Foodtech „Made in Europe“ hat einen Lauf
Foodtech „Made in Europe“ hat einen Lauf
Dealroom: Funding-Volumen im vergangenen Jahr erstmals größer als in den USA
kro Frankfurt
Europäische Start-ups, die mit neuartigen Lebensmittel- und Agrartechnologien zur Ernährungssicherheit beitragen und gleichzeitig das Klima schützen wollen, haben sich laut einer Studie im vergangenen Jahr trotz globaler wirtschaftlicher Unsicherheiten gut behauptet. Wagniskapitalinvestoren haben insgesamt 2 Mrd. Dollar in die hiesige Branche gesteckt und damit fast genauso viel wie im Vorjahr, wie es in einer vom Datendienstleister Dealroom und vom Berliner Start-up-Investor Foodlabs erstellten Analyse heißt. Erstmals, so die Autoren, habe die europäische Branche damit mehr Risikokapital an Land gezogen als die US-amerikanische. Ihr Anteil am weltweiten Funding-Volumen für innovative Lebensmittel- und Agrartechnologien belief sich demnach auf 58%. US-amerikanische Firmen verbuchten dagegen einen Anteil von um die 35%. Jungfirmen aus Asien kamen auf knapp 6%.
Dass Geldgeber in dem Feld vielfach auf den alten Kontinent wetten, hat aus Sicht von Foodlabs-Founding-Partner Christophe Maire mehrere Gründe. „Wir profitieren von einem starken Netzwerk an Forschungseinrichtungen, Universitäten und Innovationszentren, die die Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und Industrie fördern“, sagt der gründungserfahrene Investor. Die Region verfüge zudem über „ein starkes Ökosystem für den Schutz geistigen Eigentums und über einen Pool an qualifizierten Talenten in den Bereichen Biotechnologie, Lebensmittelwissenschaft und Ingenieurswesen“. Nicht zuletzt leiste auch die EU durch die vielfache direkte und indirekte Bezuschussung für Innovationen „hervorragende Arbeit“.
In bestimmten Punkten sieht Maire aber auch Besserungsbedarf. So brauche es in Europa „mehr regulatorische Klarheit und Harmonisierung, um ein gutes Umfeld für Foodtech-Innovationen zu schaffen“. Die Vereinfachung rechtlicher Rahmenbedingungen und die Gewährleistung einheitlicher Standards „könnten die mit politischen Veränderungen verbundenen Risiken mindern und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Foodtech-Start-ups auf der globalen Bühne sicherstellen“, so der Investor. Laut der Studie dürfte sich das Finanzierungsvolumen für europäische Lebensmittel- und Agrartechnologie-Start-ups im laufenden Jahr wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau einpendeln. Konkret lautet die derzeitige Prognose auf 1,1 Mrd. Dollar für 2024.
Hoffnung auf tierfreie Proteine
In der Foodtech-Szene dreht sich derzeit viel um die Gewinnung möglichst tierfreier Proteine für den menschlichen Verzehr. Der menschliche Körper kann bestimmte Aminosäuren nicht selbst produzieren und den Nährstoff im Gegensatz zu Fett und Kohlenhydraten nicht in größeren Mengen speichern. Die daraus folgende Notwendigkeit der regelmäßigen Zufuhr über die Nahrung stellt in Kombination mit der wachsenden Weltbevölkerung aber eine Herausforderung für das globale Ernährungssystem dar. Start-ups arbeiten daher an unterschiedlichen Methoden zur industriellen und umweltschonenden Produktion alternativer Proteine. Darunter fallen etwa Technologien zur Erzeugung pflanzenbasierter Proteine, Fermentationstechnologien, die Erzeugung von Fleisch aus Zellkulturen oder auch die Pilzmyzel-Technologie.
In der letztgenannten Kategorie hat sich zuletzt unter anderem das Hamburger Start-up Infinite Roots hervorgetan. Das Unternehmen wurde 2018 unter dem Namen Mushlabs gegründet und hat Ende Januar 58 Mill. Dollar eingesammelt. Die Firma fermentiert sogenanntes Myzel – also das unterirdische Geflecht unter Pilzen – mithilfe von landwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Maische oder Kaffeesatz in Bioreaktoren. Dabei entsteht eine proteinreiche Biomasse, die zu Lebensmitteln verarbeitet werden kann. In das Start-up ist auch Foodlabs investiert.
Founding Partner Maire gefällt an der Myzeltechnologie, dass sie für verschiedene Anwendungsfälle genutzt werden kann. So nutzt beispielsweise das italienische Start-up Sqim Myzel zur Herstellung von lederähnlichen Materialien für die Mode- oder Automobilindustrie. „Wir gehen davon aus, dass dieser Untersektor die Branche in den nächsten zwei bis drei Jahren dominieren wird“, sagt Maire.
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