RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: DETMAR LOFF

Finanzdienstleistern drohen erhebliche Haftungsrisiken

Kleinanlegerschutzgesetz schafft neue Anforderungen im Wertpapiervertrieb

Finanzdienstleistern drohen erhebliche Haftungsrisiken

– Herr Dr. Loff, die Bundesregierung hat jüngst den Entwurf für ein Kleinanlegerschutzgesetz vorgelegt. Welche Regelungslücke will der Gesetzgeber füllen?Das Gesetz soll wahrgenommene Regelungslücken (vgl. Prokon) insbesondere im Bereich der Transparenz gegenüber Anlegern schließen. Hierfür werden der Anwendungsbereich des Vermögensanlagengesetzes erweitert und zusätzliche (Informations-)Pflichten und Vorgaben eingeführt. Zudem sollen im Vorgriff auf Mifid II einige der sogenannten Product-Governance-Regeln für Wertpapierfirmen eingeführt werden. Nach dem Gesetzesentwurf sind neben deutschen Wertpapierfirmen auch EU/EWR-Zweigniederlassungen in Deutschland betroffen. Kaum eines dieser Unternehmen ist bislang auf die Einführung dieser Regeln eingestellt, und der Gesetzesentwurf sieht noch keine Übergangsregelung vor.- Warum ist der Vorgriff auf Mifid II so problematisch?Mifid II wird auf europäischer Ebene weiter konkretisiert, bis die Vorgaben grundsätzlich ab 2017 Anwendung finden. Das Konsultationsverfahren zu den Product-Governance-Regeln ist gerade erst abgeschlossen, so dass noch keine belastbaren oder gar finalen Detailregelungen vorliegen. Anders ausgedrückt: Der deutsche Gesetzgeber will Mifid II diesbezüglich umsetzen, obwohl selbst die EU-Kommission meint, dass die Regeln noch nicht konkret genug sind. Die deutschen Unternehmen müssen daher erst ihre Prozesse aufgrund der neuen deutschen Regelungen anpassen, um zu einem späteren Zeitpunkt eine möglicherweise anderslautende Interpretation durch europäische Vorgaben zu berücksichtigen.- Was müssen Wertpapierfirmen bei der Konzipierung und dem Vertrieb von Finanzinstrumenten künftig beachten?Wertpapierfirmen, die ein Finanzinstrument konzipieren, müssen unter anderem einen Zielmarkt bestimmen und interne Genehmigungsverfahren durchlaufen, bevor die Produkte in den Vertrieb gehen. Da reicht es nicht aus, einfach “Privatanleger” als Zielgruppe zu definieren. Stattdessen muss für jedes einzelne Instrument mit hoher Granularität ein Zielmarkt festgelegt werden, dies ist insbesondere für Zertifikate-Emittenten eine unmöglich zu erfüllende Vorgabe.- Und im Vertrieb?Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente vertreiben, müssen wiederum Prozesse implementieren, um diese nur im Rahmen des definierten Zielmarktes abzusetzen. Hierfür müssen sie Informationen von der konzipierenden Wertpapierfirma einholen. Dies gilt für Privatbanken ebenso wie für Vermögensverwalter und Online-Broker. Solange dies nur für in Deutschland konzipierte Finanzinstrumente gilt, wäre dies mit einigem Aufwand vielleicht sogar möglich. Berücksichtigt man aber auch europäische Überlegungen – zum Beispiel um den weiteren Umsetzungsaufwand im Rahmen von Mifid II gering zu halten – müssten diese Informationen auch von konzipierenden Unternehmen außerhalb Deutschlands und allgemein Emittenten, die keine Wertpapierfirmen sind, eingeholt werden. Diese Unternehmen und Emittenten definieren aber noch keinen Zielmarkt, was faktisch zu einem Vertriebsstopp führen kann.- Entstehen mit der Gesetzesnovelle neue Haftungsrisiken für Finanzdienstleister?Ja. Konzipierende Unternehmen könnten sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass der definierte Zielmarkt generell verfehlt sei. Ein Anleger könnte auch behaupten, dass das Finanzinstrument an ihn vertrieben worden sei, er aber gar nicht innerhalb des definierten Zielmarktes liege. Zudem birgt die Nicht- oder nicht richtige Umsetzung der einigermaßen unklaren deutschen Vorgaben das Risiko eines allgemeinen Organisationsverschuldens.- Ihr Votum?Wir brauchen jedenfalls eine ausreichend bemessene Übergangsfrist. Die betroffenen Unternehmen müssen sich überlegen, ob sie neben dem Wortlaut der deutschen Regelungen auch bereits die europäischen Überlegungen berücksichtigen.—-Dr. Detmar Loff ist Counsel im Frankfurter Büro von Allen & Overy und berät zu aufsichtsrechtlichen Regulierungsmaßnahmen u.a. mit den Schwerpunkten Investmentrecht, Wertpapierhandelsgesetz und Bankenregulierung. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.