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Flugzeugbauer zementieren ihre Dominanz

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 12.7.2018 Die am kommenden Montag beginnende Luftfahrtmesse in Farnborough unweit von London ist ein wichtiger Gradmesser für die Flugzeugindustrie. Während die vielen Aussteller bei der Präsentation...

Flugzeugbauer zementieren ihre Dominanz

Von Stefan Kroneck, MünchenDie am kommenden Montag beginnende Luftfahrtmesse in Farnborough unweit von London ist ein wichtiger Gradmesser für die Flugzeugindustrie. Während die vielen Aussteller bei der Präsentation ihrer innovativen Entwicklungen um die Abnehmer von morgen buhlen, hat sich vor Beginn des Branchentreffens der Wettstreit zwischen Airbus und Boeing um die weltweite Vorherrschaft auf dem Feld ziviler Passagiermaschinen intensiviert. Sowohl der europäische Luftfahrtkonzern als auch sein US-Rivale haben ihr jeweiliges Sortiment um kleinere Modelle mit 70 bis 130 Sitzen ergänzt. Dieser Tage zurrte Airbus die mehrheitliche Übernahme der C-Serie des kanadischen Herstellers Bombardier fest. Der Konzern aus Toulouse gliedert nun die “neue” Baureihe in seine eigene Produktpalette unter dem Namen A220 ein. Boeing konterte kurz darauf mit der Meldung, mit dem Bombardier-Wettbewerber Embraer ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen, in dem der brasilianische Regionalflugzeugbauer unter Führung der Nordamerikaner seine Zivilluftfahrt-Aktivitäten einbringt. Dass die beiden Nischenanbieter fast zur selben Zeit die Kontrolle von Flugzeugbaureihen aus der Hand geben, gleicht einer strategischen Kapitulation. Bombardier und Embraer handelten aus der Not, befanden sich doch beide Unternehmen in arger Bedrängnis. Sie verhoben sich finanziell, da sich für sie die Entwicklung neuer, moderner Baureihen als aufwendiger und damit teurer erwies als ursprünglich geplant. Bei Bombardier war dann US-Präsident Donald Trump der Auslöser, als er seinem nördlicheren Nafta-Handelspartner ebenfalls Strafzölle androhte. Das hätte das Geschäftsmodell des Produzenten aus Montreal empfindlich getroffen. Zugang zum NischensegmentSomit nutzten Airbus und Boeing die Gunst der Stunde und inszenierten sich als “Retter” zu ihrem eigenen Vorteil. Denn mit den jüngsten Transaktionen erhielten sie relativ preiswert Zugriff auf ein Nischensegment, welchem sie nun – kurz vor Farnborough – goldene Zeiten in Bezug auf die Nachfrage und Aufträge zuschreiben. Diese Marketingkampagne in eigener Sache wirkt sonderbar, machten doch die beiden großen Hersteller zuvor einen großen Bogen um das Geschäft mit Regionalflugzeugen, da sie diesem Geschäftszweig kein dynamisches Wachstum zutrauten. Die bislang kleinste Flugzeugserie von Airbus, die A318, ist seit Jahren ein Ladenhüter. Jetzt soll aber alles besser werden. Zur Erinnerung: Noch vor wenigen Jahren wollten Boeing und Bombardier enger zusammenrücken, um Airbus auf diesem Gebiet gemeinsam zu übertrumpfen. Trumps Protektionismus hat dies zunichtegemacht. Die auf Krawall ausgerichtete Handelspolitik des neuen Herrn im Weißen Haus spielte den Europäern in die Hände. Die C-Serie der Kanadier schlüpfte unter das Dach von Airbus. Wachstumstrend ungebremstDoch der Trend im Flugzeuggeschäft geht weiterhin in Richtung größerer, kosten- und verbrauchseffizienter Maschinen mit Mittel- und Langstreckenreichweiten. Die Globalisierung treibt die Nachfrage der Luftfahrtgesellschaften an aufgrund eines wachsenden Passagieraufkommens. In der ersten Hälfte dieses Jahres hatte Boeing bei den Auslieferungen und Neuaufträgen (netto, nach Stornierungen) die Nase vorn. Airbus hinkt wegen anderer Produktzyklen (A350) und Produktionsverzögerungen (A320neo) hinterher. Handelskonflikte und eine derzeitige Verteuerung des Ölpreises, was vor allem die Airlines trifft, können die Entwicklung zeitweilig abmildern, aber nicht stoppen. Insofern bleiben Airbus und Boeing bei ihren Langzeitprognosen über den Flugzeugbedarf ungebremst optimistisch, wenngleich einige (selbstverschuldete) Baustellen die Euphorie teils dämpfen. So ringt zum Beispiel Airbus nach wie vor um die Zukunft des Riesenfliegers A380, der aufgrund hoher Betriebskosten und Fehlkalkulationen bei der Nachfrage Gefahr läuft, zu einem Auslaufmodell degradiert zu werden. Die Europäer drosseln daher die jährlichen Fertigungsraten für das Konkurrenzprodukt zur 747 von Boeing. Die Serien A320neo und A350 sind aber weiterhin die Verkaufsschlager wie die 787-Baureihe des Herstellers aus Chicago und Seattle. Duopol baut Dominanz ausAufgrund der Dominanz der Westeuropäer und der Amerikaner auf diesem Feld haben andere kaum Chancen, ihnen Paroli zu bieten. Russland und China beschränken sich auf ihre Heimatmärkte. Ihre Maschinen sind international kaum wettbewerbsfähig, zumal sie auch über kein globales Service- und Ersatzteilgeschäft verfügen. Peking ist erst dabei, Know-how im Flugzeugbau aufzubauen. Airbus und Boeing sind der aufstrebenden asiatischen Macht dabei um Jahrzehnte voraus. Die Chinesen können diesen Abstand im Hochtechnologiebereich nicht leicht aufholen. Passagierflugzeuge sind viel komplexere Gebilde als Smartphones, Kühlschränke oder Elektrokleinwagen. Mit ihren jüngsten Geschäftsergänzungen nimmt die Dominanz von Airbus und Boeing auf dem Weltmarkt weiter zu. Beide Konzerne zementieren auf diese Weise ihre ohnehin hervorgehobene Position. Eine derart beherrschende Stellung wie die des Duopols als Vollsortimenter im Luftfahrtbereich ist aber für den Wettbewerb in diesem Segment auf Dauer von Nachteil.