Finanzinvestoren bei Kartellverstößen im Risiko
Von Boris Uphoff und Armin Kühne *)Die niederländische Kartellbehörde Autoriteit Consument en Markt (ACM) hat im November 2014 Geldbußen gegen vier Private-Equity-Gesellschaften verhängt. Die vier Gesellschaften, die zu den Investorengruppen CVC und BCP gehören, müssen bei Rechtskraft der Beschlüsse insgesamt 2,4 Mill. Euro an den niederländischen Staat bezahlen.Grund für die Geldbußen waren Unternehmensbeteiligungen, die CVC und BCP zwischen 2001 und 2007 an dem Rotterdamer Mehlproduzenten Meneba gehalten hatten. Meneba hatte nach den Feststellungen der ACM in diesem Zeitraum zusammen mit dreizehn Wettbewerbern die Mehlpreise auf dem niederländischen Markt fixiert und weitere verbotene Wettbewerbsabsprachen getroffen. Gegen Meneba und die übrigen Kartellanten verhängte die ACM deshalb bereits 2010 Geldbußen von mehr als 80 Mill. Euro. Großes AufsehenZur Begründung der jetzigen Geldbußen gegen die Investorengruppen CVC und BCP verwies die niederländische Kartellbehörde auf die sogenannte Parental-Liability-Doktrin, nach der für Kartellrechtsverstöße nicht nur die eigentlichen Kartellanten haften, sondern auch ihre jeweiligen Muttergesellschaften. Die ACM hat den Investment-Gesellschaften der CVC aufgrund dieser Parental-Liability-Doktrin nicht lediglich eine (Mit-)Haftung für die Geldbußen gegen Meneba aus dem Jahre 2010 auferlegt, sondern sie hat eigenständige Geldbußen gegen die Investment-Gesellschaften der CVC verhängt.Die Bußgeldentscheidungen der ACM haben unter Marktbeteiligten und Juristen großes Aufsehen erregt. Die niederländische Kartellbehörde hat zum ersten Mal Geldbußen gegen Private-Equity-Investoren verhängt. Die Neuigkeit der Entscheidungen liegt aber vor allem darin, dass CVC für die Kartellrechtsverstöße Menebas aufkommen muss, obwohl die Investorengruppe während des Kartellzeitraums nur rund 40 % der Anteile an dem Rotterdamer Mehlproduzenten gehalten hatte und damit durchgehend Minderheitsgesellschafterin gewesen war. Trend zu schärferer HaftungDie ACM verwies darauf, dass CVC auch als Minderheitsgesellschafterin bestimmenden Einfluss auf Meneba habe ausüben können, unter anderem aufgrund von gesellschaftsvertraglich vereinbarten Vetorechten und Posten im Aufsichtsrat Menebas. Von besonderer Bedeutung war dabei der Umstand, dass allein CVC eine Sperrposition in der Gesellschafterversammlung der Meneba innehatte; keine andere Gesellschafterin war in der Lage, durch ihr Stimmgewicht wichtige Gesellschafterbeschlüsse der Meneba zu blockieren.Die Bußgeldentscheidung der ACM fügt sich in Bestrebungen der EU-Kommission und der Wettbewerbshüter in den EU-Mitgliedsstaaten ein, die Haftung für Kartellrechtsverstöße auszudehnen. Diese Bestrebungen haben sich im Zusammenhang mit der Haftung von Konzernmüttern für Geldbußen gegen ihre Tochterunternehmen entwickelt und wurden seitdem ausgeweitet.Die Entscheidung der ACM ist nicht der erste Fall, in dem eine kartellrechtliche Geldbuße nicht eine Konzernmutter, sondern Private-Equity-Investoren als Anteilseigner trifft. Bereits am 2. April 2014 verhängte die Europäische Kommission im Zusammenhang mit dem Stromkabelkartell gegen mehrere Unternehmen Geldbußen von insgesamt 302 Mill. Euro, davon rund 37 Mill. Euro gegen Goldman Sachs als Investor eines der Kartellanten.Die Kommission warf Goldman Sachs vor, über den Investmentfonds GS Capital Partners an dem italienischen Kabelhersteller Prysmian beteiligt gewesen zu sein. Prysmian wiederum hatte gemeinsam mit Wettbewerbern auf dem Markt für Starkstromkabel weltweit Kunden und Märkte aufgeteilt. Anders als in dem niederländischen Fall, in dem bei CVC nur eine Minderheitsbeteiligung an der Kartellantin Meneba vorlag, hatte Goldman Sachs an Prysmian allerdings eine Kapitalbeteiligung von nahezu 100 % gehalten. Die Entscheidung der ACM ist vor diesem Hintergrund das bislang schärfste kartellrechtliche Warnsignal für Investoren.Wie die jüngsten Entscheidungen der Kartellbehörden und Gerichte zeigen, müssen sich Private Equity-Gruppen und andere Finanzinvestoren darauf einstellen, mit kartellrechtlichen Geldbußen belegt zu werden, weil ihre Beteiligungsgesellschaften Kartellverstöße begangen haben. Den Einwand, Private-Equity-Investoren nähmen anders als Konzernmuttergesellschaften in der Regel keinen Einfluss auf das Tagesgeschäft von Beteiligungsgesellschaften und seien daher für deren Kartellrechtsverstöße nicht verantwortlich, hat die Europäische Kommission in der Vergangenheit bereits ausdrücklich verworfen, und auch die niederländische Kartellbehörde ließ ihn jetzt nicht gelten. Die Investoren konnten auch nicht mit dem Argument durchdringen, sie hätten von den Kartellrechtsverstößen nichts gewusst. Nach der Parental-Liability-Doktrin, die die Kartellbehörden sehr formal anwenden, kommt es für die Haftung von Gesellschaftern nur auf den ausgeübten Einfluss an, und nicht darauf, ob ein Gesellschafter während des Kartellzeitraums Kenntnis von den verbotenen Absprachen hatte.Hält ein Investor nahezu 100 % der Anteile eines Kartellanten, entlassen Kartellbehörden und Gerichte den Investor in der Regel nur dann aus der Haftung, wenn er den positiven Nachweis führt, dass er das Marktverhalten des Kartellanten weder in Bezug auf das Kartell noch sonst beeinflusst hat. In der Praxis gelingt dieser Nachweis selten. Es kommt hinzu, dass mit dem Ende einer Beteiligung nicht auch das Haftungsrisiko entfällt: Sowohl bei Goldman Sachs als auch bei CVC waren die Beteiligungen längst beendet, als die Kartellbehörden Geldbußen wegen der früheren Finanzbeteiligungen gegen sie verhängten.Finanzinvestoren haften außerdem nicht nur (gesamtschuldnerisch) für Kartellverstöße ihrer ehemaligen Portfoliogesellschaften, sie laufen nach Beendigung der Beteiligung noch ein weit größeres Risiko. Stellt sich die ehemalige Beteiligungsgesellschaft nach dem Verkauf der Beteiligung einer Kartellbehörde als Kronzeuge zur Verfügung, so kommt die Bußgeldbefreiung bzw. -minderung nur der Beteiligungsgesellschaft (und ihrem neuen Konzern) zugute, nicht aber dem ehemaligen Eigentümer. Dieser haftet voll und ist in seinen Verteidigungsmöglichkeiten auch dadurch beschränkt, dass er oft keinen Zugriff mehr auf die Akten und Mitarbeiter der Beteiligungsgesellschaft hat.In einer Pressekonferenz zu der Starkstromkabel-Entscheidung der Kommission fasste der damalige EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia die wichtigste Konsequenz der strengen kartellrechtlichen Geldbußenhaftung treffend zusammen: “Ich möchte die Verantwortlichkeit von Unternehmensgruppen bis hinauf in die höchsten Ebenen der Unternehmensstruktur betonen, die Einhaltung des Wettbewerbsrechts sicherzustellen. Diese Verantwortung ist dieselbe für Investment-Unternehmen. Diese sollten einen gründlichen Blick auf die Compliance-Kultur der Unternehmen werfen, in die sie investieren.” Prüfung angeratenDem ist mehr denn je beizupflichten: Finanzinvestoren werden sich nach den jüngsten Entscheidungen noch stärker als bisher zu einer kartellrechtlichen Due Diligence veranlasst sehen, bevor sie Beteiligungen erwerben. Freistellungsklauseln schützen sie selten ausreichend vor einem bösen Erwachen. Besondere Aufmerksamkeit bei der kartellrechtlichen Due Diligence sollte angesichts der Entscheidung der ACM der Satzung der Beteiligungsgesellschaft zukommen: Gelten dort Regeln zum Stimmrecht und zur Entscheidungsfindung, nach denen die anvisierte Beteiligung zu einer Sperrposition des Investors in der Gesellschafterversammlung führen würde, dann besteht nach der jüngsten Entscheidung der ACM selbst bei Minderheitsbeteiligungen ein erhöhtes Haftungsrisiko.—-*) Dr. Boris Uphoff ist Rechtsanwalt und Partner, Dr. Armin Kühne ist Rechtsanwalt im Münchener Büro von McDermott Will & Emery.