanalysten bei der Unternehmensanalyse im erheblichen Maße erschwert: “So sind beträchtliche Mehrarbeiten bei ohnehin schon sehr knappen Analysekapazitäten zu erwarten.” Außerdem werde die Analyse- und Prognosequalität negativ beeinflusst. SDax berichtet besserUnternehmen, die mit guter Qualität beim Quartalsreporting auffielen, waren verstärkt im SDax (71,8 %) und MDax (84,6 %) zu finden. Im Vergleich dazu fielen die positiven Ergebnisse für Unternehmen, die unterhalb der deutschen Auswahlindizes im CDax (58,8 %) notierten, und für Emittenten aus dem Euro Stoxx 50 mit 63,6 % etwas ab. Bei beiden Indizes war der Anteil mit negativen Werten beim Quartalsreporting am höchsten (17,7 % CDax und 15,2 % Euro Stoxx 50). Qualitätssteigerungen bei der Veröffentlichung von Q3-Zahlen wurden beim MDax mit 25,5 % wahrgenommen. Schlusslicht war der Euro Stoxx 50 mit 15,2 %.