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Food-Konzerne fürchten Klimakrise

Die Lebensmittelbranche fürchtet nichts so sehr wie den Klimawandel − und trägt mit ihren Produktionsmethoden doch selbst einen erheblichen Teil dazu bei. Experten der Unternehmensberatung WTW empfehlen daher, sich nicht einfach nur an Mindeststandards beim Umweltschutz zu orientieren.

Food-Konzerne fürchten Klimakrise

kro Frankfurt

Nestlé, der größte Lebensmittelkonzern der Welt, war im Jahr 2018 nach eigenen Berechnungen für 92 Millionen Tonnen an Treibhausgasemissionen verantwortlich. Inklusive sämtlicher indirekter Emissionen waren es 113 Millionen Tonnen − mehr als doppelt so viel wie der gesamte jährliche CO2-Ausstoß in der Schweiz, wie die „NZZ“ Ende Dezember bemerkte. Im gleichen Jahr lagen die Hektarerträge bei Getreide in Deutschland um 16% unter dem dreijährigen Mittel der Vorjahre − Grund war die großflächige Dürre in den Frühjahrs- und Sommermonaten.

Die Auswirkungen solcher Extremwetterereignisse, die sich laut Meteorologen in Zukunft noch häufen werden, machen sich in kaum einer Branche so deutlich bemerkbar wie in ebenjener Lebensmittelindustrie. In einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der Unternehmensberatung WTW unter 250 Führungskräften der Branche wurden Umweltfaktoren als zweithäufigste Ursache für in den vergangenen zwei Jahren erlittene Verluste genannt. Noch größere negative Auswirkungen auf die Geschäftszahlen hatte lediglich die Corona-Pandemie.

Entsprechend groß ist die Sorge der Konzerne vor dem Klimawandel: Für 40% der Umfrageteilnehmer stellt dieser bereits das größte externe Risiko dar (siehe Grafik). Marken- und Imageschäden, in der Vergangenheit häufig ausgelöst unter anderem durch Medienberichte über die Umweltauswirkungen der Konzernaktivitäten, werden daneben als größtes internes Risiko erachtet.

„Der Lebensmittel- und Getränkesektor ist aufgrund seiner hohen Abhängigkeit von Nutztieren, Nutzpflanzen, Wasser und Kühlung natürlicherweise ressourcen- und energieintensiv“, wird WTW-Umweltexperte Christopher Strong in der Studie zitiert. „Diese Abhängigkeiten bedeuten, dass die Unternehmen sowohl dem Risiko ausgesetzt sind, die Umwelt negativ zu beeinflussen als auch von diesen Einflüssen geschädigt zu werden.“

Um die Problematik in den Griff zu bekommen, führt aus Sicht des Experten für die Branche kein Weg an mehr ökologischer Weitsicht vorbei. „Unternehmen brauchen ein standardisiertes Umweltmanagementsystem über alle Standorte hinweg“, sagt Strong. Firmen sollten nicht in die Versuchung geraten, immer nur das jeweilige Minimum an regulatorischen Anforderungen an den Umweltschutz zu erfüllen. Wer dabei erwischt werde, in einem Niedriglohnland entsprechende Schäden zu verursachen, riskiere einen weltweiten Reputationsverlust.

Neben der Klimakrise sind es aber auch geopolitische Risiken für die weltweiten Lieferketten und die unsichere Verfügbarkeit von Rohstoffen, die der Branche spürbar zusetzen. Dabei bereiten vor allem Engpässe in der Logistik und in der Lagerhaltung Sorgen. Als große Hürde bei der Verfolgung strategischer Ziele nennen die Firmen zudem Schwierigkeiten bei der Suche und Bindung geeigneter Fachkräfte.

„Viele Unternehmen verlagern ihre Produktion wieder stärker in die Nähe ihrer Märkte, da sich Just-in-Time-Modelle als problematisch er­wiesen haben“, konstatiert WTW-Risikoberater Charles McCammon. Dies brauche zunächst Zeit, da wo­möglich erst neue Fabriken er­richtet werden müssen. Zugleich sei der Schritt wegen der benötigten Kühlung in der Branche teuer. „Es könnte dennoch notwendig sein, um Lieferkettenrisiken zu reduzieren und langfristig Stabilität zu erzielen“, sagt McCammon.

Trotz der vielen Unsicherheiten herrscht in der Industrie mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung großer Optimismus. Demnach rechnen 70% der Teilnehmer damit, dass die Branche über die nächsten zwei Jahre hinweg profitabler wird.

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